Männer mit Langhaarperücken und farbigen Leggings, Reiter in Uniformen und dekorierte Pferdewagen schieben sich Richtung Zürcher Bellevue. Der Soundtrack zur Szenerie: laute Marschmusik. Vor dem Opernhaus wartet das Ziel des Umzugs in Gestalt eines Schneemannes. Der Schneemann, "Böögg" genannt, gefüllt mit Holzwolle und Knallkörpern, wird auf einen Scheiterhaufen gestellt und angezündet. Er symbolisiert den Winter: Je schneller sein Kopf explodiert, desto schöner werde der Sommer. Das ist keine historische Reportage. Wir sind im Jahr 2017 und Zürich feiert das "Sechseläuten".
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"Es ist halt Tradition"
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Das erste Bier um 09:00 Uhr
Party im Kostüm
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Der Bodyguard im Zunftrock
Ein ganzer Arm voll Rosen
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Um seinen Hals hängt ein Fläschlein Jägermeister, wieviel Wein er heute getrunken habe, wisse er nicht mehr. Jedenfalls viel, es werde immer nachgeschenkt und er habe die Übersicht verloren. Gleich geht es weiter für Silvan: Der "Auszug" steht an. Die Zünfte besuchen sich gegenseitig in ihrem Zunfthaus. Die Zunft Witikon quetscht sich in zwei Extrabusse, musikalisch umrahmt von der Marschmusik und fährt nach Wollishofen. Nach dem Besuch bei zwei weiteren Zünften in der Innenstadt, trifft sich die Zunft wieder in der "Stube" für den Mitternachtssnack.
Die Sechseläuten-Nacht ist aber noch lange nicht fertig: Um 01:00 Uhr ziehen die Zünfte durch die Gassen und besuchen abermals andere Zünfte, aber nicht mehr als Zunfteinheit, sondern gemischt mit anderen Zunftmitgliedern. "Saubanner" heisst diese Aktion. Silvan ist seit zwölf Stunden auf den Beinen und hat viel Wein intus. Ich möchte wissen, ob er nicht langsam müde sei. "Jetzt habe ich das Tief überwunden und es geht steil bergauf", antwortet Silvan. Beeindruckend sind auch die älteren Herren. Sie sind immer noch auf den Beinen und diskutieren lautstark. "Sie sammeln das ganze Jahr Energie für das Sechseläuten", sagt Silvan. Er selbst gönnt sich den Morgen nach dem Sechseläuten frei, am Nachmittag bringt er das Kostüm in die Reinigung und macht Homeoffice.Seltsame Kostüme, platt gestampfte Pferdeäpfel auf den Zürcher Strassen und ganz viele betrunkene Männer mit Blumen in den Armen, der Sinn des "Sechseläuten" erschliesst sich mir auch aus unmittelbarer Nähe nicht ganz. Aber ein lustiges Bild gibt diese Chose allemal ab.VICE auf Facebook.