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Chicago

RP Boo über Footwork, Chicago und sein neues Album auf Planet Mu

Außerdem kannst du deine Netzhaut mit dem exklusiven Video zu „Your Choice“ trainieren—einem Track des anstehenden ‚Fingers, Bank Pads & Shoe Prints'
Wills Glasspiegel

Das letzte Mal, als ich RP Boo gesehen hatte, machte er fröhlich Selfies von sich, während er zum ersten Mal in seinem Leben die Brooklyn Bridge überquerte. Das war im Sommer 2013 und RP war gerade von seinem Job bei Lowe's, einer Baumarktkette, gefeuert worden. Er war hier, um seine erste Show in New York zu spielen—ein auch vor zwei Jahren schon längst überfälliges Ereignis, wenn man bedenkt, dass er gemeinhin als einer der Erfinder von Footwork gilt, dem hyperkinetischen, Sample-lastigen Genre, zu dem die verschiedenen Tanz-Crews in Chicago gegeneinander antreten.

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In den beiden Jahren seit unserer letzten Begegnung ist Footwork richtig groß geworden. Teklife, das Kollektiv mit dem auch RP verbandelt ist, wurde zu einer wahren Instanz in Undergroundkreisen mit besten Kontakten zu dem britischen Label Hyperdub und Ablegern bis hin nach Belgrad. Viele der Chicagoer OGs sind um die halbe Welt getourt und haben auf Festivals wie dem Unsound in Krakau, dem Decibel in Seattle und dem NRML in Monterrey gespielt.

Hier ist das Video zu „Your Choice" von RP Boos neustem Album Fingers, Bank Pads & Shoe Prints

Zwei auf Planet Mu erschienene Footwork-Compilations, Bangs & Works Vol. 1 und 2, gelten heute als Klassiker. Und während die Szene immer noch dabei ist, den Tod des Footwork-Pioniers DJ Rashad zu verarbeiten, führen neue Producer(innen!) wie die in Indiana lebende Jlin den Sound in eine neue, aufregende Richtung.

Als eine der Mitbegründer des modernen Footwork nimmt RP Boo einen besonderen Platz Geschichte ein. Sein Debütalbum von 2013 trug den Namen Legacy, ein Titel der die Aufmerksamkeit einerseits auf seine Rolle als Urvater (sein 1997er Track „Baby Come On" wird als der erste Footwork Track überhaupt angesehen—und gehört auch immer noch zu den besten) und gleichzeitig die dunkle Geschichte des Genres lenkt. Auch mit einer weiteren EP auf Planet Mu mit dem Titel Classics fuhr RP damit fort, sich mit den Ursprüngen des Footwork auseinanderzusetzen. Dort verband er das Genre mit seinen Vorgängern: Chicago Ghetto House und Juke. (RP sagt mir später, dass Classics ursprünglich Correct Gaps heißen sollte.)

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In anderen Worten, bei RP hat sich einiges getan, seit er damit aufgehört hat, Regale bei Lowe's einzuräumen. Als er mir aber die Tür zu seinem Airbnb-Appartement in Brooklyn öffnet, wo er später in der Nacht zusammen mit DJ Spinn und Traxman eine Show unter dem Banner „Fathers of Footwork" spielen wird, hat er immer noch das gleiche breite Grinsen im Gesicht wie vor zwei Jahren, als über die Brooklyn Bridge lief. Wir nehmen in dem spartanisch ausgestatteten Wohnzimmer Platz. Alle paar Minuten wird unsere Unterhaltung von dem Gerumpel der vorbeifahrenden Züge übertönt, aber RP scheint das nicht zu stören. Ich frage ihn, wie er sich angesichts seines späten Erfolgs fühlt. Seine Antwort hat schon beinahe etwas von Zen Buddhismus: „Nachdem ich 40 geworden war, begann sich alles zu ändern. Ich habe es davor nicht verstanden, aber es war die richtige Zeit. Es lag nicht in meiner Macht und ich war vorherbestimmt, das zu tun. Und das ist Weisheit."

