Factory Floor und diese Alle-verlieren-sich-in-der-Musik-Musik
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Factory Floor und diese Alle-verlieren-sich-in-der-Musik-Musik

Für ihr neues Album haben sich die Briten ordentlich angeschrien und viel geforscht. Das Ergebnis: mehr Berghain, weniger Joy Division.

Gleich mit ihrer Debütsingle „Bipolar" machten sich Factory Floor 2008 einen Namen. Sie klangen, als hätte man Manchesters industrielle Vergangenheit ausgegraben und in einer Lagerhalle in East London wieder zum Leben erweckt. Es war alles dabei: das hallende Aufeinandertreffen von Metall auf Metall, dazu eine Peter Hook'esque Bassline und geisterhafte Vocals, die den Mond über einer Industriebrache anzuheulen schienen. Auch wenn ihr Output unendlich mal besser war als der der unzähligen, oftmals drittklassigen Joy Division-Nachfolger, hatten sie doch ihre Mühe, sich von dieser sehr distinktiven und ausgenudelten Vorlage zu lösen.

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Zwei Jahre später tauchte die Gruppe dann mit einer Reihe von Songs auf, die den Eindruck erweckten, als wollten sie damit alles zerstören, was Factory Floor mal gewesen waren. Tracks wie „Lying" und „Wooden Box" klangen, als hätte man Teile der Moroder'schen Donna Summer achtlos in eine Autopresse geworfen. 2011 veröffentlichten sie schließlich auf dem hochgelobten New Yorker Label DFA die Two Different Ways 12". Mit dieser Platte machten sie sich einen Namen als Band, die selbstbewusst zwischen Indie, Disco, Techno, Industrial, Acid House und so ziemlich allem anderen hin und her wechselte, was ihnen irgendwie interessant erschien. Mit White Lies und Konsorten hatte das hier nichts mehr tun.

2013 folgte ein spartanisch-karges und gleichzeitig forderndes elektronisches Album. Während sie diese selbstbetitelte LP bereits in die Peripherie der Clubs beförderte—wenn auch eher in die schlecht beleuchteten und unheimlichen Seitenstraßen daneben—, bringt sie das diesen Monat veröffentlichte 25:25 mitten auf der Tanzfläche. Und zwar mit Armen in der Luft, schön einen im Tee und von dem unbedingten Willen getrieben, die PA an ihre Grenzen zu bringen. Bei diesem Sound, der sich zwischen kargem Minimal-Techno in bester Sweet Exorcist-Manier und beschwingt-wogendem House bewegt, merkt man der Band an, dass sie ihr langes Wochenende gerne in der Nähe der Kanzel verbringen.

Im Zuge dieser klanglichen Transformation ist das ehemalige Trio mit Schlagzeug, Bass und Gitarre auf ein rein elektronisch musizierendes Duo geschrumpft. Kurz vor der Veröffentlichung von 25:25 haben wir uns mit Gabe Gurnsey und Nik Colk Void zusammengesetzt, um über ihre großartige neue Platte, ihren rücksichtslosen Fortschritt und ihre totale Unfähigkeit, die Füße still zu halten, zu sprechen.

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Gleich mit ihrer Debütsingle „Bipolar" machten sich Factory Floor 2008 einen Namen. Sie klangen, als hätte man Manchesters industrielle Vergangenheit ausgegraben und in einer Lagerhalle in East London wieder zum Leben erweckt. Es war alles dabei: das hallende Aufeinandertreffen von Metall auf Metall, dazu eine Peter Hook'esque Bassline und geisterhafte Vocals, die den Mond über einer Industriebrache anzuheulen schienen. Auch wenn ihr Output unendlich mal besser war als der der unzähligen, oftmals drittklassigen Joy Division-Nachfolger, hatten sie doch ihre Mühe, sich von dieser sehr distinktiven und ausgenudelten Vorlage zu lösen.

Zwei Jahre später tauchte die Gruppe dann mit einer Reihe von Songs auf, die den Eindruck erweckten, als wollten sie damit alles zerstören, was Factory Floor mal gewesen waren. Tracks wie „Lying" und „Wooden Box" klangen, als hätte man Teile der Moroder'schen Donna Summer achtlos in eine Autopresse geworfen. 2011 veröffentlichten sie schließlich auf dem hochgelobten New Yorker Label DFA die Two Different Ways 12". Mit dieser Platte machten sie sich einen Namen als Band, die selbstbewusst zwischen Indie, Disco, Techno, Industrial, Acid House und so ziemlich allem anderen hin und her wechselte, was ihnen irgendwie interessant erschien. Mit White Lies und Konsorten hatte das hier nichts mehr tun.

