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Transhumanist David Pearce will uns zu glücklicheren organischen Robotern machen

Wir haben uns von dem Autor des Manifests „Der hedonistische Imperativ“ erklären lassen, wie er die Menschheit der Zukunft super gesund, super intelligent und super glücklich machen will.
Bild: Shutterstock

Ich treffe David Pearce inmitten des überdreht-engagierten Tech- und Start-up-Festival Tech Open Air in Berlin. Vor Jungunternehmern mit ausgelatschten Chucks, teuren Uhren und einem unbändigen Glauben an eine technologisch verbesserte Zukunft hält er einen Vortrag über Transhumanismus.

Den geneigten Festivalbesuchern erklärt David Pearce, wie wir die Menschheit mit der Hilfe von Biotechnologie, Drogen und der Umprogrammierung des Erbgutes unsterblich, glücklich und superintelligent machen werden. Allen über 40, die nicht mehr in den Genuss dieser Technik kommen könnten, riet er, sich einfrieren zu lassen.

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Glücklicherweise stehen meine persönlichen Chancen nach dieser Einschätzung auch ohne Einfrieren recht gut, und so habe ich mir von David seine Zukunftsvision zwischen Indianer-Tipis auf der Wiese vor dem Konferenzgebäude erklären lassen. Im Lärm einer neuen Drohne und bei einem Gintonic-Eis haben wir darüber gesprochen, was den Transhumanismus eigentlich von der Rassenbiologie eines Josef Mengeles unterschiedet.

Motherboard: Was sind die Prinzipien des Transhumanismus?

David Pearce: Ein superlanges Leben, super glücklich und super intelligent.

Und wir wollt ihr das anstellen?

Viel hängt von deinem zeitlichen Rahmen ab. Unsterblichkeit klingt seltsam, aber wir sind organische Roboter, und es gibt keinen Grund, warum organische Roboter alt werden und verwelken müssen. Wenn jemand schon über 40 ist und nicht sterben möchte, bin ich skeptisch, ob er das hinkriegt. Der sollte sich lieber mit Cryonics einfrieren lassen. Aber Transhumanisten denken, dass wir in die Forschung für radikales Antiaging investieren sollten.

Alle Bilder soweit nicht anders angegeben: Jan Vollmer

Was genau meinst du mit radikalem Antiaging?

Naja, soetwas wie Stammzellentherapie. Im Moment verliert jeder von uns jedes Jahrzehnt einen Anteil seiner Dopamin-Zellen. Das heißt, wenn wir nur lange genug Zeit haben, würden wir alle Parkinson bekommen. Es gibt Therapien, die Dopaminzellen bei Parkinson-Patienten ersetzen können. Das geht auch mit gesunden Menschen. Menschen die Älter werden, beschweren sich, dass Sie nicht mehr so intensiv fühlen, wie als sie jünger waren. Denen könnte man damit helfen.

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Wenn wir das Sterben beenden, werden wir die Freiheit der Fortpflanzung nicht mehr wie heute genießen

Wenn wir nicht mehr sterben, wird es hier ziemlich eng hier.

Wenn wir das Sterben beenden, wird es unmöglich sein, die Freiheit der Fortpflanzung weiterhin zu genießen, so wie wir das jetzt haben. Das ist tatsächlich ein Dilemma. Aber es ist auch ein Dilemma, über die Technik zu verfügen, das Altern aufzuheben – und sie nicht einzusetzen. Sobald sie da ist, werden Menschen diese Technik auch benutzen.

Die chinesische Ein-Kind-Politik ist hier nicht besonders beliebt. Aber ich glaube, dass auch wir da nicht drumherum kommen würden. Aber ich gehe davon aus, dass wir in Zukunft sowieso völlige Kontrolle über die weiblichen und männlichen Reproduktionsmechanismen übernehmen.

Wie werden wir superglücklich? Auch über Genmanipulation?

Dazu gebt es eine Theorie: Die 'hedonistische Tretmühle' ist die Idee, dass jeder von uns auf eine bestimmte Art emotional eingestellt ist. Ein konkretes Beispiel: Sechs Monate nach einem Lotteriegewinn oder einem schweren Autounfall sind Menschen statistisch gesehen genauso glücklich oder unglücklich, wie vor dem Lotteriegewinn oder dem Unfall.

Chronisch auf MDMA zu sein ist nicht die Lösung. Wir könnten sichere und nachhaltigere Formen von MDMA entwickeln.

