FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Der vermisste Spion: Ein Blick in den größten CIA-Skandal seit 9/11

Der CIA hat einen Spion im Iran verloren und wusste nicht einmal davon. Jetzt hat die Presse den Skandal öffentlich gemacht und eine Debatte über die Richtigkeit ihres Vorgehens entfacht.

Der Fall von Robert Levinson auf PBS News Hour.

Die AP, die Times und weitere Nachrichtenausleger haben es schon seit Jahren gewusst, es aber erst letzten Freitag bekanntgegeben: Robert Levinson, ein Geschäftsmann und ehemaliger FBI-Agent, wurde im Iran gefangengenommen, während er dort als „unautorisierter Vertragsarbeiter“ für den CIA spionierte. Sein Job bestand darin, Informationen für die Geldwäscheoperationen des CIAs zu sammeln; seine Erfolge sollen außergewöhnlich und sehr „hilfreich“ gewesen sein, und zwar trotz der Tatsache, dass er während seines Aufenthalts im Iran, im März 2007, keinen offiziellen Vertrag mit dem CIA hatte und primär ins Land eingereist war, um sich mit einem potenziellen Informanten und amerikanischen Exilanten zu treffen.

Anzeige

Aber Levinson wurde von den lokalen Behörden gefangengenommen und verschwand—und wurde zum am längstenn vermisste Amerikaner in Gefangenschaft.

Das ist jetzt schon sieben Jahre her. Das amerikanische Außenministerium bezeichnete Levinson stets als „Privatperson“, damit er durch seine CIA-Verbindungen nicht zusätzlich in Gefahr geriet. Das Weiße Haus forderte die Presse dazu auf, das Selbe zu tun. Levinson war seit seiner Entführung nur ein einziges Mal zu sehen, und zwar in einem 2010 veröffentlichten Video, in dem er in einem orangen Gefangenenoverall à la Guantanamo erklärt, dass er gut behandelt werde, und die USA um Hilfe bitte. Trotz des großen Verdachts, dass die iranischen Behörden genau wussten, wo sich Levinson aufhielt, behauptet Teheran bis heute, dass man nichts über das Schicksal des Amerikaners weiß.

Levinsons Mission wurde als „bösartig“ bezeichnet, weil er im einem zwielichtigen Bereich eines an sich schon zwielichtigen Geheimdienstes operiert hat. Gleichzeitig demonstriert diese Affäre das Ausmaß an Fahrlässigkeit mit der Vertragsarbeiter beim CIA eingesetzt werden, und einen groben Mangel an Aufsichtskontrolle sowohl beim CIA selbst als auch durch den Kongress.

Als die CIA-Spitze sieben Monate nach Levinsons Gefangennahme erfuhr, was das eigentliche Ausmaß der Mission war, die sich unbemerkt direkt vor ihren Nasen abspielte, setzte das eine interne Untersuchung in Gang, die einige Beobachter als die Aufdeckung des größten CIA-Debakels seit der Missinformationskampagne um 9/11 bezeichneten. Der CIA feuerte drei seiner Analysten und degradierte sieben andere, verschärfte die Regeln für Vertragsarbeiter, zahlte Levinsons Familie eine steuerfreie Abfindung in Höhe von 2,5 Millionen Dollar und verlangte, dass die Familie und die Presse Stillschweigen bewahren.

Anzeige

Warum man die Story so lange unter Verschluss hielt und sie jetzt doch veröffentlichte

Die Presse beendete das Übereinkommen als am Freitag AP die Story veröffentlichte, gefolgt von der Times, ABC News, der Washington Post und vielen Anderen. Meldungen verschiedener Ausleger deuten an, dass Levinsons Familie die Herausgabe der Informationen begrüßt. „Der CIA schickte Bob Levinson in den Iran, um für sich Informationen zu sammeln,“ sagte David McGee, der Anwalt der Familie. „Und statt dies öffentlich bekannt zu geben und Bobs Leben zu retten, haben sie ihn verleugnet. Sie leugneten, dass sie ihn hingeschickt haben und dass sie eine Beziehung zu ihm hatten. Sie haben ganz einfach gelogen,“ sagte McGee.