Foto von

Wills Glasspiegel

Nächsten Monat wir RP sein nächstes Album über Planet Mu veröffentlichen. Es trägt den Titel Fingers, Bank Pads & Shoe Prints. Ursprünglich hatte er das Album einfach Masterpiece nennen wollen—als logische Fortführung von Legacy und Classics. Er entschied sich dann aber letztendlich doch für einen Titel, der all das zusammenfasst, was Footwork für ihn bedeutet: „Die Pads, die man auf dem Drumset antippt, und die Schuhabdrücke, die auf dem Boden zurückbleiben, wenn alles andere schon wieder vorbei ist."

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Fingers vereint neue Tracks, die nach Legacy entstanden sind, und ältere Tracks, die RP in den späten 90ern gemacht hat. In dieser Hinsicht ist es im Ansatz gar nicht so weit von Classics entfernt. Auch hier versucht er wieder, Footwork in seinen breiteren musikalischen Kontext einzuordnen. „Bei der Classics EP hat Mike [Paradinas, der Gründer von Planet Mu] die Leute auf der ganzen Welt gefragt, wo Footwork eigentlich herkommt", sagt RP. „Wir hatten nämlich gemerkt, dass [das bahnbrechende Chicago Ghetto House Label] Dance Mania zu einer gewissen Zeit aufgehört hatte, und wir etwa zur gleichen Zeit aufgetaucht waren—aber es gab eine Lücke. Irgendwas fehlte."

Das letzte Mal, als ich RP Boo gesehen hatte, machte er fröhlich Selfies von sich, während er zum ersten Mal in seinem Leben die Brooklyn Bridge überquerte. Das war im Sommer 2013 und RP war gerade von seinem Job bei Lowe's, einer Baumarktkette, gefeuert worden. Er war hier, um seine erste Show in New York zu spielen—ein auch vor zwei Jahren schon längst überfälliges Ereignis, wenn man bedenkt, dass er gemeinhin als einer der Erfinder von Footwork gilt, dem hyperkinetischen, Sample-lastigen Genre, zu dem die verschiedenen Tanz-Crews in Chicago gegeneinander antreten.

In den beiden Jahren seit unserer letzten Begegnung ist Footwork richtig groß geworden. Teklife, das Kollektiv mit dem auch RP verbandelt ist, wurde zu einer wahren Instanz in Undergroundkreisen mit besten Kontakten zu dem britischen Label Hyperdub und Ablegern bis hin nach Belgrad. Viele der Chicagoer OGs sind um die halbe Welt getourt und haben auf Festivals wie dem Unsound in Krakau, dem Decibel in Seattle und dem NRML in Monterrey gespielt.

Hier ist das Video zu „Your Choice" von RP Boos neustem Album Fingers, Bank Pads & Shoe Prints

Zwei auf Planet Mu erschienene Footwork-Compilations, Bangs & Works Vol. 1 und 2, gelten heute als Klassiker. Und während die Szene immer noch dabei ist, den Tod des Footwork-Pioniers DJ Rashad zu verarbeiten, führen neue Producer(innen!) wie die in Indiana lebende Jlin den Sound in eine neue, aufregende Richtung.

Als eine der Mitbegründer des modernen Footwork nimmt RP Boo einen besonderen Platz Geschichte ein. Sein Debütalbum von 2013 trug den Namen Legacy, ein Titel der die Aufmerksamkeit einerseits auf seine Rolle als Urvater (sein 1997er Track „Baby Come On" wird als der erste Footwork Track überhaupt angesehen—und gehört auch immer noch zu den besten) und gleichzeitig die dunkle Geschichte des Genres lenkt. Auch mit einer weiteren EP auf Planet Mu mit dem Titel Classics fuhr RP damit fort, sich mit den Ursprüngen des Footwork auseinanderzusetzen. Dort verband er das Genre mit seinen Vorgängern: Chicago Ghetto House und Juke. (RP sagt mir später, dass Classics ursprünglich Correct Gaps heißen sollte.)

