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Hilfe bei Rachepornos: Was tun, wenn meine Nacktfotos im Internet sind?

Sollte ich zur Polizei gehen? Wann brauche ich einen Anwalt? Wie kann ich den "Revenge Porn" löschen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Faust, die einen Laptop-Bildschirm einschlägt, auf dem ein Revenge Porn läuft
Foto: Laptop und Faust: Franziska Lange || Glassplitter: imago | ZUMA Press

Wenn du plötzlich Nacktaufnahmen von dir im Internet gefunden hast, gibt es viele Dinge, die helfen können. Aber Sätze wie "Hättest du bloß niemals das Video gedreht" oder "Wieso schickst du dem Typen auch Nacktfotos?" gehören definitiv nicht dazu. Das ist Victim Blaming. Und auch wenn man es nachher immer besser weiß: Das Internet ist voll von solchen Aufnahmen. Deswegen hier die wichtigste Info zuerst: OK, du hast ein Sexvideo gedreht oder ein Foto verschickt, auf dem du dich sexy gefühlt hast. So what? In vielen Beziehungen gehört das dazu. Schuld an der Misere hast also nicht du, sondern nur der Mensch, der dein Vertrauen missbraucht und die Aufnahmen ohne dein Einverständnis verbreitet hat.

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Auf Mainstream-Pornoseiten wie Pornhub und xHamster lassen sich heimlich gefilmte oder ohne Einverständnis gepostete Videos leicht finden. Manchmal machen die Aufnahmen aber auch per WhatsApp und Snapchat die Runde. Oft ist in diesem Zusammenhang von "Revenge Porn" die Rede – also Racheporno. Aber der Begriff ist falsch: Wenn die gezeigte Person nicht einverstanden ist, dann ist es kein Porno, sondern Gewalt. Wir benutzen diesen Begriff hier trotzdem, damit dieser Guide leichter gefunden werden kann.

Wie viele Menschen in Deutschland jährlich tatsächlich Opfer von Revenge Porn oder geleakten Nacktaufnahmen werden, weiß nicht einmal das Bundeskriminalamt. Laut dem BKA werden Fälle, die zur Anzeige gebracht werden, zwar vermerkt, aber nicht gesondert erfasst. Wie blind deutsche Ermittlungsbehörden gegenüber digitaler Gewalt sind, zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Jahr 2018. Auf die Frage, wie oft Formen digitaler Gewalt in den letzten fünf Jahren angezeigt wurden, lautet die Antwort schlicht: Der Regierung würden dazu keine Erkenntnisse vorliegen.

Laut einer Umfrage des Bundesverbands Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe gab es in den letzten drei Jahren allerdings vermehrt Anrufe von Frauen zum Thema "Digitale Gewalt" – darunter fallen auch Formen von Revenge Porn.

Fest steht: Du bist nicht alleine. Es gibt Menschen, die dir dabei helfen können, deine Gefühle zu ordnen. Außerdem kannst du dich gegen geleakte Nacktaufnahmen wehren, wenn du das möchtest. In diesem Guide klären wir die wichtigsten Fragen, die dir dabei helfen können zu entscheiden, wie es jetzt weitergeht.

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Dafür haben wir haben wir mit Expertinnen und Experten von Polizei, Kanzleien und Beratungsstellen gesprochen.

Was mache ich als Erstes, wenn ich einen Racheporno von mir im Internet entdecke?

Wenn Nacktaufnahmen ohne dein Wissen weiterverbreitet wurden, ist das verständlicherweise erstmal ein Schock. Für Nina Pirk von "Nummer gegen Kummer" ist es deshalb ganz wichtig, erstmal die eigenen Gefühle zu sortieren. Vielleicht kannst du mit einer guten Freundin oder einem guten Freund über das Geschehene sprechen, falls genug Vertrauen da ist. "Ich kenne keinen Fall, in dem das geschadet hat", sagt Pirk. Wenn du lieber anonym mit jemandem sprechen möchtest, können Beratungsstellen wie "Ophelia" oder "Nummer gegen Kummer" gute Anlaufstellen sein. Dort könnt ihr gemeinsam überlegen, wie du dich besser fühlen könntest und welche Optionen du hast.