Das Weiße Haus bezeichnete die AP-Story als im „höchsten Maße unverantwortlich“ und stellte die Frage, warum man die Geschichte gerade jetzt herausbringt, wenn doch nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, dass Levinson dadurch keinem größeren Risiko ausgesetzt wird? Schließlich, so das Weiße Haus, verbesserten sich gerade die diplomatischen Beziehungen zum Iran, was eine mögliche Freilassung Levinsons immer wahrscheinlicher macht (vorausgesetzt natürlich, das Weiße Haus wüsste überhaupt, wo sich Levinson zur Zeit aufhält).

„Mein Verleger bei der Times und ich waren uns klar darüber, dass hier das Leben eines Mannes auf dem Spiel steht. Das ist eine Einsicht, die die Dinge viel klarer erscheinen lässt,“ sagte Barry Meiner, der Autor der Geschichte bei der Times, gegenüber Buzzfeed.

Anzeige

Das Hauptargument—das auch Ted Bridis, der Redakteur der Story bei der AP, während eines Interviews bei News Hour on Friday nicht unerwähnt ließ—ist, dass die Veröffentlichung der Geschichte zu neuen Anstrengungen im Fall Levinson führen könnte, und so auch Licht ins Dunkel eines riesigen Skandals bringen könnte.

Senator John McCain war einer der Politiker, die den CIA scharf attackierten, als der Skandal an die Öffentlichkeit drang. „Was mich vor allem stört, ist, dass der CIA dem Kongress nicht die Wahrheit sagt,“ sagte McCain auf dem CNN-Blog „State of the Union.“ „Wenn das wahr ist, dann kann man diesen Fall ganz oben auf die Liste der Dinge setzen, von denen unsere Geheimdienstausschüsse keine Ahnung haben und über die uns (der NSA Enthüller Edward) Snowden informiert hat – vielleicht bedeutet das, dass wir die Aufsichtsrolle des Kongresses und unserer Geheimdienste überdenken müssen.“

Bis vor Kurzem, sagt Bridis, „konnten sie (die Regierung) einleuchtende Gründe liefern, das Ganze nicht zu veröffentlichen. Sie sprachen von den sich verbessernden Beziehungen und von dem möglichen Kooperationswillen, der sich daraus ergeben könnte. Doch es gab einfach nichts Konkretes. In diesem Fall gab es seit drei Jahren keinen diplomatischen Fortschritt mehr.“ (Die Times sagte, dass sie über Levinsons Verbindungen zum CIA schon seit 2007 Bescheid wusste; ABC sagte nicht, wie lange der Sender es wusste, aber es seien wohl „Jahre“ gewesen.)

Anzeige

Robert Levinson auf einem undatierten Foto via HelpBobLevinson.com.

Die Brisanz des Ganzen liegt natürlich darin, dass keiner der Nachrichtenausleger die Frage überzeugend beantworten konnt, ob die jetzige Veröffentlichung, dass Levinson für den CIA gearbeitet hat, heute weniger riskant ist als in den letzen Jahren. Soll heißen, wenn es wirklich eine Gefahr für Levinsons Leben gibt, warum gerade jetzt publizieren?

Die Kritik des Weißen Hauses wurde auch von Bill Nelson, einem Senator aus Levinsons Wahlkreis in Florida, aufgegriffen und Caitlin Hayden, die Sprecherin des Zentrums für Nationale Sicherheit, ließ über eine Stellungnahme mitteilen, dass die Veröffentlichung der Geschichte die Chance einer Befreiung Levinsons verringerte.

Ohne näher auf die angedeuteten Verbindungen zwischen Mr. Levinson und der US-Regierung einzugehen, haben das Weiße Haus und andere Behörden innerhalb der US-Regierung die AP dazu angehalten, die Geschichte über Mr. Levinson nicht zu veröffentlichen, weil das sein Leben in Gefahr bringen könnte. Wir bedauern es sehr, dass die AP die Geschichte dennoch veröffentlicht hat, die übrigens nichts dazu beiträgt, Mr. Levinson wieder nach Hause zu bringen. Die Untersuchungen im Fall des Verschwindens von Mr. Levinson werden weiterbetrieben und wir engagieren uns weiterhin, damit er sicher nach Hause zu seiner Familie zurückkehren kann.