Die 'hedonistische Tretmühle' ist die Idee, das wir an unserem genetisch bestimmten Setting, dem genetisch bestimmten Grad des Wohlfühlens, wenig ändern können. Es gibt kurzzeitige Belohnungen oder kurzzeitige Bestrafungen in den Hochs und Tiefs des Lebens. Aber danach neigen Menschen dazu, zu ihrem typischen Glücklichkeits-Setting zurückzukehren. Manche Menschen sind da sehr konstant, bei anderen geht es in der Zwischenzeit dauernd hoch und runter. Aber auf eine gesamte Lebenszeit gesehen, neigen manche Menschen dazu, eher bedrückt und depressiv zu sein. Andere Menschen neigen dazu, eher optimistisch und fröhlich zu sein.

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Wenn du mit deinem Leben beschäftigt bist, denkst du da wohl nicht so viel drüber nach und reagierst eher. Aber deine Gene haben einen sehr mächtigen Einfluss auf deine Lebensqualität.

Das heißt, auch Erfolg macht uns nicht unbedingt glücklicher?

Erstmal neigen Menschen, die unipolar depressiv sind, nicht dazu, besonders viel zu erreichen. Wenn man sich das menschliche Glück in einem Koordinatensystem vorstellt, scheinen die absoluten Höhepunkte oder Tiefpunkte für den Durchschnitt der Kurve nicht entscheidend zu sein.

Für Ray Kurzweil ist der Weg zur Singularität vorgezeichnet. Bild: Ray Kurzweil / Wikimedia; Lizenz: CC BY 1.0

Wie werden wir superintelligent?

Organische Roboter wie wir könnten unseren eigenen genetischen Quellcode neu gestalten. Aber unser heutiger Intelligenz-Maßstab, der IQ-Test, misst eher eine autistische Art von Intelligenz. Beim Genetic-Engineering könnten wir auch emotionale Intelligenz verstärken, Empathie und Einfühlungsvermögen.
Der zweite Ansatz ist die komplette Fusion von biologischer und maschineller Intelligenz. Man könnte das den Cyborg-Ansatz nennen.

Es könnte irgendwann in der Mitte dieses Jahrhunderts passieren, wenn aktuelle Prognosen von Rechenleistung hinkommen. Der dritte Ansatz ist die künstliche Intelligenz selbst, die uns primitive Organic Robots schnell zurücklassen könnte. „Deep Blue" gibt es schon, der Computer Watson hat schon Jeopardy gewonnen – die sind schon eine Ecke schneller als wir armen, alten Organic Robots.

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Gibt es irgendwas, was diese Computer nicht können?

Aus Gründen, die wir selbst nicht verstehen, sind nur wir organische Roboter in der Lage, das Verbindungsproblem zu lösen. Das ist die Idee, dass die an verschiedenen Stellen im Gehirn entstehenden Informationen zu einem Eindruck zusammengerechnet werden. Gerade jetzt generiert mein Gehirn ja diese Welt-Simulation, die ich wahrnehme. Wie ist das möglich, wo meine Neuronen doch alle für sich arbeiten?

Radikale Superglücklichkeit werden wir wohl in unserer Lebenszeit nicht mehr genießen.

Ein Beispiel: Nehmen wir die Millionen von amerikanischer Gehirne, die in Schädeln gebunden sind. Sagen wir, sie könnten ultraschnell kommunizieren. Egal wie sie funktionieren und interagieren – wir werden dadurch kein einheitliches Bewusstsein herstellen können. Es bleiben 320 Millionen merkwürdige schädelgebundene Gehirne. Aber die 68 Milliarden Neuronen im Gehirn funktionieren zusammen. Abgesehen davon: Niemand der mit künstlicher Intelligenz arbeitet, hat auch nur die geringste Ahnung, wie Computer lernen können unser Bewusstsein zu verstehen.

Und wie werden wir super glücklich?

Radikale Superglücklichkeit werden wir wohl in unserer Lebenszeit nicht mehr genießen. Aber da gibt es kurzfristige, mittelfristige und langfristige Strategien: Von gutem Essen, regelmäßigem Sport und viel Schlaf über bessere Designerdrogen bis hin zur Umschreibung unseres Erbgutes.

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Ich habe gehört, je besser eine Droge funktioniert, desto stärker seien die Nebenwirkungen.

In der Tat, eine starke Psychostimulanz lässt den Konsumenten in der Regel eine Ecke unglücklicher zurück, als vor dem Rausch. Tatsächlich haben die meisten Antidepressiva auch einen sehr begrenzt positiven Effekt. Aber man kann das Mu-Opioid-System auch auf Weisen beeinflussen, für die der Körper keine Toleranz aufbauen kann und ohne den negativen Einfluss, den Drogen heute haben. Aber das ist schwer, wir kennen die molekulare Zusammensetzung puren Glücks noch nicht, aber sie scheint sehr genau definiert zu sein.