Was im ersten Moment hilft, hängt laut Pirk immer von der betroffenen Person selbst und der Situation ab. "Die sinnvollste Möglichkeit ist es, drüber zu stehen: Ja, OK, dann hast du halt Nacktfotos von dir verschickt. Ich finde es ganz wichtig zu sagen, dass nicht die abgebildete Person den Fehler gemacht hat, sondern eben die Person, die das ohne Einverständnis weitergeschickt und so entgegengebrachtes Vertrauen missbraucht hat." Beim Sexting seien die Bilder nicht dafür gedacht, dass sie offen ins Netz gestellt werden. "Oft passiert das aus Rache, Enttäuschung oder um Leute bloßzustellen", sagt Pirk.

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Kann ich die Nacktaufnahmen einfach ignorieren oder wird dann alles nur schlimmer?

Hier kommt es darauf an, was dir lieber ist: Möchtest du Anzeige erstatten oder Schadensersatz verlangen? Dann solltest du innerhalb weniger Tage handeln, Beweise sichern und mit der Polizei oder einem Anwalt sprechen. Was du dabei beachten musst, erklären wir weiter unten.

Es besteht das Risiko, dass die Nacktaufnahmen sich weiter verbreiten, je länger sie im Internet sind. Wenn die Uploads sehr neu sind, kann es sich lohnen, schnell aktiv zu werden, um die Verbreitung einzudämmen. Auch da kannst du dir Hilfe suchen.

Wenn die Aufnahmen dagegen schon länger online sind und sich bereits stark verbreitet haben, sieht die Lage anders aus. Die Versuchung mag groß sein, das Internet nach den Aufnahmen zu durchforsten und Hunderte Links zu den eigenen, geleakten Aufnahmen zu sammeln. Aber das kann ganz schön belastend sein. "Das macht wahnsinnig", sagt Anja Ananieva von der Beratungsstelle Ophelia. Man könne nicht jeden Anbieter anschreiben. "Ich empfehle, sich nicht fertig zu machen." Ihr Tipp: Die Aufnahmen, die man gefunden hat, melden und das Thema ruhen lassen.

Andererseits kann die Suche nach den Bildern dir auch das Gefühl geben, Kontrolle zurückzugewinnen, wie Nina Pirk erklärt. Beides ist legitim. Wie du dich entscheidest, ist dir überlassen.

Wie kriege ich die Aufnahmen wieder aus dem Internet?

Du kannst Plattformen direkt dazu auffordern, deine Aufnahmen zu löschen, weil sie ohne dein Einverständnis hochgeladen wurden. Dazu sind Plattformen verpflichtet, sobald sie davon erfahren, sonst drohen ihnen rechtliche Konsequenzen. Viele Seiten bieten dafür sogar vorgefertigte Online-Formulare an. Die kann jeder ausfüllen, der gegen seinen Willen auf der Seite gelandet ist. Hier findest du zum Beispiel das entsprechende xHamster-Formular, und hier das Formular für PornHub. Wenn eine Website keine Kontaktdaten anbietet, kann dir eine Anwältin oder ein Anwalt helfen.

Hast du mal bei Pornhub, xHamster oder einer anderen großen Pornoplattform gearbeitet – oder arbeitest dort noch immer? Wir würden uns freuen von dir zu hören. Du erreichst Yannah und Sebastian per E-Mail oder verschlüsselt via Signal (+49 152 1012 4551) – am besten mit einem Gerät, das nicht deinem Arbeitgeber gehört.

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Schwierig wird es, wenn die Bilder in Chat-Apps wie WhatsApp verschickt werden. "Wenn die Inhalte in WhatsApp-Gruppen verschickt werden, verliert man natürlich die Kontrolle", sagt Nina Pirk. Bei Instagram und Facebook kann man Inhalte melden. Die Plattformen nutzen Uploadfilter, die verhindern sollen, dass solche Inhalte erneut hochgeladen werden. Bei WhatsApp geht das leider nicht.

Kann ich die Pornoseiten sofort auffordern, meine Nacktaufnahmen zu löschen?

Eigentlich willst du die Aufnahmen nur so schnell wie möglich wieder aus dem Internet haben. Aber bevor du dich ums Löschen kümmerst, solltest du einmal kurz die Beweise sichern. Dazu raten sowohl die Anwälte, mit denen wir gesprochen haben, als auch die Polizei. Die Beweise sind sehr wichtig, falls du dich juristisch wehren willst.