In anderen Worten, bei RP hat sich einiges getan, seit er damit aufgehört hat, Regale bei Lowe's einzuräumen. Als er mir aber die Tür zu seinem Airbnb-Appartement in Brooklyn öffnet, wo er später in der Nacht zusammen mit DJ Spinn und Traxman eine Show unter dem Banner „Fathers of Footwork" spielen wird, hat er immer noch das gleiche breite Grinsen im Gesicht wie vor zwei Jahren, als über die Brooklyn Bridge lief. Wir nehmen in dem spartanisch ausgestatteten Wohnzimmer Platz. Alle paar Minuten wird unsere Unterhaltung von dem Gerumpel der vorbeifahrenden Züge übertönt, aber RP scheint das nicht zu stören. Ich frage ihn, wie er sich angesichts seines späten Erfolgs fühlt. Seine Antwort hat schon beinahe etwas von Zen Buddhismus: „Nachdem ich 40 geworden war, begann sich alles zu ändern. Ich habe es davor nicht verstanden, aber es war die richtige Zeit. Es lag nicht in meiner Macht und ich war vorherbestimmt, das zu tun. Und das ist Weisheit."

Foto von

Wills Glasspiegel

Nächsten Monat wir RP sein nächstes Album über Planet Mu veröffentlichen. Es trägt den Titel Fingers, Bank Pads & Shoe Prints. Ursprünglich hatte er das Album einfach Masterpiece nennen wollen—als logische Fortführung von Legacy und Classics. Er entschied sich dann aber letztendlich doch für einen Titel, der all das zusammenfasst, was Footwork für ihn bedeutet: „Die Pads, die man auf dem Drumset antippt, und die Schuhabdrücke, die auf dem Boden zurückbleiben, wenn alles andere schon wieder vorbei ist."

Fingers vereint neue Tracks, die nach Legacy entstanden sind, und ältere Tracks, die RP in den späten 90ern gemacht hat. In dieser Hinsicht ist es im Ansatz gar nicht so weit von Classics entfernt. Auch hier versucht er wieder, Footwork in seinen breiteren musikalischen Kontext einzuordnen. „Bei der Classics EP hat Mike [Paradinas, der Gründer von Planet Mu] die Leute auf der ganzen Welt gefragt, wo Footwork eigentlich herkommt", sagt RP. „Wir hatten nämlich gemerkt, dass [das bahnbrechende Chicago Ghetto House Label] Dance Mania zu einer gewissen Zeit aufgehört hatte, und wir etwa zur gleichen Zeit aufgetaucht waren—aber es gab eine Lücke. Irgendwas fehlte."

Außerhalb Chicagos wurden die Menschen zum ersten Mal durch die YouTube-Videos der Dance-Battles auf Footwork aufmerksam. „Als Social Media mit ins Spiel kam, konnten wir unsere Tracks endlich einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Endlich war Footwork überall, nicht mehr dieser Booty-House", erinnert sich RP. „Aber Dance Mania und Booty House wurden wieder groß. Das war nämlich das Zeug, von dem wir inspiriert worden ware,n und wir spielten das immer bei unseren Shows im Hintergrund."

„Ich habe nicht plötzlich einfach Footwork gemacht. Menschen brauchen mich als Inspiration genau so, wie ich auf DJ Deeon angewiesen bin—den Pionier des Ghetto House."