Sobald wir das verstanden haben, sollte das Glück manipulierbar und steuerbar sein. Die größte Herausforderung wird aber nicht sein, reines Glück zu konstruieren, sondern ein Wohlergehen zu erzeugen, das intellektuelle Performance und Verantwortung nicht behindert.

Würde das nicht zu einer Diskriminierung der Unglücklichen führen?

Unglückliche und Depressive werden ja heute schon diskriminiert. Oft fallen sie aus der aktuellen Wirtschaftswelt heraus, leben von Sozialhilfe. Sie können ökonomisch nicht mithalten. Wenn wir in der Zukunft bei jemanden die Stimmung heben, erhöhen wir seine Chance auf eine Karriere.

Das klingt ein bisschen nach Gattaca.

Gattaca zeigt mal wieder: Es ist nicht „Imagine the future and remember the past", sondern andersherum „imagine the past and remember the future". Menschen erinnern sich an Zukunftsvisionen aus Filmen und Büchern, statt sich die Zukunft selbst auszumalen, wie sie sein sollte.

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David Pearce auf dem TOA Festival in Berlin. Bild: Jan Vollmer

Würde sich daraus nicht eine neue Elite entwickeln? Die die sich die Entwicklung leisten können und der Rest?

Menschen ist Technologie sehr wichtig. Viele Menschen in Afrika haben nicht genug zu essen, aber quatschen fröhlich durch ihre iPhones. Und wenn die Technik erstmal da ist und sich ausbreitet, wird sie auch günstiger. Wenn es eine Kopie von MS-Word in Thailand gibt, kursiert sie gleich im ganzen Land. Information will frei sein, das betrifft auch die genetische Information. Natürlich dauert es immer ein paar Jahre, bis eine Technik überall ist—aber das ist ziemlich nebensächlich im großen Kontext.

Wenn wir alle negativen Gefühle ausschalten, schalten wir dann nicht auch unser Mitleid aus?

Ecstasy hat ja auch zwei Effekte: Euphorie und eine unglaublich tiefe Empathie für andere Menschen. Natürlich kann Ecstasy neurotoxisch sein, vor allem oft in größeren Dosen genommen. Chronisch auf MDMA zu sein ist nicht die Lösung zu den Problemen der Welt. Wir könnten sichere, nachhaltigere, länger wirkende Formen von MDMA entwickeln.

Wir könnten auch nichtmenschliche Tiere so verändern, dass sie kein Fleisch mehr essen.

Hast du mal MDMA probiert?

Als gesetzestreuer Bürger würde ich nicht einmal davon Träumen.

Warum nennst du Menschen 'Organic Robots'?

Ich will uns damit nicht entmenschlichen. In dem ich uns Roboter nenne, meine ich, dass wir Mechanismen sind, in die man auch mechanisch eingreifen kann.

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All die genetischen Verbesserungspläne erinnern mich ein bisschen an die Rassenbiologie der Nazis.

Die Frage ist, ob man Genetik für das Wohl aller Lebewesen einsetzen will, oder für das Wohlergehen einer Herrschaftsrasse. Die Nazis hatten einen sozialdarwinistischen Ansatz, wohingegen wir uns für alle Lebewesen einsetzen. Das ist so weit weg von der Rassenpolitik des dritten Reichs, wie du es dir nur vorstellen kannst.

Ein weiterer Punkt meiner Studien ist, wie wir die Ausbeutung von nichtmenschlichen Tieren beenden können. Entweder, in dem wir alle vegan werden oder nur noch In-vitro-Fleisch essen. Wir könnten auch nichtmenschliche Tiere so verändern, dass sie kein Fleisch mehr essen.

Was aber, wenn Jäger und gejagte lieber jagen und gejagt werden möchten?

Grundsätzlich, mit ein, zwei Ausnahmen, streben Lebewesen nicht danach, verletzt zu werden. Es gibt weder eine Rasse noch eine Spezies, die gerne lebendig gefressen wird. Man muss keine Angst haben, dabei menschliche Maßstäbe bei Tieren anzulegen.

Warum sollten wir die Verantwortung für das wohlergehen wilder Tiere übernehmen?

Weil wir die Welt kontrollieren. Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts wird jeder Meter dieser Welt genaustens erfasst und kontrollierbar sein. Mit dieser gottgleichen Macht kommt eben auch gottgleiche Verantwortung. Die Frage ist dann nur, wie wir in Zukunft unserer Wildparks gestalten wollen. Tiere könnten da frei Leben, aber den Horror des Darwinismus könnten wir ihnen ja ersparen.