Politik

So schlecht schützt dich die Deutsche Bahn vor Corona

Während es noch immer kein richtiges Hygienekonzept in Zügen gibt, dürfen Staatsangestellte einen Abstandsplatz dazubuchen – auf Steuerkosten.
Menschen laufen aus einem Bahnhofsgebäude als Symbol für die inkonsequente Haltung der Bahn zu Corona-Abstandsregeln
Symbolfoto: imago images | Future Image 

Zugfahrten, selbst in der lahmsten Bimmelbahn, sorgen in der Pandemie mitunter für Adrenalinschübe. Trotz insgesamt gesunkener Auslastung kann es passieren, dass man zu Stoßzeiten Schulter an Schulter mit Fremden sitzt. Dann hofft man, dass die Klimaanlage im Zug die COVID-Partikel des Mitreisenden vor dir aus der Luft filtert, dessen Kinnwindel gleich unterm Mund hängt. Bahn-Vorstand Berthold Huber gab jedoch Entwarnung: "Ich kann voller Überzeugung sagen, dass Bahnfahren sicher ist."

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Huber reagierte mit seiner Aussage wohl auch auf die Bedenken vieler Bahnreisender. Er musste erklären, warum die Bahn trotz der Corona-Pandemie ihre Züge ausbucht und sich weigert, eine Reservierungspflicht einzuführen. Denn schließlich gehört die Bahn dem Bund, also dem Staat, der wegen der Infektionsgefahr Restaurants, Museen und Bars schließt. Und deshalb sollte die Bahn noch viel mehr als private Firmen dafür tun, die Infektionszahlen gering zu halten. Man schaffe "maximalen Raum für sicheres Reisen" und erleichtere es den Fahrgästen, den vorgeschriebenen Abstand einzuhalten", schreibt die Bahn auf ihrer Website. In der Realität garantiert sie ihren Passagieren keinen Mindestabstand. Also sitzt man im Zweifel stundenlang nur Zentimeter entfernt von anderen Reisenden. Außer man arbeitet beim Staat, da bucht man sich einfach etwas Abstand dazu.


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Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bezahlt der Bund Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Wunsch in der Bahn einen weiteren Sitzplatz, "um so im Sinne des Infektionsschutzes einen größeren Abstand zu den Mitreisenden zu haben". Das gehe aus einem Schreiben des Bundesinnenministeriums an die obersten Bundesbehörden hervor. Dazu zählen Ministerien, die Zentrale der Bundesbank und Einrichtungen wie der Bundesrechnungshof.

Besonders irritierend: Der Bund empfiehlt seinen Mitarbeitenden wenn möglich mit dem Auto zu fahren, da das Infektionsrisiko ohne Mitreisende geringer sei. Also wohl auch geringer als in den DB-Zügen des Bundes, mit denen dann alle anderen fahren. 

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Welchen Mindestabstand die Bahn in ihren Zügen für richtig hält, beantwortete sie auf Anfrage nicht. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung erklärte die Bahn jedoch, dass man sich auch aus wirtschaftlichen Gründen gegen eine Reservierungspflicht entschieden habe. Bei einem Mindestabstand von 1,50 Meter im Zug könne die Bahn nur noch 25 Prozent der Tickets verkaufen. Das ist ein Luxusargument eines staatlichen Unternehmens, für das privatwirtschaftliche Fluggesellschaften, die ihre Sitzreihen ausbuchen, zu recht kritisiert werden. 

Warum man überhaupt nur Mitarbeitenden des Bundes "im Sinne des Infektionsschutzes" einen größeren Abstand zu Mitreisenden garantiert, ließ die Bahn gegenüber VICE ebenfalls unkommentiert. Der Infektions- und Gesundheitsschutz für Kunden und Mitarbeitende, teilte ein Sprecher mit, habe aber weiterhin höchste Priorität. Die Fernverkehrszüge seien nur zu rund 20 bis 25 Prozent ausgelastet, also seien vier von fünf Sitzplätzen nicht belegt. Bei der Buchung von Sitzplatzreservierungen seien Fensterplätze voreingestellt, so dass der Gangplatz frei bleibt. Und das Zugpersonal achte darauf, dass sich die Fahrgäste im Zug gleichmäßig verteilen. "Reisen mit bestmöglichem Abstand im Fernverkehr ist sichergestellt."

Fragt sich nur, ob das auch im Weihnachtsverkehr noch gilt, wenn die Menschen zu ihren Familien nach Hause fahren. Plant die Bahn für diese Zeit ein überarbeitetes Hygienekonzept? Das ist noch unklar. Wenn es aber der bisherigen Zwei-Klassen-Gesellschaft in Zügen gleicht, könnte es ein sehr infektiöses Fest geben.

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