Die AP reagiert auf den Einwand des immer noch bestehenden Risikos folgendermaßen:

Anzeige

Dadurch, dass es keinerlei Informationen über den Aufenthaltsort von Mr. Levinson gibt, ist es unmöglich einzuschätzen, ob eine Veröffentlichung der Geschichte ihn einem größeren Risiko aussetzt. Es ist so gut wie sicher, dass die Entführer über Levinsons Verbindungen zum CIA Bescheid wissen. Anders herum ist es schwierig einzuschätzen, ob eine Bekanntgabe Levinsons Verbindungen zum CIA für seine Entführer überhaupt relevant ist. Das heißt nicht, dass es kein Risiko gibt. Da es aber keine neueren Entwicklungen im Fall Levinson gibt, haben wir entschieden, dass die große Bedeutung der Geschichte eine Veröffentlichung rechtfertigt.

Das klingt nicht sehr überzeugend. Der Absatz beginnt damit, dass es unmöglich ist, ohne zusätzliche Informationen einzuschätzen, ob man die Geschichte veröffentlichen sollte, und endet damit, dass es  heißt, „da es keine neueren Entwicklungen im Fall Levinson gibt.“ Das alles hört sich stark nach Mutmaßungen an. (Die Möglichkeit, dass Levinson bereits getötet wurde, besteht ebenfalls noch.) Es wird auch nicht klar, warum Levinsons Entführer über seine Verbindung zum CIA mit Sicherheit „Bescheid wissen.“ Und schließlich ist APs Geschichte über das gesetzlich zweifelhafte Vorgehen des CIAs „durchzogen von der Annahme, dass die betreffende Operation im Kern wirklich einmalig war,“ schreibt Massimo Calabresi in der Times.

Klar ist, dass diese Geschichte vor dem Hintergrund vieler journalistischer Geheimdienstenthüllungen—von denen die Enthüllungen Snowdens wohl die ersten waren—gelesen werden muss. Apuzzo, einer der Reporter, die an der AP-Story mitgearbeitet hat, bestärkte gegenüber Buzzfeed die Position, dass die Presse die Sichtweise der Regierung zu Themen der nationalen Sicherheit viel stärker hinterfragen muss.

Anzeige

„Wir stehen der Regierung nicht kritisch genug gegenüber. Wir und das ganze Land könnte die Presse als Waffe benutzen, besonders um mehr über das Thema der nationalen Sicherheit in Erfahrung zu bringen,“ sagte er. „Wenn die amerikanische Regierung einen amerikanischen Bürger in die Schusslinie stellen kann und es dann gegenüber der Öffentlichkeit und sogar gegenüber dem Kongress sieben Jahre lang abstreiten kann, dann blieben solche Geschichten für immer im Dunkeln,“ fügte er hinzu. „Aber das ist es doch, warum es die Presse überhaupt gibt.“

Ein Beispiel dafür, was die Presse nicht machen sollte, ist: Spionen der Regierung Infiltrationsmöglichkeiten im Ausland zu verschaffen.

Es war ein pensionierter NBC-Nachrichtenreporter, der Levinson mit Daoud Salahuddin, einem amerikanischen Exilanten und Auftragskiller im Iran, zusammen brachte. Salahuddin war der Letzte, der Levinson lebend sah.

Tatsächlich tragen auch die Medien eine Mitschuld daran, dass Levinson in die Klemme geriet: Der pensionierte NBC Nachrichtenreporter, Ira Silverman, stellte Levinson Daoud Salahuddin, einen im Iran lebenden amerikanischen Exilanten, vor. 2002 hatte Salahuddin mit Silverman für eine im New Yorker veröffentlichte Reportage über sich selbst gesprochen, und wie er 1980 einen Exil-Iraner in Maryland in einer Form des Dschihads erschoss.

Dass es Silverman war, der den Spion Levinson mit dem ehemalgien Informanten Salahuddin bekannt machte, wurde in der Berichterstattung von NBC, nicht erwähnt, obwohl diese Detail an anderer Stelle, im Rahmen einer Geschichte, die Michael Isikoff für die NBC-Webseite geschrieben hatte, bereits veröffentlicht vorlag. Nachdem Levinson entführt wurde, hat sich Silverman als die führende Gestalt bei der Wiederauffindung Levinsons hervorgetan. Bezüglich der Bekanntmachung von Levinson mit Salahuddin blieb er jedoch auffallend schweigsam.

