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Lass uns nochmal über den Urknall reden

Ein neues Modell besagt, dass es ihn nie gegeben hat und das Universum weder Anfang noch Ende hat. Sind jetzt alle Probleme gelöst?
Ungefähr so sah die Expansion des Universums nach dem Urknall aus​, behauptet zumindest diese Illustration. Bild: ​Wikimedia Commons | Public Domain

​Hoffentlich sitzt ihr gerade: Der Urknall hat vielleicht nie stattgefunden! Nein, wir haben uns nicht den Kreationisten einer evangelikalen Sekte angeschlossen, es geht hier immer noch um Wissenschaft.

Aber die Theorie vom Anfang aller Anfänge kommt nach zwei spannenden Jahren voller Gezerre um vielleicht doch nicht so revolutionäre Gravitationswellen (die als Echo des Urknalls gefeiert wurden, sich aber mittlerweile in ​kosmischen Staub aufgelöst haben) und dem Fund des Higgs-Boson-Teilchens (das ​kein Mensch versteht) ins Wanken: Eines Morgens machst du den Computer an und alle Sterne sind plötzlich über Nacht 100 Millionen Jahre jünger geworden, und am nächsten Tag ist der Urknall plötzlich optional. Physics in Action!

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Die ​neueste, radikale Ansage kommt aus Ägypten und besagt, dass es den Urknall einfach nicht gegeben hat, weil das Universum keinen Anfang und kein Ende hat. Jedenfalls, wenn es nach einem neuen Modell geht, das Einsteins Relativitätstheorie ergänzen soll. (Solltest du die gerade nicht mehr auf dem Schirm haben: Sie besagt, dass sich das Universum immer weiter, immer schneller ausdehnt.)

Was wir bislang zu wissen glaubten: Vor 13,8 Milliarden Jahren soll alles angefangen haben. An diesem Anfang soll alles—ja, wirklich alles—einen unglaublich dichten Punkt besiedelt haben, der Anfangssingularität genannt wird. Und erst als der sich urplötzlich in unglaublich kurzer Zeit (genauer gesagt,1 hoch minus 43 Sekunden) ausdehnte, soll das einen Anfang genommen haben, was wir erst Urknall, dann Expansion, und heute Universum mit Jupiter, Ceres und Wanne-Eickel nennen.

Diese Anfangssingularität hat Mathematiker vor Probleme gestellt—riesige Probleme. Denn die Mathematik beschreibt nur, was nach dem Urknall passiert ist, aber was kam nur direkt davor?

Tatsächlich ist die Anfangssingularität des Urknalls „das schwierigste Problem der allgemeinen Relativität, weil die Gesetze der Physik hier zusammenbrechen", sagte der ägyptische Mathematiker Ahmed Farag Ali von der Benda University dem Fachmagazin Phys.org.

Noch eine etwas hässliche Darstellung des Urknalls. Bild: Wikimedia Commons

Aber Farad Ali und sein Kollege Bas haben gezeigt, dass man mit einem Trick um die ganzen Probleme herumkommt, die das lästige Modell bieten kann: Man erfindet einfach ein neues, wasserdichtes Modell. Und in diesem hat das Universum einfach keinen Anfang und kein Ende. Easy!

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Die Arbeit beruht auf Ideen von David Bohm, dem Physiker, der ebenfalls an den Grenzbereichen von Philosophie und Naturwissenschaften gearbeitet hat und sich zur Entstehung des Universums auch schon mal ein paar Gedanken in den 1950er Jahren gemacht hat.

Er erfand die sogenannten kurvigen Trajektorien, nach denen Elektronen auf lustig geschlängelten Pfaden fliegen. Im „echten Leben" gilt für alle anderen Objekte die Geodäsie, die kürzeste Strecke zwischen zwei Punkten auf einer gekrümmten Oberfläche.

Die beiden Ägypter nahmen nun diese Flugbahnen und kombinierten sie mit der Arbeit eines indischen Physikers namens Raychaudhuri. Das Ergebnis sind ein paar quantenkorrigierte Gleichungen—mal physikalisch ausgedrückt: In dieser neuen Studie ist also das Universum mit einer Quantenflüssigkeit gefüllt, die aus masselosen Teilchen namens Gravitoren besteht, die die Schwerkraft in sich tragen. Und so sieht das Ganze aus:

Praktischerweise löst das Modell auch Probleme wie die ungeklärte Entstehung der dunklen Materie und dunkler Energie, schlägt also gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Dafür hat das Modell viele Props aus der Astrophysiker-Community bekommen und wird nun in den nächsten Jahren auf mögliche Ungereimtheiten abgeklopft. Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen.

Solltet ihr einen gemütlichen Abend mit existentiellen Fragen vor dem Kamin planen, gibt es das komplette Modell hier ​zum Nachlesen. Ein bescheidenes einleitendes Zitat der ägyptischen Astrophysiker möchte ich als Anregung herausstellen: „Ein paar Dinge müssen wir noch besser verstehen lernen. (…) Fünftens: Die Entstehung unseres Universums."