RP machte Ghetto House zu Footwork, indem er den Groove von einer Four-to-the-Floor-Symmetrie zu einem polyrhythmischen Teppich verwandelte. Mehrere übereinander gelagerte Rhythmen sind auch immer noch ein Markenzeichen von RP Boos Sound—eins das auf der einfachen Tatsache beruht, dass er damals nicht über die nötigen Werkzeuge verfügte. „Alles wurde auf einem Roland R70 Drumcomputer und einem Akai S01 gemacht. Damals brauchte man einen Chip für zusätzlichen Speicher und Samplezeit. Den hatte ich aber nie, also musste ich es trotzdem irgendwie hinbekommen. Da ich wusste, was ich verwenden wollte und wie man es benutzt, konnte ich das Beste aus dem rausholen, was ich hatte. Das war war beschränkt, aber ich wusste, dass ich nach meinen Möglichkeiten das Beste getan hatte."

RP Boo mit Traxman und DJ Spinn bei der „Fathers of Footwork"-Show in Brooklyn (Foto von der Autorin)

Seine ausgefallene Synkopierung zieht sich auch komplett durch Fingers, zeigt sich aber am deutlichsten in älteren Tracks wie „Your Choice" (zu dem es ein wundervoll-abstraktes Video gibt, das wir euch hier oben exklusiv präsentieren) und „Bang'n On King Dr"—beide stammen aus den 90ern. Letzteres ist eine Hommage an den Dr. Martin Luther King Jr. Drive in Chicagos South Side—eine Straße, die sich fast 25 Kilometer durch die schwarzen Gegenden der Stadt zieht. Jedes Jahr findet dort die älteste afro-amerikanische Parade statt—eine Tradition, die der Footwork Szene in Chicago ebenfalls zuträglich war. „Am Ende dieser Parade befindet sich ein Park. Wir sind immer dahin, haben dort ein BBQ gemacht und getanzt", erzählt RP—deswegen auch die Zeile, „in the park we battle" die über abgehackte Samples von Hausnummern geloopt wird.

RP behauptet, er sei der erste gewesen, der Mitte der 90er bei dieser Parade aufgelegt hatte. „Ich sah, wie sich die House-O-Matics [eine Dance-Crew aus Chicago, der RP Boo, Spinn und Rashad angehörten und quasi Vorläufer von Teklife] mit House-Musik der Parade anschlossen und dachte mir nur, ‚die sehen cool aus'", erinnert er sich. „Zwei Jahre später traf ich den Präsidenten Ronnie Sloan und er fragte, ‚Hey, kannst du für mich bei der Parade auflegen?'"

Tracks wie „Sleepy", „Bang'n On King Drive" und „Heat From Us" feierten ihr Debüt während RP's DJ-Sets auf diesen Paraden, bevor sie dann auf dem neuen Album wieder auftauchten. „Ich stand auf diesem Tieflader mit Turntables und Boxen drauf. Das gibt es dort bis heute. Ich habe damit angefangen", sagt er.

Foto von Wills Glasspiegel

Auch wenn vieles auf Fingers eine Erinnerung an die prägenden Jahre des Footwork ist, gibt es darauf auch neuere Tracks, mit denen RP das Geschehen von heute kommentiert. Auf „Finish Line D'jayz" wiederholt sich der Refrain „motherfuck your favorite DJ" wieder und wieder und verwandelt sich dadurch zu dieser drohenden Formel gegen das Konkurrenzdenken und die Grabenkämpfe innerhalb der immer noch wachsenden Footwor-Szene von Chicago.