Stefan Petersen, Sprecher der Berliner Polizei, sagt: "Selber aktiv werden und Daten sichern ist gut. Man muss nicht tatenlos dabei zusehen, wenn Aufnahmen von einem im Internet sind, die man da nicht haben will."

Falls die Bilder schon gelöscht wurden, ist trotzdem nicht alles verloren: "Wenn Aufnahmen schon gelöscht sind und nicht gesichert wurden, sind Ermittlungen dennoch möglich. Es macht sie aber schwieriger, besonders dann, wenn die Server, auf denen sich Spuren befinden, im Ausland stehen", sagt er.

Wie sammele ich Beweise?

Als Beweise kannst du einfach Screenshots sammeln, solltest dabei aber ein paar Dinge beachten. "Wichtig ist, dass die Screenshots beweissicher und aussagekräftig sind. Sie sollten die Rechtsverletzung gut erkennbar darstellen", sagt der Medienanwalt Marcel Leeser der Kölner Kanzlei Höcker. In jedem deiner Screenshots sollten mindestens Aufnahmedatum, Uhrzeit und URL erkennbar sein. Auch sonstige relevante Infos sollten mit Screenshots dokumentiert werden, zum Beispiel der Nutzername des Uploaders oder der Name seines Channels.

Ein praktisches Tool für solche Screenshots ist die Chrome-Erweiterung "Atomshot" der Kanzlei Gulden Röttger. Das Tool fügt einem Screenshot aus dem Chrome-Browser automatisch eine Kopfzeile mit Datum, Uhrzeit und URL hinzu. Falls die Website so groß ist, dass nicht alles auf einen gewöhnlichen Screenshot passt, kann das Tool einen sogenannten Scrollshot erstellen: Es scrollt dann automatisch die Website bis zum Ende und packt alles in eine zusammenhängende Bilddatei.

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Falls nicht nur Fotos, sondern auch Videos von dir gepostet wurden, reichen Screenshots allein nicht aus. In diesem Fall ist es am besten, wenn du zusätzlich den gesamten Bildschirm abfilmst und dabei die Videos in voller Länge abspielst.

Auf dem Mac erstellst du solche Bildschirmaufnahmen zum Beispiel mit dem Quick Time Player. Bei Windows 10 gibt es dafür die vorinstallierte Software Game DVR. Eine Alternative ist die kostenlose Software OBS. Die läuft auf allen gängigen Betriebssystemen, ist aber etwas unübersichtlich. Bei der Einrichtung hilft dieses YouTube-Tutorial.

Wann brauche ich einen Anwalt?

Eine Anwältin oder ein Anwalt kann dich dabei unterstützen, die Aufnahmen wieder aus dem Internet zu kriegen. Vor allem, wenn sie auf Seiten kursieren, die keine Kontaktmöglichkeit anbieten. Oder wenn eine besonders unseriöse Pornoseite die Aufnahmen trotz deiner Nachricht einfach online lässt. Die Kanzlei kann dann für dich Druck machen. Wie viel das kostet, beantworten wir dir weiter unten.

Eine Kanzlei hilft dir außerdem weiter, wenn du gegen den oder die Täter juristisch vorgehen willst – auch, wenn du nicht genau weißt, wer das ist. Denn was dir angetan wurde, ist verboten und strafbar. Du kannst übrigens auch ohne Anwältin direkt zur Polizei gehen, dazu später mehr. Grundsätzlich gibt es zwei rechtliche Wege: das Zivilrecht und das Strafrecht.

Wie kann ich mich zivilrechtlich wehren?

Eine Anwältin oder ein Anwalt kann besonders gut auf deine konkreten Bedürfnisse eingehen. In vielen Fällen rät dir ein Anwalt wohl zu einem zivilrechtlichen Vorgehen, dann wird der Täter oder die Täterin erst einmal abgemahnt. Das klappt natürlich nur, wenn du auch weißt, wer das ist. Die Person bekommt die Abmahnung dann von deinem Anwalt per Post. "Mit einer Abmahnung fordere ich den Täter zur Unterlassung und Zahlung einer Geldentschädigung wie meiner Rechtsanwaltskosten auf", erklärt Anwalt Marcel Leeser.