2013 folgte ein spartanisch-karges und gleichzeitig forderndes elektronisches Album. Während sie diese selbstbetitelte LP bereits in die Peripherie der Clubs beförderte—wenn auch eher in die schlecht beleuchteten und unheimlichen Seitenstraßen daneben—, bringt sie das diesen Monat veröffentlichte 25:25 mitten auf der Tanzfläche. Und zwar mit Armen in der Luft, schön einen im Tee und von dem unbedingten Willen getrieben, die PA an ihre Grenzen zu bringen. Bei diesem Sound, der sich zwischen kargem Minimal-Techno in bester Sweet Exorcist-Manier und beschwingt-wogendem House bewegt, merkt man der Band an, dass sie ihr langes Wochenende gerne in der Nähe der Kanzel verbringen.

Im Zuge dieser klanglichen Transformation ist das ehemalige Trio mit Schlagzeug, Bass und Gitarre auf ein rein elektronisch musizierendes Duo geschrumpft. Kurz vor der Veröffentlichung von 25:25 haben wir uns mit Gabe Gurnsey und Nik Colk Void zusammengesetzt, um über ihre großartige neue Platte, ihren rücksichtslosen Fortschritt und ihre totale Unfähigkeit, die Füße still zu halten, zu sprechen.

THUMP: Factory Floor ist jetzt nur noch ein Duo. Warum?
Gabe Gurnsey: Dom [Butler] hatte nicht die nötige Zeit und wollte andere Projekte realisieren, also haben wir als Duo weitergemacht. Was unsere Richtung angeht, sahen wir das auch als positive Entwicklung.

Hattet ihr bei dem Album etwas Bestimmtes im Kopf, das ihr damit erreichen wolltet?
Nik Colk Void: Wir haben uns dabei definitiv von unseren Instinkten leiten lassen. Über die Jahre haben wir immer mehr im Clubkontext gespielt und unser Set-Up haben wir mit dem Wechsel in eine elektronischere Richtung auch immer mehr reduziert. Der Fokus dieser Platte lag eindeutig auf der Tanzbarkeit und weniger auf Reverb und Industrielärm. Als wir in East London angefangen haben, war überall dieses Dark Wave-Zeug. Wir hatten das Gefühl, davon wegkommen zu müssen, also sind wir in den Norden der Stadt gezogen. Wir haben uns immer von Dingen ferngehalten, bei denen wir das Gefühl haben, dass sie unsere Kreativität in ein bestimmtes Genre pressen. Bei dem Album ging es jetzt vor allem darum, die minimalistischeren Aspekte auszuloten. Das lief aber alles sehr intuitiv und aus dem Bauch heraus ab. Die Pattern und Sequenzer entsprachen meinen Gefühlen und meinen natürlichen Bewegungen.

Habt ihr die Platte für ein Clubpublikum gedacht?
Gabe Gurnsey: Auf jeden Fall. Wenn du diese Rhythmen schreibst, die sich mit den Synthesizern regelrecht verzahnen, und dabei diese Dynamik entsteht, stellst du dir dabei automatisch tanzende Menschen vor. Ich erinnere mich an das Publikum, das wir an solchen Orten wie dem Berghain hatten, und diese Erinnerungen an den Moment, wenn du live bei einem Track den richtigen Punkt triffst, fließen in den Prozess mit ein.

Nik, du hast über das Album gesagt, dass es von all deinen Arbeiten am meisten nach dir klingen würde. Was meinst du damit?
Nik Colk Void: Oh Gott, ich wünschte, ich hätte das nie geschrieben! Das liegt wohl daran, dass wir die Platte zusammen in einem Raum aufgenommen haben, der kein wirkliches Studio war. Wir hatten lauter Equipment in der Nähe und konnten dort ein großes Chaos veranstalten. Wir mussten unser Zeug nicht wegräumen und konnten am nächsten Tag einfach da weitermachen, wo wir aufgehört hatten. Es war fast, als würde man täglich zu einem Workshop zurückkehren. Ich bin es gewohnt, eine Menge Material um mich herum zu haben. Damit spiele ich dann rum, arbeite es in etwas ein und erschaffe daraus etwas. In London wirst du quasi von der Menge an Bands und Ausgehmöglichkeiten erschlagen. Während wir an der Platte gearbeitet haben, bin ich allerdings zu keinem Konzert und keiner Party gegangen. Ich habe mich wirklich abgeschottet. Dementsprechend habe ich das Gefühl, dass das Einzige, was ich aus dieser Platte ziehen kann, das ist, was aus mir gekommen ist.

