Ich war das erste Mal auf einer Wiener Hardstyle-Party, um Hardstyle zu verstehen

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Ich war das erste Mal auf einer Wiener Hardstyle-Party, um Hardstyle zu verstehen

Ihr dachtet Hardstyle klingt so wie David Guetta auf Meth? Ja, vielleicht ein bisschen. Aber das muss ja nichts Schlechtes sein.

#nüchtern. Alle Fotos von der Autorin.

Es gibt nicht viel auf dieser Welt, von dem ich noch weniger Ahnung habe als von Hardstyle. Gesunde Ernährung, Familienführung und Geldmanagement vielleicht, aber gleich danach kommt Hardstyle. Mit 15 war ich Mitläufer-Krocha, aber ohne wichtige Interpreten (außer Cascada) gekannt zu haben. Den Krocha-Tanz habe ich nie getanzt – nicht weil ich nicht wollte, sondern weil ich nicht konnte. Und so war meine gesamte Krocha-Karriere relativ kurz und erfolglos. Ich bin also in diesen Bericht ganz ohne Vorwissen reingegangen – so wie die Forscher damals bei den indigenen Völkern in Südamerika.

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Irgendwann im Zuge des Erwachsenwerdens kehrte ich zu HipHop zurück und empfand elektronische Musik als extrem eintönig, fad und primitiv. "Arschficksong" von Sido war OK, aber Dusty Kid war primitiv – man trifft in der Jugend nicht immer die besten Entscheidungen. Für mich gab es jedenfalls keinen Unterschied zwischen Techno, Goa, House und Tekk. Eines dunklen Tages in meinem Leben – als mir die Nichtigkeit des Lebens bewusst wurde – fing ich an, auf Goa-Festln zu gehen, fand mich paar Wochen später auf Techno-Partys wieder und ganze drei Mal auch auf illegalen Tekk-Festln. Ich würde sagen, dass ich seit jenem Tag zu fast jeder elektronischen Musikrichtung mindestens ein Mal fortgegangen bin – außer eben zu Hardstyle. Oder auch Jumpstyle, Hardcore, EDM und anderen nicht genannten Ausprägungen der elektronischen Musik.

Hardstyle-Festl habe ich mir immer wie Tekk-Festl vorgestellt: Eher Menschen, die gemeinhin als "Proleten" ein Begriff sind, die rekreativ am Wochenende in der Urlaubsdestination Bad Ketaloch verweilen und auch nüchtern ziemlich verwirrt sind. Was irgendwie auch wichtig ist, um Tekkno als Musik tatsächlich genießen können. Tekk fühlt und hört sich für mich an wie liebloser Blitzkrieg auf Crystal Meth. Wie ihr herauslesen könnt, habe ich auch keine Ahnung von der Tekk-Kultur, sondern nur typische Techno-Vorurteile. Trotzdem Props an Freetekk-Veranstalter, nur wenige Leute haben die Eier für illegale Partys. Und absolut nichts gegen Proleten, zu denen ich auch irgendwie gehöre. Die Musik pack ich halt trotzdem nicht ganz.

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Zurück zu Hardstyle. In meinem Kopf waren das halt auch Feste, die man gut auslassen kann. Da ich wirklich nicht einen Hauch einer Vorstellung von Hardstyle-Musik hatte, hab ich meine soziale Nahumgebung gefragt, welche berühmten Interpreten es in dem Bereich so gibt. Erste Erkenntnis: Niemand in meiner sozialen Nahumgebung hat Ahnung von Hardstyle, aber alle haben eine Meinung. Österreich-Flagge-Emoji.

Zweite Erkenntnis: Scooter wurde ganze drei Mal genannt. Das hat mir irgendwie die Augen geöffnet, weil ich bis dato Scooter in gar keinem Genre gesehen habe. Scooter hat für mich immer Scooter-Musik gemacht. Außerdem wurde ein Held aus meiner Jugend genannt: DJ Kloficker. Lange bevor es die Krocha-Bewegung gab, war ich Wettkampfschwimmerin und "Wie Alt Bist Du?" der Soundtrack meiner Wettkämpfe. Man konnte eigentlich schon damals treffsicher sagen, was aus diesem Kind eines Tages wird (= eine Ehrenfrau). Also bin ich eigentlich draufgekommen, dass ich Hardstyle – sofern es Hardstyle ist – wahrscheinlich eh mag. Beziehungsweise mochte.

Die Party, die ich mir ausgesucht habe, war im Viper-Room – eine Location, die ich auch noch nie aufgesucht habe. "We Love Hardstyle" hatte 1700 Interessierte und über 200 Zusagen – was für mich ein Anzeichen dafür war, dass es sich um eine bessere Hardstyle-Party handelt. Immerhin heißen im Technobereich 1200 Interessierte, dass es eine volle Party wird. Als Begleitung hatte ich zwei Freunde von mir dabei, die auch Techno-DJs sind.