Wenn der Täter das ignoriert, kannst du gegen ihn am Zivilgericht eine einstweilige Verfügung beantragen. Am Ende gibt es im besten Fall eine Geldentschädigung für dich. "Nach unserer Erfahrung stellt das zivilrechtliche Vorgehen die wahre Sanktion des Täters dar", sagt Leeser. Einzig die Verurteilung zu einer saftigen Zahlung halte Täter sicher davon ab, andere wiederholt in ihren Rechten zu verletzen.

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Beim zivilrechtlichen Weg gibt es aber etwas Wichtiges zu beachten: Du darfst nicht zu lange warten. Wenn du von der Tat erfährst und auch weißt, wer wohl der Täter ist, musst du innerhalb eines Monats aktiv werden. Sonst könne man vor Gericht keine einstweilige Verfügung mehr erwirken, erklärt Leeser. Möglicherweise hast du dann keinen Anspruch mehr auf eine finanzielle Entschädigung. Denn das Gericht könnte laut Leeser davon ausgehen, dass die Belastung durch die Bloßstellung im Internet für dich nicht besonders hoch war, weil du viel Zeit hast verstreichen lassen.

Wie kann ich mich strafrechtlich wehren?

Ohne Einverständnis Nacktaufnahmen zu teilen, ist nicht irgendein Delikt, sondern eine Straftat. Das heißt, du kannst Anzeige erstatten – auch wenn du den oder die Täter nicht kennst. Dabei kann dir auch dein Anwalt helfen.

Das Wort "Revenge Porn" steht zwar nicht im Strafgesetzbuch, es gibt aber einen Straftatbestand, der dem nahe kommt: Paragraf 201a, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen. In einigen Fällen von Voyeurismus hilft das Strafgesetzbuch leider nicht weiter, wie wir im Jahr 2019 berichtet haben. Bei einer Verurteilung droht dem Täter aber eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.

"Die Polizei hat als Ermittlungsbehörde Auskunftsrechte gegenüber den Plattformen und hat wesentlich bessere Möglichkeiten, die Täter ausfindig zu machen", sagt Tobias Röttger, Rechtsanwalt der Mainzer Kanzlei Gulden Röttger. Wenn der Täter bislang unbekannt war, kann ihn die Polizei im besten Fall entlarven. Deine Anwältin kann den Namen des Täters dann durch Akteneinsicht herausfinden – und schon ist auch der Weg frei fürs Zivilrecht.

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Kann ich auch einfach ohne Anwalt zur Polizei gehen?

Ja, das geht. "Erstatten Sie Anzeige, wenn Sie Opfer einer Straftat wurden!", schreibt die Polizei auf einer Infoseite über den Ablauf eines Strafverfahrens. Durch eine Anzeige kannst du auch Menschen vor dem Täter schützen, die in Zukunft Opfer von ihm werden könnten. Auch kannst du der Polizei damit zeigen, dass digitale Gewalt ein reales Problem vieler Menschen ist.

Die Polizei ist jedoch nur deine Ansprechpartnerin, wenn es um das Strafrecht geht. Wenn jemand strafrechtlich verurteilt wird, bedeutet das nicht automatisch, dass du auch Schadensersatz bekommst. Dafür ist eigentlich der Weg über das Zivilrecht notwendig. Es gibt aber auch einen anderen Weg für dich, Schadensersatz oder Schmerzensgeld zu erhalten. Diese Ansprüche kannst du auch über ein sogenanntes Adhäsionsverfahren geltend machen. Das passiert schon im Strafverfahren, das heißt, du sparst dir im besten Fall den Gang vors Zivilgericht. Das Verfahren birgt jedoch auch Risiken. Ob es eine sinnvolle Strategie für dich ist, besprichst du also am besten mit einem Rechtsbeistand. Auch Opferschutzbeauftragte von Bund und Ländern sowie die Hilfsorganisation Weisser Ring können dich beraten.

Wenn es dir unangenehm ist, zur Polizei zu gehen, hilft dieser Hinweis: Anzeige kann sowohl persönlich als auch online erstattet werden. Falls du selbst Beweise gesichert hast, kannst du das dort anmerken. Stefan Peterson von Berliner Polizei erklärt, dass du bei einem sensiblen Thema wie "Revenge Porn" auch gezielt nach einer Frau oder einem Mann in der Dienststelle fragen kannst. Für den zivilrechtlichen Weg brauchst du einen Anwalt oder eine Anwältin.