Also hast du diese sehr clublastige Platte im einem kompletten Antizustand aufgenommen. Ging es dir ähnlich, Gabe?
Gabe Gurnsey: Nun, wir bekommen viel bei Festivalauftritten davon mit, wenn wir uns die DJs nach uns oder vor uns anschauen. Man ist quasi in dieser Welt gefangen, bis man anfängt, Soloshows zu spielen. In London hat es immer schon großartige Clubnächte gegeben, vor allem in den Corsica Studios. Die Partys da haben diesen sehr düstern, verschwitzten Alle-verlieren-sich-in-der-Musik-Vibe. Eine Sache, die mir bei DJs aufgefallen ist: je simpler der Track, desto effektiver ist er. Wir haben uns also Mühe gegeben, das Album sehr rudimentär zu halten und uns an dieser Vorstellung zu orientieren. Deswegen macht es mir auch nicht so viel Spaß, ausgefallene Drumbeats zu machen. Ich finde, man muss nichts ändern, was nicht kaputt ist. Dieser 4/4-Beat hat etwas sehr Instinktives. Er ist einfach da, er ist solide und er bringt die Leute zum Tanzen. Es ist auch aufregend, damit zu arbeiten, weil man sich quasi selbst Grenzen für die eigene Arbeit auferlegt.

Würdet ihr euch immer noch als Band bezeichnen?
Gabe Gurnsey: Definitiv. Wir haben unsere Ursprünge in traditionellen Instrumenten. Ich werde mich bald wieder ans Schlagzeug setzen und Nik hat ihr Handwerk an der Gitarre gelernt. Vielleicht wird die Band auch bald wieder zu einem traditionelleren Aufbau zurückkehren, aber wir werden dieses elektronische Element für immer beibehalten. Also ja, wir sind eine Band und wir gehen mit unseren Drumcomputern und Synthesizern genau so um wie mit anderen Instrumenten. Wir manipulieren sie ständig.

Nik Colk Void: Wir verwenden bei unseren Auftritten immer noch relativ viele Instrumente Manchmal wissen wir gar nicht, ob es funktionieren wird. Wenn ich am Modular-Synthesizer spiele, könnte es auch passieren, dass ich mit der Frequenz die Lautsprecher kaputt mache. Ein gewisses Chaos-Element besteht also immer bei unseren Live-Auftritten. Verglichen mit dem, was wir sonst so aufgefahren haben, sind wir wahrscheinlich nicht mehr so aufregend anzusehen wie früher. Das ist aber kein Problem, weil ich mich sowieso ungern beobachten lasse. Wir haben unsere Köpfe in die Elektronik vertieft, sind miteinander synchronisiert, aber wir improvisieren auch immer noch im Rahmen unserer Möglichkeiten. Manchmal funktioniert es, aber wir können damit auch auf die Schnauze fliegen. Ich finde das aufregend. Ich habe kein Problem damit, wenn es mal nicht klappt. Mir gefällt die Vorstellung, dass alles jeden Moment auseinanderbrechen könnte.

Interessant, dass ihr die Instrumente wieder zurückbringen wollt. Ich hatte immer das Gefühl, ihr würdet euch nach und nach nur weiter davon entfernen?
Gabe Gurnsey: Ich würde sagen, dass in einem Clubkontext weniger definitiv mehr ist. Es war auch gar keine so bewusste Entscheidung, aber ich glaube, wir beschränken uns einfach nicht gerne auf ein einziges Instrument. Wir wechseln gerne mal durch, weil es hilft, die Band weiter zu bringen. Viele Bands sind total zufrieden damit, einfach nur ihre Instrumente zu spielen und sich nicht weiter hinaus zu wagen. Ich glaube, wir fühlen uns vom Unbekannten in vielerlei Hinsicht angezogen. Auch wenn wir das Album in einer bestimmten Art und Weise geschrieben und aufgenommen haben, ist es für uns damit nicht vorbei. Wenn wir das Album dann mit einem richtigen Live-Schlagzeug spielen, wird es sich in etwas total anderes entwickeln, das wiederum den Beginn eines neuen Schreibprozesses markiert. Es ist einfach aufregend, Musik auf diese Art zu schreiben.