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Put ya hands up in the air

Auch sie wollten sich aus Interesse mal so ein Hardstyle-Festl ansehen. Wie oft gibt es in unserem Alter noch Partys, die einen überraschen können? Spätestens ab 21 hat man doch irgendwie eh schon alles in verschiedensten Schattierungen gesehen. Wir sind zirka um 23:00 Uhr dort gewesen und haben davor mit Wodka vorgeglüht. Der Viper-Room ist eine Location auf der Landstraßer Hauptstraße und eine Mischung aus einem Bermuda-Dreieck-Kellerlokal und dem U4 anno 1985. Überall sind Graffiti-Tags und das Personal ist ur nett. Aber ganz besonders herauszustreichen ist die Anlage. Ich weiß nicht, ob die vom Lokal aus dort stand oder ob die Veranstalter sie mitgenommen haben: Der Sound war echt gut. Außerdem ist uns sofort die 80-20 Männerrelation aufgefallen und die nicht zu übersehbare Strobo- und Lichtshow. Obwohl um 23:00 Uhr naturgemäß die Party nicht so voll war, gab es trotzdem Nebelaction und ein ausführliches Lichtfest. Es war ein bisschen so, wie ich mir EDM-Festivals vorstelle, nur dass eben kaum Gesang in den Liedern war.

Die Party spaltete sofort die Gemüter meiner Begleitung. Einer Freundin von mir gefiel es so gut, dass sie sich sofort abkapselte und tanzen ging. Der andere Freund stand betroffen auf der Seite und ließ Sprüche à la "Das ist David Guetta auf Speed" los. Und ich muss schon sagen: Hardstyle ist wirklich eine ziemliche Hands-Up-Musik. Aber ich finde nicht, dass es eine Musik schlechter macht, wenn Leute dazu tatsächlich tanzen und feiern können – eher im Gegenteil. Und getanzt haben die Leute, obwohl die Party erst seit einer Stunde ging. Außerdem bin ich mir relativ sicher, dass ein David Guetta auf Speed einfach normale David Guetta-Musik macht.

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Ich habe mich auch auf die Musik eingelassen und habe auch vorne getanzt. Es hat Spaß gemacht. Es war überhaupt nicht wie ein Tekk-Festl. Die Männer hatten schwarze oder weiße Shirts an und die wenigen Mädels, die ich gesehen habe, sahen extrem jung aus und hatten Piercings im Gesicht. Mit ein paar habe ich am Klo gesprochen: Viele davon waren wie ich zum ersten Mal auf einer Hardstyle-Party. Ein Mädel hat erwähnt, dass sie sonst gern auf Tekk-Feste geht, weil da keine Ausweise kontrolliert werden. Ich habe lieber nicht nachgefragt, wie alt sie ist. Überhaupt war das Publikum eher jung.

Epileptiker hätten auf der Party keine Freude.

Übrigens habe ich keine Urlauber in Bad Ketaloch erblicken können. Zu lange konnte ich dann doch nicht bleiben, weil ein Teil meiner Begleitung eher belastet dreingeschaut hat. Aber es war wirklich lustig und ich kann mir ernsthaft vorstellen, auf andere Hardstyle-Feste zu gehen. Vielleicht nicht jedes Wochenende, aber sagen wir so alle drei Monate – warum nicht? Potenzielle Sexualpartner findet man dort eher nicht, aber um ehrlich zu sein, finde ich die auch in einer Grellen Forelle trotz oder wegen Wodka selten. Was man findet, ist eine ordentliche Portion Show. Samt den Gästen, die auf der Tanzfläche ordentlich Gas geben.

Da ist sich keiner zu cool – sie hüpfen, heben die Hände in the air und lassen die Sau raus. Das letzte Mal, als ich so viel Leben in Österreich auf einer Tanzfläche gesehen habe, gab es eine Razzia. Wenn ich an Techno-Partys denke, für die man genauso zehn Euro Eintritt zahlt und maximal das Garderoben-Licht als Rahmenprogramm geboten bekommt, wunder ich mich über den Hype nicht. Allerdings: Wenn Techno-Partys 1200 Interessierte auf Facebook haben, kann man sich um ein Uhr früh, schon eine kleine Traube vor der Tür erwarten – dem war bei der Party leider nicht so. Halbwegs voll wurde es trotzdem – was auch irgendwie egal ist, je weniger Leute da sind, desto besser kann man durch die Gegend hüpfen.

Fredi hat Twitter: @schla_wienerin

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