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Die Polizei ist eine wichtige Anlaufstelle. Aber denk daran, dass die Beamten sich im Gegensatz zu Fachanwältinnen nicht unbedingt mit Revenge Porn und digitaler Gewalt auskennen. Deshalb kann es sein, dass die Polizisten weniger sensibel mit dem Thema umgehen als eine sachkundige Kanzlei.

Lohnt sich der Stress mit Anwälten und Polizei überhaupt?

Über diese wichtige Frage tauschst du dich am besten mit jemandem aus, dem du vertrauen kannst, gegebenenfalls auch mit einer Beratungsstelle. Die Anwälte, mit denen wir gesprochen haben, heben jedenfalls die Vorteile davon hervor, mit rechtlichen Schritten gegen den Täter zu kämpfen und damit selbst aktiv zu werden.


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Was kostet eine Anwältin?

Das hängt von vielen Faktoren ab, etwa um wie viele Rechtsverstöße sie sich kümmern muss und wie aufwändig das Verfahren wird. Das nötige Budget ist wohl drei- bis vierstellig. Einen ersten Eindruck liefert dieser Online-Rechner für Anwaltskosten. Du kannst dich natürlich auch bei einer Kanzlei deiner Wahl direkt informieren.

Einen Teil der Kosten kann eine Rechtsschutzversicherung übernehmen. Außerdem erhältst du eine Entschädigung, wenn du vor Gericht Erfolg hast. Dafür gibt es aber keine Garantie. Und bis es soweit ist, musst du Geld vorstrecken. Günstiger ist es, wenn du dir von einer Kanzlei nur dabei helfen lässt, dass Pornoseiten die Aufnahmen löschen.

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Es kann sich aber lohnen: In einem Fall hat die Kanzlei Höcker für fünf Frauen eine Geldentschädigung von zusammengerechnet 135.000 Euro erwirkt. "Wer die Ehre und Intimsphäre anderer in so abscheulicher Weise verletzt, muss eine hohe Entschädigung zahlen", schreibt Marcel Leeser in einer Pressemitteilung zu dem Fall. "Das soll jeder wissen, der mit dem Gedanken spielt, andere ohne deren Wissen und Wollen im Internet als Lustobjekt zur Schau zu stellen und mit sexistischen Kommentaren zu beleidigen."

Doch auch ohne teure, anwaltliche Hilfe bist du mit dem Thema auf keinen Fall allein. Der juristische Weg ist nicht der einzige, der dich weiterbringt. Kostenfreie Beratung gibt es zum Beispiel beim Ophelia-Beratungszentrum oder beim Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen.

Was mache ich, wenn die Aufnahmen in der Schule, Uni oder Firma rumgehen?

Es ist möglich, dass Menschen, die du kennst, deine Aufnahmen gesehen haben – je nachdem, wo sie kursieren. Es können Mitschüler sein, Kommilitoninnen oder Arbeitskollegen. Nina Pirk berichtet, dass es in der Schule oft zu Opfer-Bashing kommt, wenn Nacktfotos oder Sexvideos die Runde machen. Deshalb sei es gut, sich im Vorhinein ein paar Antworten zurechtzulegen. Konkrete Vorschläge hat sie auch: "Ich steh da drüber, mir ist das egal." Oder: "Das war eigentlich nicht für eure Augen bestimmt."

Man könne den Spieß auch umdrehen und sagen: "Ich hab was draus gelernt. Ich würde euch nicht empfehlen, sowas zu machen." Gut ist, wenn man einen Freund oder eine Freundin hat, die helfen können, dumme Sprüche abzuwehren. Und spätestens, wenn du deinen Abschluss in der Tasche hast, musst du die Leute eh nicht mehr wiedersehen.

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Mit wem kann ich über dieses Erlebnis sprechen?