Könnt ihr uns mehr über den Aufnahmeprozess zum neuen Album und eure Band-Dynamik erzählen?
Nik Colk Void: Während der Aufnahmen hatten wir eine große PA zur Verfügung. Der Sound war also fast wie in einem Club. Wir konnten uns dann Sachen über den Tisch zuschreien wie „Bring die Hi-Hat rein!" oder so. Es hat eine Art von Dialog zwischen uns erschaffen, den man nur hinbekommt, wenn man sich wirklich wohl miteinander fühlt.

Gabe Gurnsey: Spontanität hat auch eine große Rolle gespielt. Morgens wurde neues Equipment geliefert und später am Tag schrieben wir schon Tracks damit. Wir haben diese Sounds dann direkt an der Live-PA geformt und nicht auf leisen Studiomonitoren. Es fühlte sich irgendwie an, als würde man in einen Club gehen. Gleichzeitig war es natürlich auch Arbeit.

Nik Colk Void: Der Aufbau und die Lautstärke fangen die Wechsel ein. In der Musik von Factory Floor gibt es nicht gerade viele Wechsel, aber wenn es welche gibt, dann sind die ziemlich wichtig. Es ist auch eine schwieriges Thema für uns. Ich hasse Wechsel und Gabe liebt Wechsel. Die Tatsache, dass wir da unterschiedlicher Meinung sind, funktioniert eigentlich ganz gut für uns. Wir sind gleichermaßen darauf angewiesen, gegeneinander anzugehen und zu harmonieren.

Gabe Gurnsey: Wir haben ein gewisses Vertrauen. Und wir vertrauen in das, was wir veröffentlichen. Wir haben auch ein Verhältnis, in dem einer zum anderen sagen kann „das ist scheiße" oder „das ist gut." Wir haben kein Problem damit und meiner Meinung nach ist das in einer Band sehr wichtig. Es ist also eine Menge Vertrauen da, aber warten wir mal ab, bis ich mit den Ibiza Classics anfange, Nik ...

Ist das die Essenz von Factory Floor? Wechsel und Statik miteinander ringen zu lassen und dadurch einen gemeinsamen Nenner zu finden?
Nik Colk Void: Ja. Er mag Drops. Gabe mag den ganzen kitschigen Kram und ich das anspruchsvolle Zeug.

Gabe Gurnsey: Das stimmt. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum es funktioniert. Das, was Factory Floor ausmacht, befindet sich dort irgendwo in der Mitte.

**

Dylan ist bei Twitter, THUMP auch.

**THUMP: *Factory Floor ist jetzt nur noch ein Duo. Warum?***
*Gabe Gurnsey:* Dom [Butler] hatte nicht die nötige Zeit und wollte andere Projekte realisieren, also haben wir als Duo weitergemacht. Was unsere Richtung angeht, sahen wir das auch als positive Entwicklung.

Hattet ihr bei dem Album etwas Bestimmtes im Kopf, das ihr damit erreichen wolltet?
Nik Colk Void: Wir haben uns dabei definitiv von unseren Instinkten leiten lassen. Über die Jahre haben wir immer mehr im Clubkontext gespielt und unser Set-Up haben wir mit dem Wechsel in eine elektronischere Richtung auch immer mehr reduziert. Der Fokus dieser Platte lag eindeutig auf der Tanzbarkeit und weniger auf Reverb und Industrielärm. Als wir in East London angefangen haben, war überall dieses Dark Wave-Zeug. Wir hatten das Gefühl, davon wegkommen zu müssen, also sind wir in den Norden der Stadt gezogen. Wir haben uns immer von Dingen ferngehalten, bei denen wir das Gefühl haben, dass sie unsere Kreativität in ein bestimmtes Genre pressen. Bei dem Album ging es jetzt vor allem darum, die minimalistischeren Aspekte auszuloten. Das lief aber alles sehr intuitiv und aus dem Bauch heraus ab. Die Pattern und Sequenzer entsprachen meinen Gefühlen und meinen natürlichen Bewegungen.