Als ich RP frage, was er über die Globalisierung von Footwork und die (zwangsläufig damit einhergehenden) Vorwürfe kultureller Aneignung denkt, sagt er nur, „Es gibt keinen Hass außerhalb von Chicago. Das sind die Insider. Die Outsider wollen Storys hören und es ist traurig, ihnen dann Dinge sagen zu müssen, die sie eigentlich nicht hören wollen—die ganze Negativität." Er rattert eine ganze Liste an Spannungen und Rivalitäten zwischen diversen lokalen DJs runter, die ich hier jetzt aber nicht wiedergeben werde, um die Stimmung nicht weiter anzuheizen. „Es gibt einfach zu viel Getue. Warum haben wir jetzt ein Problem mit dieser Person? Ich habe nichts gesagt und ich will mich da auch überhaupt nicht einmischen", fasst er internen Querelen zusammen, bevor wir das Thema wechseln und uns der Zukunft zuwenden. „Jetzt gerade verhandle ich mit potenziellen Labels und ich will einfach so akzeptiert werden, wie ich bin. Ich will ihnen vertrauen können und loyal sein. Ihnen aber Macht zu geben—nur eingeschränkt. In dieser Welt gibt es keine Garantie für gar nichts."

Noisey: Wie sehr dürfen wir uns die Kultur von anderen aneignen?

Als ein weiterer Zug draußen am Fenster vorbeirauscht, streckt sich RP und steht auf. Er hat sich vorgenommen, vor seiner Show wieder über die Brooklyn Bridge zu laufen—ein Ausflug, der, wie er mir sagt, zu einem kleinen Ritual seiner New York Besuche geworden ist. Bevor sich unsere Wege an diesem warmen Sommerabend trennen, gibt er mir noch einen Gedanken mit auf den Weg: „Mein Lächeln ist immer ehrlich. Das ist keine Angeberei—aber wenn ich das mit Mitte 40 machen kann, dann gebt nicht auf. Rashad war kein Jesus und ich genau so wenig."

RP Boo ist bei SoundCloud // Facebook // Twitter

Folgt Michelle Lhooq auf Twitter.

**

Folgt THUMP auf Facebook und Twitter.

Außerhalb Chicagos wurden die Menschen zum ersten Mal durch die YouTube-Videos der Dance-Battles auf Footwork aufmerksam. „Als Social Media mit ins Spiel kam, konnten wir unsere Tracks endlich einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Endlich war Footwork überall, nicht mehr dieser Booty-House", erinnert sich RP. „Aber Dance Mania und Booty House wurden wieder groß. Das war nämlich das Zeug, von dem wir inspiriert worden ware,n und wir spielten das immer bei unseren Shows im Hintergrund."

„Ich habe nicht plötzlich einfach Footwork gemacht. Menschen brauchen mich als Inspiration genau so, wie ich auf DJ Deeon angewiesen bin—den Pionier des Ghetto House."

RP machte Ghetto House zu Footwork, indem er den Groove von einer Four-to-the-Floor-Symmetrie zu einem polyrhythmischen Teppich verwandelte. Mehrere übereinander gelagerte Rhythmen sind auch immer noch ein Markenzeichen von RP Boos Sound—eins das auf der einfachen Tatsache beruht, dass er damals nicht über die nötigen Werkzeuge verfügte. „Alles wurde auf einem Roland R70 Drumcomputer und einem Akai S01 gemacht. Damals brauchte man einen Chip für zusätzlichen Speicher und Samplezeit. Den hatte ich aber nie, also musste ich es trotzdem irgendwie hinbekommen. Da ich wusste, was ich verwenden wollte und wie man es benutzt, konnte ich das Beste aus dem rausholen, was ich hatte. Das war war beschränkt, aber ich wusste, dass ich nach meinen Möglichkeiten das Beste getan hatte."

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RP Boo mit Traxman und DJ Spinn bei der „Fathers of Footwork"-Show in Brooklyn (Foto von der Autorin)

Seine ausgefallene Synkopierung zieht sich auch komplett durch Fingers, zeigt sich aber am deutlichsten in älteren Tracks wie „Your Choice" (zu dem es ein wundervoll-abstraktes Video gibt, das wir euch hier oben exklusiv präsentieren) und „Bang'n On King Dr"—beide stammen aus den 90ern. Letzteres ist eine Hommage an den Dr. Martin Luther King Jr. Drive in Chicagos South Side—eine Straße, die sich fast 25 Kilometer durch die schwarzen Gegenden der Stadt zieht. Jedes Jahr findet dort die älteste afro-amerikanische Parade statt—eine Tradition, die der Footwork Szene in Chicago ebenfalls zuträglich war. „Am Ende dieser Parade befindet sich ein Park. Wir sind immer dahin, haben dort ein BBQ gemacht und getanzt", erzählt RP—deswegen auch die Zeile, „in the park we battle" die über abgehackte Samples von Hausnummern geloopt wird.