Anzeige

2007 sagte Silverman Newsweek (ebenfalls in einer Geschichte von Isikoff), dass er, anders als Salahuddin vermutete, „nicht am Versuch des FBI beteiligt war, ihn (Salahuddin) aus dem Iran zu entführen“. Er hat es abgelehnt, zu sagen, was er über Levinsons Reise in den Iran wusste, weil er bereits von den Leuten befragt worden sei, die die Untersuchung im Fall Levinson leiten, und man ihn dazu angehalten habe, keine öffentlichen Stellungnahmen abzugeben, um die Anstrengungen bei der Wiederauffindung Levinsons nicht zu gefährden.

Die Times berichtet, dass zu jener Zeit „Silverman sich Sorgen darüber machte, ob er Mr. Salahuddin vielleicht falsch eingeschätzt hatte. Er hätte sich auch nie vorstellen können, dass sein Freund in den Iran gehen würde, ohne die Zustimmung des CIAs und ohne einen Plan für eine mögliche Flucht parat zu haben.“

Robert Levinsons Vertrag.

Wechsel vom CIA zu Yoga

Was auch immer dieser Fall für die Welt des Journalismus bedeutet, die Geheimdienste jedenfalls haben ihre Lehren daraus gezogen. Anne Jablonski, die CIA Analystin, die Levinsons Mission überwachen sollte, schloss einen inoffiziellen Vertrag mit ihm (beide waren miteinander befreundet) und „führte ihre Vorgesetzten über das eigentliche Ausmaß der Mission in die Irre", als Levinson auf der iranischen Insel Kisch verschwand—so hält es zumindest die interne Untersuchung des CIAs fest.

Der CIA fand jedoch keinen „direkten Schuldigen“, denn eigentlich wusste der CIA von Levinsons Reise und Jablonski behauptete ihrerseits, dass sie nicht gewusst habe, dass Levinson nach Kisch reisen würde. Als sich die Nachricht verbreitete, dass Levinson vermisst werde, berichtet die AP, „verschwand Jablonski auf der Toilette, weil sie sich übergeben musste.“

Anzeige

Nachdem sie vom CIA gefeuert wurde, hat Jablonski, die der Times erzählte, dass sie der Sündenbock der CIA sei, eine Karriere als Yoga-Lehrerin eingeschlagen. 2011beschrieb sie in einem Blogeintrag mit dem Titel „Besetze dein Herz“ ihren neuen Weg, der nunmehr von Liebe und Meditation geleitet wird:

Die Arbeitsanstellungen, die ich für die letzten zwanzig Jahre hatte—und das sehe ich jetzt in voller Klarheit—, waren für mich verblüffende Lernerfahrungen. Ich habe gesehen wie Dinge auseinanderbrechen, große wie kleine, und ich habe gesehen, dass durch die Anwendung der Liebe—besonders in den Fällen, wo es am schwierigsten und unmöglichsten erscheint—Dinge verändert, Geschichte neu geschreiben und Wunder geschehen können. Wenn wir in ein anderes Paar Augen schauen und alles was wir dort sehen wollen, einen Menschen zeigt, von dem wir erwarten, dass er schlecht ist, einen Mensch, dessen Verhalten und Handlungen in uns Hass hervorrufen, einen Mensch, der den „Anderen“ verkörpert, dann wird das auch das Einzige sein, was wir sehen werden. Und das wird auch das sein, was der „Andere“ in unserem Blick sehen wird.

Sie sympathisierte mit der Occupy-Bewegung, die zur Zeit des Blogeintrags auf ihrem Höhepunkt war. „ich glaube nicht, dass das System funktioniert,“ schreibt sie. „Aber die Idee, dass wir uns gegenseitig an die Gurgel gehen, statt diese rohe Energie gegen die Ursache dieser Aggression zu lenken, macht für mich immer weniger Sinn.“

Mehr zu Geheimdiensten auf Motherboard:

Nur eine stillgelegte Abhörstation ist eine gute Abhörstation — Unsere Tour zum Teufelsberg in Berlin

Willkommen in der Post-Demokratie — Information und Inkontinenz

Bilder aus den geheimen NSA-Archiven