Habt ihr die Platte für ein Clubpublikum gedacht?
Gabe Gurnsey: Auf jeden Fall. Wenn du diese Rhythmen schreibst, die sich mit den Synthesizern regelrecht verzahnen, und dabei diese Dynamik entsteht, stellst du dir dabei automatisch tanzende Menschen vor. Ich erinnere mich an das Publikum, das wir an solchen Orten wie dem Berghain hatten, und diese Erinnerungen an den Moment, wenn du live bei einem Track den richtigen Punkt triffst, fließen in den Prozess mit ein.

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Nik, du hast über das Album gesagt, dass es von all deinen Arbeiten am meisten nach dir klingen würde. Was meinst du damit?
Nik Colk Void: Oh Gott, ich wünschte, ich hätte das nie geschrieben! Das liegt wohl daran, dass wir die Platte zusammen in einem Raum aufgenommen haben, der kein wirkliches Studio war. Wir hatten lauter Equipment in der Nähe und konnten dort ein großes Chaos veranstalten. Wir mussten unser Zeug nicht wegräumen und konnten am nächsten Tag einfach da weitermachen, wo wir aufgehört hatten. Es war fast, als würde man täglich zu einem Workshop zurückkehren. Ich bin es gewohnt, eine Menge Material um mich herum zu haben. Damit spiele ich dann rum, arbeite es in etwas ein und erschaffe daraus etwas. In London wirst du quasi von der Menge an Bands und Ausgehmöglichkeiten erschlagen. Während wir an der Platte gearbeitet haben, bin ich allerdings zu keinem Konzert und keiner Party gegangen. Ich habe mich wirklich abgeschottet. Dementsprechend habe ich das Gefühl, dass das Einzige, was ich aus dieser Platte ziehen kann, das ist, was aus mir gekommen ist.

Also hast du diese sehr clublastige Platte im einem kompletten Antizustand aufgenommen. Ging es dir ähnlich, Gabe?
Gabe Gurnsey: Nun, wir bekommen viel bei Festivalauftritten davon mit, wenn wir uns die DJs nach uns oder vor uns anschauen. Man ist quasi in dieser Welt gefangen, bis man anfängt, Soloshows zu spielen. In London hat es immer schon großartige Clubnächte gegeben, vor allem in den Corsica Studios. Die Partys da haben diesen sehr düstern, verschwitzten Alle-verlieren-sich-in-der-Musik-Vibe. Eine Sache, die mir bei DJs aufgefallen ist: je simpler der Track, desto effektiver ist er. Wir haben uns also Mühe gegeben, das Album sehr rudimentär zu halten und uns an dieser Vorstellung zu orientieren. Deswegen macht es mir auch nicht so viel Spaß, ausgefallene Drumbeats zu machen. Ich finde, man muss nichts ändern, was nicht kaputt ist. Dieser 4/4-Beat hat etwas sehr Instinktives. Er ist einfach da, er ist solide und er bringt die Leute zum Tanzen. Es ist auch aufregend, damit zu arbeiten, weil man sich quasi selbst Grenzen für die eigene Arbeit auferlegt.

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Gabe Gurnsey: Definitiv. Wir haben unsere Ursprünge in traditionellen Instrumenten. Ich werde mich bald wieder ans Schlagzeug setzen und Nik hat ihr Handwerk an der Gitarre gelernt. Vielleicht wird die Band auch bald wieder zu einem traditionelleren Aufbau zurückkehren, aber wir werden dieses elektronische Element für immer beibehalten. Also ja, wir sind eine Band und wir gehen mit unseren Drumcomputern und Synthesizern genau so um wie mit anderen Instrumenten. Wir manipulieren sie ständig.

