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Urteil

Wie verheerend ist das Urteil des Bundesgerichtshofs für Fans wirklich?

Nach dem BGH-Urteil können Vereine Strafen an Fans weitergeben. Die Polizei jubelt, die Fans laufen Sturm. Ein Richter erklärt uns, warum selbst Plakate wie „Fußballmafia DFB" richtig teuer werden können.
Foto: Imago

Seit gestern kann das Zündeln im Stadion für fußballbegeisterte Pyromanen teuer werden. Und nicht nur das. Der Bundesgerichtshof entschied, dass Vereine Strafen an ihre Fans weitergeben können. Nachdem ein Zuschauer 2014 mit einem Böllerwurf sieben Stadiongäste verletzte, konnte der 1. FC Köln erfolgreich 30.000 Euro Schadensersatz fordern. Dieser Knall im Gerichtssaal wird wohl vorerst weitere in den Stadien verhindern.

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Polizei und Vereine bejubeln die Entscheidung, Fan-Vereinigungen laufen Sturm. Das Urteil schwebt wie ein Damoklesschwert über der deutschen Fankultur und wirft zudem viele Fragen auf. Wie endgültig ist das Urteil? Wird der DFB nun verstärkt Druck auf die Fans ausüben? Was ist mit verbotenen Bannern wie „Fußball-Mafia DFB"? Reichen auch schon kleinere Vergehen für Strafen im fünfstelligen Bereich? In Dr. Jan F. Orth haben wir einen Richter und Sportrechtsexperten gefunden, der uns diese und weitere Fragen zu dem Urteil beantworten konnte.

VICE Sports: Das Urteil gestern war ja noch nicht das Ende des Prozesses. Was wird Ihrer Einschätzung nach noch folgen?
Dr. Jan F. Orth: Der BGH hat festgestellt, dass der Schadenersatzanspruch dem Grunde nach besteht. Die Höhe von diesem ist aber weiterhin umstritten, weswegen es eine weitere Entscheidung des OLG Köln geben wird.

Was bedeutet das Urteil für die Fans?
Dass es sehr, sehr teuer wird, wenn man sich in der Kurve danebenbenimmt. Also egal, ob man auf den Platz rennt, andere verprügelt oder eben Pyros schmeißt—der Verein kann deswegen eine verhängte Geldstrafe des DFB-Sportgerichts weiterreichen.

Wirklich auch bei kleineren Vergehen, wie dem Flitzen und dem Zeigen von beispielsweise DFB-kritischen Bannern?
Wenn der Verein deswegen eine Strafe bekommt, auch dafür. Wenn auf einem Banner etwas wie „Fußballmafia DFB" oder „Hurensöhne DFB" steht, ist das auch nicht durch die Meinungsfreiheit geschützt, es handelt sich dabei um beleidigende Ehrverletzungen.

Solche Liebesbekundungen kosten in Zukunft, aber richtig. Foto: Imago

Stichwort „DFB". Dessen Gericht wurde ja klar durch das Urteil gestärkt. Denken Sie, dass der Druck auf die Fans dadurch wachsen wird? Diese können nun ja, mehr oder weniger, direkt belangt werden.
Der Druck wurde erhöht, davon bin ich überzeugt. Aber ich denke, dass das ein guter Schritt ist, um Fehlverhalten von Fans in den Kurven massiv zu begrenzen. Wenn man wirklich das eigene Geld auf die Theke des Hauses legen muss, ist es wahrscheinlicher, dass man aufhört, gegen die Regeln im Stadion zu verstoßen. Bei der Höhe der Strafe kann der DFB auch nicht willkürlich handeln, denn der Strafenkatalog ist in seiner Satzung festgelegt. Wie im staatlichen Strafrecht wird aus einem festgelegten Strafrahmen eine gerechte Strafe für den Einzelfall festgesetzt. Vorgeschichte des Vereins und die Schwere der Tat spielen dabei ja auch eine wichtige Rolle.

Und was wird sich nach dem Urteil seitens der Vereine ändern?
Die Vereine werden sich jetzt wohl in erster Linie darum bemühen, gegen Einzelpersonen und Fangruppen, die für Vergehen verantwortlich sind, zu ermitteln und dann Schadensersatz für die Strafen des DFB einzufordern. Das ist eigentlich schon seit dem Urteil des OLG Rostock (Anm. d. Red.: 2006 war Hansa Rostock mit einer Regressforderung gegen Fans, die das Spielfeld betraten, erfolgreich) so, nur sind die letzten Unsicherheiten, welche die Vereine noch hatten, nun durch die BGH-Entscheidung beseitigt. Das bedeutet, dass Vereine, die den Rechtsweg deswegen bislang vielleicht gescheut haben, sich jetzt die Ausgaben für Verbandsstrafen von den Tätern zurückholen werden bzw. müssen.

Aber—Stand jetzt—fallen die Strafen doch zu hoch aus, oder? Der Strafenkatalog ist ja weiterhin auf Vereine und nicht auf Einzelpersonen ausgelegt.
Ich denke nicht, dass der Strafenkatalog überarbeitet wird, denn der Adressat der Strafe bleibt ja nach wie vor der Verein. Ob man dann alle Strafen in voller Höhe weitergeben kann, wird sich erst noch zeigen, weil das durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt ist. Man muss darüber nachdenken, ob man wirklich Strafen in fünfstelliger Höhe, die auf ein Wirtschaftsunternehmen einwirken sollen, in voller Höhe von einer Privatperson, die das gegebenenfalls wirtschaftlich ruinieren könnte, zurückfordern kann.