Es kann dir helfen, wenn du mit einer unabhängigen Person spricht, die dich nicht kennt. Wenn du unter 18 bist, kannst du anonym die Nummer gegen Kummer anrufen. Dabei geht es nicht darum, sofort eine Lösung zu finden. Oft hilft es einfach, sich den Kummer von der Seele zu reden. Auch der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe empfiehlt Hilfsangebote vor Ort und per Telefon. Die Beratung ist kostenlos und die Mitarbeiterinnen unterliegen der Schweigepflicht. Wenn es dir über einen langen Zeitraum nicht gut geht, kann es sinnvoll sein, sich bei einer psychologischen Beratung zu melden.

Nina Pirk sagt, in den meisten Fällen sei es hilfreich, mit Freunden oder den Eltern zu sprechen. "Natürlich schämt man sich am Anfang, aber in den meisten Fällen hat es sowieso schon jemand mitbekommen." Rückgängig machen könne man es nicht. Gerade im Gespräch mit den eigenen Eltern sei es wichtig, klar zu sagen, dass du Unterstützung brauchst und es dir gerade nicht gut geht.

Wie schaffe ich es, mich wieder besser zu fühlen, nachdem jemand meine Nacktaufnahmen geleakt hat?

Wenn deine Nacktaufnahmen ohne dein Einverständnis in fremde Hände gelangen, kann sich das wie ein Kontrollverlust anfühlen. Die Dänin Emma Holten hat sich dagegen eine außergewöhnliche Strategie überlegt: Sie ist in die Offensive gegangen. Nachdem sie gehackt wurde, kursierten private Nacktbilder von ihr im Internet. Holten entschied sich daraufhin, selbst Aktbilder von sich zu veröffentlichen – und vom Objekt zum Subjekt zu werden. In einem Video-Interview mit dem Guardian sagte sie im Jahr 2015: "Mir wurde klar: Es geht gar nicht um mich. Es geht um Frauenhass im Allgemeinen." Die Nacktaufnahmen selbst zu veröffentlichen, kann eine Möglichkeit sein, die Kontrolle zurückzugewinnen. Aber es ist eine extreme Reaktion, die weitere Öffentlichkeit mit sich bringt. Gerade bei Sexvideos rät Nina Pirk von "Nummer gegen Kummer" deshalb davon ab.

Die US-Amerikanerin Hannah Jennaway holte sich ihre Selbstbestimmung zurück, indem sie sich erfolgreich für eine Gesetzesänderung in ihrem Heimatstaat Montana engagierte, um Opfer von Revenge Porn zu schützen. Zuvor hatte ein ehemaliger Freund ein Sexvideo von ihr per Snapchat an Fremde, Freunde und Bekannte verschickt.

Hanna aus Göttingen wurde heimlich in einer deutschen Sauna gefilmt. Danach gab es Momente, in denen sich sich unwohl fühlte. Zu VICE sagte sie: "Ich bin durch die Straßen gelaufen und habe mich gefragt, wieso der Typ mich so angrinst. Findet der mich jetzt nur sympathisch oder hat er das Video gesehen?" Sie entschied sich damals, weiterhin in die Sauna zu gehen und sich nicht einschränken zu lassen. Sie sagte aber auch: "Ich verstehe jede Frau, die nach so einer Erfahrung verunsichert ist." Wenn du das Gefühl hast, nicht alleine mit dem Geschehenen fertig zu werden, kann ein Psychologe oder eine Psychologin helfen, die Kontrolle zurückzugewinnen.

Wie weit du gehen möchtest und was dir hilft, ist jedoch allein deine Entscheidung. Niemand hat das Recht, über deinen Körper zu entscheiden – und niemand hat das Recht, Bilder oder Videos ohne dein Einverständnis ins Internet zu stellen.

Bist du von digitaler Gewalt betroffen? Dann kannst du in den bundesweiten Frauenberatungsstellen und Frauennotrufen Hilfe finden, auch wenn du nicht mehr weißt, was genau passiert ist. Dort findest du auch Informationen und Sicherheitshinweise zum Thema digitale Gewalt. Wer in der Schweiz sexualisierte Gewalt erlebt hat, findet bei der Frauenberatung Links zu Beratungsstellen, betroffene Männer erhalten Hilfe im Männerhaus. In Österreich wird ein 24-Stunden-Hilfenotruf unter 01 71 719 angeboten.

Update, 31. Januar 2020, 13 Uhr: Wir haben einen Absatz hinzugefügt, der erklärt, wie Betroffene über ein Adhäsionsverfahren Ansprüche geltend machen können.

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