Nik Colk Void: Wir verwenden bei unseren Auftritten immer noch relativ viele Instrumente Manchmal wissen wir gar nicht, ob es funktionieren wird. Wenn ich am Modular-Synthesizer spiele, könnte es auch passieren, dass ich mit der Frequenz die Lautsprecher kaputt mache. Ein gewisses Chaos-Element besteht also immer bei unseren Live-Auftritten. Verglichen mit dem, was wir sonst so aufgefahren haben, sind wir wahrscheinlich nicht mehr so aufregend anzusehen wie früher. Das ist aber kein Problem, weil ich mich sowieso ungern beobachten lasse. Wir haben unsere Köpfe in die Elektronik vertieft, sind miteinander synchronisiert, aber wir improvisieren auch immer noch im Rahmen unserer Möglichkeiten. Manchmal funktioniert es, aber wir können damit auch auf die Schnauze fliegen. Ich finde das aufregend. Ich habe kein Problem damit, wenn es mal nicht klappt. Mir gefällt die Vorstellung, dass alles jeden Moment auseinanderbrechen könnte.

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Interessant, dass ihr die Instrumente wieder zurückbringen wollt. Ich hatte immer das Gefühl, ihr würdet euch nach und nach nur weiter davon entfernen?
Gabe Gurnsey: Ich würde sagen, dass in einem Clubkontext weniger definitiv mehr ist. Es war auch gar keine so bewusste Entscheidung, aber ich glaube, wir beschränken uns einfach nicht gerne auf ein einziges Instrument. Wir wechseln gerne mal durch, weil es hilft, die Band weiter zu bringen. Viele Bands sind total zufrieden damit, einfach nur ihre Instrumente zu spielen und sich nicht weiter hinaus zu wagen. Ich glaube, wir fühlen uns vom Unbekannten in vielerlei Hinsicht angezogen. Auch wenn wir das Album in einer bestimmten Art und Weise geschrieben und aufgenommen haben, ist es für uns damit nicht vorbei. Wenn wir das Album dann mit einem richtigen Live-Schlagzeug spielen, wird es sich in etwas total anderes entwickeln, das wiederum den Beginn eines neuen Schreibprozesses markiert. Es ist einfach aufregend, Musik auf diese Art zu schreiben.

Könnt ihr uns mehr über den Aufnahmeprozess zum neuen Album und eure Band-Dynamik erzählen?
Nik Colk Void: Während der Aufnahmen hatten wir eine große PA zur Verfügung. Der Sound war also fast wie in einem Club. Wir konnten uns dann Sachen über den Tisch zuschreien wie „Bring die Hi-Hat rein!" oder so. Es hat eine Art von Dialog zwischen uns erschaffen, den man nur hinbekommt, wenn man sich wirklich wohl miteinander fühlt.

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Gabe Gurnsey: Spontanität hat auch eine große Rolle gespielt. Morgens wurde neues Equipment geliefert und später am Tag schrieben wir schon Tracks damit. Wir haben diese Sounds dann direkt an der Live-PA geformt und nicht auf leisen Studiomonitoren. Es fühlte sich irgendwie an, als würde man in einen Club gehen. Gleichzeitig war es natürlich auch Arbeit.

Nik Colk Void: Der Aufbau und die Lautstärke fangen die Wechsel ein. In der Musik von Factory Floor gibt es nicht gerade viele Wechsel, aber wenn es welche gibt, dann sind die ziemlich wichtig. Es ist auch eine schwieriges Thema für uns. Ich hasse Wechsel und Gabe liebt Wechsel. Die Tatsache, dass wir da unterschiedlicher Meinung sind, funktioniert eigentlich ganz gut für uns. Wir sind gleichermaßen darauf angewiesen, gegeneinander anzugehen und zu harmonieren.

Gabe Gurnsey: Wir haben ein gewisses Vertrauen. Und wir vertrauen in das, was wir veröffentlichen. Wir haben auch ein Verhältnis, in dem einer zum anderen sagen kann „das ist scheiße" oder „das ist gut." Wir haben kein Problem damit und meiner Meinung nach ist das in einer Band sehr wichtig. Es ist also eine Menge Vertrauen da, aber warten wir mal ab, bis ich mit den Ibiza Classics anfange, Nik …

Ist das die Essenz von Factory Floor? Wechsel und Statik miteinander ringen zu lassen und dadurch einen gemeinsamen Nenner zu finden?
Nik Colk Void: Ja. Er mag Drops. Gabe mag den ganzen kitschigen Kram und ich das anspruchsvolle Zeug.

Gabe Gurnsey: Das stimmt. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum es funktioniert. Das, was Factory Floor ausmacht, befindet sich dort irgendwo in der Mitte.

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