YouTube-Kanal der Woche: Wenn eine russische Rentnerin Videobearbeitung entdeckt
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YouTube-Kanal der Woche: Wenn eine russische Rentnerin Videobearbeitung entdeckt

Dank Greenscreen schwimmt Tatjana Subbotina zwischen Korallenriffen, in der Suppe oder durchs Weltall. Es sind die besten Stonervideos seit 'Space Night'. Auch wenn ihr kein Wort Russisch versteht.

Geschichten von Großeltern, die das Internet entdeckt haben, haben meistens einen Oh-wie-putzig-Unterton. Sie handeln von Opas Begeisterungsstürmen, als er seine erste "E-Miehl" verschickt hat. Oder von Oma, die sich bei Facebook angemeldet hat und private Nachrichten auf die Pinnwand der Enkelin postet. ("Kathi, habe seit zwei Wochen nichts von dir gehört. Rufe mal wieder an! Ich hoffe, mit deinen Blähungen ist es besser geworden. Kussi, Omi") Meine eigene – russische – Oma weigerte sich bis zu ihrem letzten Tag, "Internettelefon" (Skype) zu benutzen. Auf den Laptop, den wir ihr geschenkt hatten, legte sie eine gehäkelte Serviette und fasste ihn nur zum Abstauben an. Aufklappen wollte sie ihn nie – "weil Putin alles sehen kann, was wir im Internet machen".

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Klar, dass eine Rentnerin, die mit Videobearbeitungsprogrammen umgehen kann, im Internet gefeiert wird. Tatjana Subbotina, 62, reist in ihren YouTube-Videos mittels Greenscreen-Technik ins Weltall und in LSD-hafte Zauberwelten mit Zwergen, schwimmt in einem Teller Borscht oder zwischen Korallenriffen.

Dank Greenscreen-Technik montiert sich Tatjana auf einen fliegenden Teppich oder auch mal in verschneite Landschaften mit Werwölfen und Explosionen:

Oder sie steht auf einer Slackline zwischen Wolkenkratzern und gibt zusammenhangslose Lebensweisheiten zum Besten: "Wenn es euch schwer fällt, Einsamkeit zu genießen, genießt die Freiheit. Kleine Glasscherben könnt ihr aufsammeln, indem ihr ein Stück Knete dagegendrückt. Und jetzt erzähle ich euch einen Witz …"

Um Tatjanas Videos zu genießen, muss man nicht einmal Russisch sprechen. Dank ihrer therapeutischen Stimme und den irren Landschaften sind ihre Videos perfekt, wenn man zu einer Stunde nach Hause kommt, zu der man zu müde/betrunken ist, um einer Filmhandlung zu folgen –aber zu wach, um ins Bett zu gehen. Also genau die Uhrzeit, in der Kiffen vorm Schlafengehen eine großartige Idee scheint. (Am nächsten Morgen scheint sie das meistens nicht mehr. Und mit Gras ist Schlaf ohnehin nicht besonders erholsam.)

Aber wenn wir euch schon nicht vom Kiffen abhalten können, wollen wir euch zumindest Tatjanas YouTube-Kanal als visuelle Begleitung ans Herz legen, die es mit der nächtlichen Dauerschleife von Bernd das Brot aufnehmen kann. Oder der Space Night.

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Wer Russisch spricht, könnte auf die Idee kommen, dass Tatjana ihre Videos in einem ähnlichen Zustand aufnimmt wie oben beschrieben.

In diesem Video gibt es eine Sequenz, in der sie mit einem Wahl taucht und sagt: "Ohh, da schwimmt ein Wahl – wie riesig der ist! Meer – was für eine Tiefe, was für eine Macht! Ich lieeebe es, Wahle anzuschauen und im Meer zu schwimmen." Schnitt. Plötzlich ist sie in einem Mohnfeld mit gigantischen Schmetterlingen und sagt: "Außerdem lieeebe ich Mohnfelder! Schau, Schmetterlinge. Ich liebe Schmetterlinge. Wie schön!"

Foto: Screenshot YuoTube

Als ich Tatjana anrufe, sagt sie allerdings: "Ich bin Drogen und Trinken gegenüber negativ eingestellt. Ich rühre keinen Tropfen Alkohol an und rauche nicht einmal." Sie erzählt, dass sie sich Videobearbeitung mit YouTube-Tutorials beigebracht hat, weil sie sich im Ruhestand langweilte. "Vorher habe ich als Ingenieurin gearbeitet, doch mein Betrieb hat mich mit 55 pensioniert", sagt sie. "Aber ich habe noch viel Potential!" Zum ersten Mal hat sie mit Greenscreen experimentiert, als sie Märchen mit Handpuppen für ihren Enkel aufgenommen hat. Jetzt hat ihr Kanal über 11.000 Subscriber und sie hofft, später damit etwas Geld dazuzuverdienen: "Die Renten in Russland sind mickrig."

Ihre Botschaft an die junge Generation? "Abonniert meinen Kanal und meine Videos könnt ihr liken", sagt Tatjana. Dann denkt sie noch mal nach und fügt hinzu: "Deine Generation soll sich glücklich schätzen. Mein Leben wäre so viel besser, wenn ich mit Internet aufgewachsen wäre. Ihr könnt die Welt verändern. Nehmt euer Schicksal in die Hand – schließlich müsst ihr und eure Kinder auf diesem Planeten leben."

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