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deep dives

Helena Hauff flüstert dir mit ihrem neuen Album ‚Discreet Desires‘ analogen Techno ins Ohr

Streame „Tryst“ aus Hauffs Debütalbum, bei Actress’ Werkdiscs und Ninja Tune.
Katja Ruge

Es ist vier Uhr nachmittags in Hamburg und Helena Hauff ist nach einer langen Nacht Billard spielen mit einem leichten Kater aufgewacht. Mit ihrem Debütalbum Discreet Desires, das diesen Herbst bei Werkdiscs (dem Label von Actress) und Ninja Tune erscheinen wird, ­bereitet sich die deutsche Produzentin und DJ auf den Release vor, indem sie genau das Gegenteil von dem tut, was andere machen würden—nachdem sie im Sommer ausgiebig auf Tour war, hat sie sich fast den ganzen September freigenommen, um Urlaub zu machen und daheim an mehr Musik zu arbeiten.

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„Um ehrlich zu sein, ich denke nie: Ich bringe ein Album raus, also muss ich viel Planen und auf Tour gehen", sinniert Hauff. „Ich glaube nicht, dass das einen Unterschied macht. Außerdem verstehe ich nicht, wieso man im Sommer keine Tracks releasen möchte. Ich verstehe und benutze diese industriefokussierten Möglichkeiten nicht."

Hauffs Rohheit und ihre leicht punkige Einstellung zur Musik kommen in Discreet Desires' Technik zur Geltung. Die zehn Lieder erforschen ein schattiges, elektronisches Hinterland durch die relativ eingeschränkte Palette weniger alter Roland-Synthesizer und Drum Machines: ein TR-808, ein TR-707, ein Juno-60 und ein Alpha Juno 2. Im Pressematerial des Albums erklärt Hauff ihre symbiotische Beziehung zu diesen Instrumenten: „Es fühlt sich mehr one-to-one an—du machst etwas und die Maschine reagiert. Die Maschine hat auch ihren eigenen Kopf, also gibt sie etwas zurück."

Hör dir „Tryst" aus Discreet Desires an:

In Ihrem Schlafzimmerstudio aufgenommen und improvisiert, hat Discreet Desires eine handbearbeitete Soundpalette, die Hauff erklärt: „Perfektion ist ziemlich langweilig und existiert sowieso nicht wirklich … außer im Tod. Der Tod ist perfekt." Zusätzlich legte sie den extrem zusammenhängenden Sound des Albums an einem Foto fest, das ihr als Inspiration diente—schwarzweiße Figuren, deren Augen halb geöffnet oder geschlossen sind, ein ähnliches Bild und Atmosphäre wie auf dem Album Cover. „Das Bild hat eine Stimmung heraufbeschworen, die ich Ende 2013 in ein Lied umsetzen wollte", erinnert sie sich. „Ich habe damals nicht darüber nachgedacht, ein Album zu machen. Ich produzierte lediglich den Track „Sworn to Secrecy Part II", der der Stimmung in meinem Kopf gerecht wurde. Dann habe ich ein paar mehr Tracks mit diesem Foto als Richtlinie produziert und festgestellt, dass es mehr als nur eine EP ist und daraus ein Album wird."

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Album Art für 'Discreet Desires'

Von dem vorahnenden Flüstern und electro-gefärbten Bleeps in „Sworn to Secrecy Part II" bis zu den rasend perkussiven Angriffen und den treibenden Modulierungen von „L'Homme Mort"; Discreet Desires hat viele Einflüsse aus EBM, Industrial, Proto-Acid House und Techno. „Ich habe diese Sounds ins Album gebracht, weil ich diese Musik hauptsächlich auflege", erklärt Hauff. „Ich bin von jeder Menge Synthesizer aus den 80ern und von EBM Tracks inspiriert, aber ich liebe es auch, mir 90er Industrial, Acid Techno und Electro anzuhören. Jede Menge Psych und Acid Rock höre ich mir ebenfalls an."

Obwohl sie eine Handvoll Singles, EPs und ein Album auf Kassette veröffentlicht hat, welche einstimmig gut angekommen sind, macht Hauff schnell klar, dass das Auflegen von Platten ihr bevorzugtes kreatives Ventil ist. „Ich habe auch kein Verlangen, eine Liveshow aus meinen Produktionen zu machen", sagt sie. „Mein einziges Liveding ist mit [James Dean Browns kürzlich wiederbelebten legendären 1980er Drummaschinenprojekt] Hypnobeat, was so gut funktioniert, weil alles auf der Bühne improvisiert ist. Wir haben drei TR-808 und einen TR-707, die es zu einer rein rhythmischen Sache machen. Ähnlich, wie wenn ich meine eigene Musik mache, muss ich nichts ausprobieren und mir keine Melodien merken oder viel üben. Ich jamme einfach."

In Hamburg aufgewachsen, begann Hauffs Faszination mit DJing kurz nachdem sie angefangen hatte, in Clubs zu gehen. „Ich war zuerst von der Kunst, Songs über jeden beliebigen Sound zu spielen, begeistert", erinnert sie sich zurück. „Meine ersten Sets waren etwas mehr housezentriert als heute, aber es war auch harter Acid Techno dabei. Anfangs wurde ich von Electro-Tracks von AUX 88 und Drexciya angezogen und wusste nicht wirklich, wie 115 BPM-House-Tracks mit 135 BPM-Electro-Songs miteinander einhergehen können … später fand ich heraus, dass ich einfach mehr Techno spielen musste! (lacht)"

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Hauffs Sprung vom Auflegen zum Produzieren kam nach einer Reihe frustrierender, fehlgeschlagener Versuche von Software-Aufnahmen, die sie aus dem Konzept brachten. „Vor ein paar Jahren, kam ich an einen Punkt, an dem ich wusste, dass ich einen Weg finden musste, um Musik zu machen", entsinnt sie sich. „Ich verstand nicht, warum ich es nicht konnte und wusste, dass es einen Weg geben muss. Ein Freund hatte ein paar Synthesizer bei sich daheim, in die ich mich sofort verliebte, woraufhin ich ihm seinen TB-303 abkaufte. Kurz darauf habe ich mir eine MPC zugelegt, und gemerkt, dass ich die Maschinen brauche um es auf meine Art zu machen. Das war es… danach konnte ich nicht mehr aufhören!"

Hauff beschreibt mir aufgeregt, dass das Release von Discreet Desires bedeutet, dass sie endlich zur Musik zurückkehrt, abgesehen vom Auflegen als DJ und dem Verwalten ihres neuen Labels Return To Disorder, dessen erstes Release von der Psych Rock-Band Children Of Leir Anfang September erscheint. „Ich habe grade erst mein komplettes Equipment in meiner neuen Wohnung aufgebaut und möchte wieder anfangen. Diese LP musste einfach raus aus mir und es hat ein Jahr von der Entstehung bis zum Release gedauert. Ein Teil von mir fühlt sich, als ob ich eine Weile lang keine Musik mehr machen kann, weil es so lange gedauert hat, aber ein anderer Teil denkt, das ist nur eine Ausrede, damit ich sehr wirklich faul sein kann."

„Das ist es wahrscheinlich auch", folgert sie, „aber jetzt kommt es raus und ich bin bereit, an neuem Material zu arbeiten."

_Zara Wladawsky ist eine Musikproduzentin, Co-Erfinderin des Sustain-Release Festivals und der House- und Techno-Käufer bei Halcyon. Du solltest ihr auf Twitter folgen._