RP behauptet, er sei der erste gewesen, der Mitte der 90er bei dieser Parade aufgelegt hatte. „Ich sah, wie sich die House-O-Matics [eine Dance-Crew aus Chicago, der RP Boo, Spinn und Rashad angehörten und quasi Vorläufer von Teklife] mit House-Musik der Parade anschlossen und dachte mir nur, ‚die sehen cool aus'", erinnert er sich. „Zwei Jahre später traf ich den Präsidenten Ronnie Sloan und er fragte, ‚Hey, kannst du für mich bei der Parade auflegen?'"

Tracks wie „Sleepy", „Bang'n On King Drive" und „Heat From Us" feierten ihr Debüt während RP's DJ-Sets auf diesen Paraden, bevor sie dann auf dem neuen Album wieder auftauchten. „Ich stand auf diesem Tieflader mit Turntables und Boxen drauf. Das gibt es dort bis heute. Ich habe damit angefangen", sagt er.

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Foto von Wills Glasspiegel

Auch wenn vieles auf Fingers eine Erinnerung an die prägenden Jahre des Footwork ist, gibt es darauf auch neuere Tracks, mit denen RP das Geschehen von heute kommentiert. Auf „Finish Line D'jayz" wiederholt sich der Refrain „motherfuck your favorite DJ" wieder und wieder und verwandelt sich dadurch zu dieser drohenden Formel gegen das Konkurrenzdenken und die Grabenkämpfe innerhalb der immer noch wachsenden Footwor-Szene von Chicago.

Als ich RP frage, was er über die Globalisierung von Footwork und die (zwangsläufig damit einhergehenden) Vorwürfe kultureller Aneignung denkt, sagt er nur, „Es gibt keinen Hass außerhalb von Chicago. Das sind die Insider. Die Outsider wollen Storys hören und es ist traurig, ihnen dann Dinge sagen zu müssen, die sie eigentlich nicht hören wollen—die ganze Negativität." Er rattert eine ganze Liste an Spannungen und Rivalitäten zwischen diversen lokalen DJs runter, die ich hier jetzt aber nicht wiedergeben werde, um die Stimmung nicht weiter anzuheizen. „Es gibt einfach zu viel Getue. Warum haben wir jetzt ein Problem mit dieser Person? Ich habe nichts gesagt und ich will mich da auch überhaupt nicht einmischen", fasst er internen Querelen zusammen, bevor wir das Thema wechseln und uns der Zukunft zuwenden. „Jetzt gerade verhandle ich mit potenziellen Labels und ich will einfach so akzeptiert werden, wie ich bin. Ich will ihnen vertrauen können und loyal sein. Ihnen aber Macht zu geben—nur eingeschränkt. In dieser Welt gibt es keine Garantie für gar nichts."

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Als ein weiterer Zug draußen am Fenster vorbeirauscht, streckt sich RP und steht auf. Er hat sich vorgenommen, vor seiner Show wieder über die Brooklyn Bridge zu laufen—ein Ausflug, der, wie er mir sagt, zu einem kleinen Ritual seiner New York Besuche geworden ist. Bevor sich unsere Wege an diesem warmen Sommerabend trennen, gibt er mir noch einen Gedanken mit auf den Weg: „Mein Lächeln ist immer ehrlich. Das ist keine Angeberei—aber wenn ich das mit Mitte 40 machen kann, dann gebt nicht auf. Rashad war kein Jesus und ich genau so wenig."

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