Drei junge Frauen in einem Auto, Fotografin Chloe Sherman hat die Lesbenszene im San Francisco der 90er dokumentiert
In my Chevy Nova 1997 | Foto: Chloe Sherman
Menschen

Fotos von San Franciscos rebellischer Lesbenszene der 90er Jahre

Die Fotografin Chloe Sherman zeigt uns ihre Welt aus Femmes, Butches, Punks und Studs.

Heute ist San Francisco bekannt für astronomische Mieten, Tech-Bros und extreme soziale Ungleichheit. In den Neunzigern genossen junge Menschen hier die letzte unbeschwerte Zeit der für ihre Offenheit berühmten Westküstenmetropole, so auch die Fotografin Chloe Sherman. Als Kunststudentin fing sie an, die lesbische und queere Szene San Franciscos zu fotografieren.

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Inspiriert von den Fotos Del LaGrace Volcanos von der Londoner Lesbenszene hielt Sherman ihre eigene Welt aus Femmes, Butches, Punks und Studs fest und füllte ein ganzes Regal mit 35mm Negativen. Eine Auswahl davon gibt es aktuell in der Ausstellung Renegade San Francisco: The 1990s in der Schlomer Haus Gallery in San Francisco zu sehen. Wir haben mit Sherman über den Einfluss der Szene gesprochen, die sie in ihren Bildern dokumentiert hat. 


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VICE: Wie wichtig sind historische Darstellungen von lesbischen Frauen für jüngere Generationen?
Chloe Sherman:
Ich habe mich ursprünglich als Künstlerin der Fotografie zugewandt, weil ich meine Community zeigen wollte. Rückblickend sind die Bilder allerdings weitaus kraftvoller als queere Geschichte. Queere Geschichte zeigt neuen Generationen Erfahrungen, in denen sie sich wiederfinden, die sie nachahmen oder gegen die sie auch rebellieren können.

Eine junge Frau liegt in einem roten Seidenkleid rauchend auf dem Bett und telefoniert

Anna Joy at Home, 1997 | Foto: Chloe Sherman

Wie war die Szene damals?
Ich kann nur aus eigener Erfahrung sprechen – manche Freundinnen sagen, es sei keine gute Zeit gewesen –, aber wie die Riot-Grrrl-Bewegung in Portland und Seattle waren die Neunziger in San Francisco eine prägende Zeit. Die Mieten waren verhältnismäßig günstig, also strömten junge queere Menschen, Außenseiter, Künstlerinnen und andere in die Stadt, um frei zu sein und einander zu finden. Der Mission-District war voller Bars, Clubs, Tattooläden, Kunstgalerien, Cafés, Buchläden und von Frauen geführten Unternehmen. Eine neue Feminismuswelle schloss Gender-bending und die Butch/Femme-Kultur in ihre Arme.

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Drei junge Menschen in unterschiedlichen Outfits auf einem Bürgersteig

The Heist, 1996 | Foto: Chloe Sherman

Was sind deiner Meinung nach die größten Unterschiede zwischen Lesben damals und heute?
Wir wussten immer, dass wir zu einer besonderen Zeit an einem besonderen Ort lebten. Aber damals gab es vielleicht einen noch viel größeren Bedarf, sich gegenseitig zu unterstützen – eine Art Rettungsleine zu bilden. Heute ist es normaler, sich als lesbisch, schwul, trans oder queer zu outen. Aber natürlich haben nicht alle die Möglichkeit und das Geld, um an Orte zu ziehen, an denen man sich sicherer fühlt.

Wir leben hier in den USA momentan in einer wirklich verstörenden Zeit. Immer mehr konservative Gesetze werden verabschiedet, die die Rechte von Frauen und LGBTQIA-Personen einschränken. Wir sind nur einen Wimpernschlag davon entfernt, wieder ein repressives und gefährliches Land zu werden. Deswegen ist die Gemeinschaft so wichtig. Wir brauchen einen Ort, an dem man sich treffen, Spaß haben, man selbst sein und kreativ zu sein kann.

Foto von zwei Personen, die sich umarmen und in die Kamera blicken

Harry and Shanna, 1997 | Foto: Chloe Sherman

Butches und Femmes spielen in deinen Arbeiten eine große Rolle. Wie wichtig war diese Dynamik und Ästhetik damals?
Es gab Butch/Femme-Stile, aber nicht ausschließlich. San Francisco kann nachts eiskalt sein und tagsüber heiß oder nebelig. Alle gehen überall zu Fuß hin oder fahren mit dem Fahrrad. Entsprechend bestand die Kleidung aus Kampfstiefeln, Lederjacken und Schlüsselketten. 

Die jungen Menschen wandten sich in den 90ern vom US-Mainstreamfeminismus der 80er ab, bei dem einem noch jede Aneignung von maskulinen Attributen Verachtung eingebracht hätte. Für eine Generation, die die Regeln zu Geschlechtsidentitäten einreißen wollte, war das eine Einschränkung. Es gab eine Rebellion. Rückblickend war das allerdings eine Wertschätzung der harten Arbeit der vorangegangenen Generationen, die diesen Schritt erst möglich gemacht hatten. Deswegen ist es wichtig, dass junge Menschen heute ein Bild von der Vergangenheit bekommen, damit sie sehen, wie lange es etwas bereits gibt. Du lebst vielleicht in einem kleinen Dorf und denkst, dass du die erste queere Person bist, und dann schaust du dich um und checkst, dass das schon seit 25 oder 30 Jahren passiert.

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Eine blonde Frau in einem schwarzen Kleid und eine dunkelhaarige Frau in schwarzem Hemd und roter Krawatte sitzen auf einer Couch vor Cocktailgläsern

Amita and Sunny | Foto: Chloe Sherman

Eine Frau sitzt mit Piercings und Tattoos auf dem Beifahrersitz eines Autos schaut in die Kamera

Elitrea in the Desert, 1998 | Foto: Chloe Sherman

Eine Frau mit einer Katze auf einem Bett

Asia's Room, 1996 | Foto: Chloe Sherman

Eine Frau mit pinker Perücke und Leopardenkleid spricht mit einer Frau mit kurzen dunklen Haaren und einem Oberteil aus Klebeband in einer Bar

Machiko and Tientjen, Hole in the Wall 1999 | Foto: Chloe Sherman

Eine Person im Anzug und einem feinen Kinnbart schaut vom Fahrersitz eines Autos auf die Rückbank in die Kamera

View from the Backseat, SF, 1997 | Foto: Chloe Sherman

Zwei Personen schauen mit verschränkten Armen und Zigarette im Mundwinkel von oben in die Kamera

Silas and Keiron, 1994 | Foto: Chloe Sherman

Drei Frauen in 50er Jahre Kleidern sitzen in einem Auto und schauen in die Kamera

The Mission, San Francisco, 1996 | Foto: Chloe Sherman