Wie du mit erotischen Kurzgeschichten Geld verdienen kannst
Illustration by Eleanor Doughty

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Wie du mit erotischen Kurzgeschichten Geld verdienen kannst

Von Dinosaurierpornos bis Alien-Romanzen—was die Autoren von selbstverlegten Erotika veröffentlichen, ist nur durch ihre eigene Vorstellung (und die Richtlinien von Amazon) begrenzt. Trotzdem stehen dem Markt mit den Fetischen anderer schwere Zeiten...

Sarah Sethline ist um die 30 Jahre alt und lebt an der Westküste der USA. Vor drei Jahren hat sie noch als eine einfache freie Autorin gearbeitet, inklusive dem überschaubaren Einkommen, was damit einhergeht. Eines Tages stieß sie bei Reddit auf einen Post von einem Typen, der behauptete, dass er ziemlich gut mit dem Schreiben von Erotika verdienen würde. Sethline hatte zwar ab und an mal einen Blick in die Schmuddelliteratur riskiert und vor Jahren auch schon mal selbst an ähnlichen Geschichten gearbeitet, allerdings noch nie ernsthaft darüber nachgedacht, damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

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„Mir war nicht einmal bewusst, dass Amazon Erotika verkauft, bevor ich anfing, selbst welche zu schreiben—und dabei habe ich seit Jahren darüber eingekauft", sagt sie mir in einer E-Mail.

Heute ist Sethline (ein Pseudonym) Autorin von mehr als 100 Geschichten und Angebotspaketen, die man sich über Amazon auf seinen Kindl herunterladen kann. Ihre Arbeit umfasst viele Themenbereiche: Biker, Schwangerschaftsfetischisten, schwules BDSM, erwachsene Windelträger und unzählige nahezu inzestuöse Geschichten (eindeutige Inzestgeschichten werden von Amazon nicht zugelassen). Angeboten werden Titel wie: „Betrügerische Schlampen MEGA PAKET: Kollektion aus 11 Büchern mit Geschichten über geile Huren", „Ungewollte, verbotene Schwangerschaft", „Schwarze Frau, weißer Ritter" oder „Ablaichen zur Rettung der außerirdischen Rasse". Mit ungefähr zehn selbstpublizierten Titeln pro Monat verdient sie heute mehr als je zuvor, wobei sie alle Arbeiten bei der Publikation selbst übernimmt—vom Design des Covers über das Schreiben des Klappentextes bis hin zur Optimierung der Suchbegriffe.

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„Aus finanzieller Sicht übertrifft das definitiv alles, was ich bisher gemacht habe", sagt sie, „aber ehrlich gesagt vermisse ich die Zeit, in der ich noch über andere Dinge außer Sex schreiben konnte."

Amazon ist die mit Abstand größte und wichtigste Plattform für selbstverlegte E-Books und verkauft laut der Verlagsdatenseite AuthorEarnings um die 19.000 Titel am Tag. Das entspricht rund 8,5 Millionen Euro im Jahr. Der Herausgeber der Seite schätzt, dass 80 Prozent der heruntergeladenen Erotika für Kindl von selbstverlegten Autoren geschrieben wurden. (Sethline sagt, ein Großteil ihrer Leser—darunter auch viele, die homosexuelle Titel kaufen—seien Frauen.)

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Der Markt für selbstverlegte Erotika hat die Arbeit für viele attraktiv gemacht—sowohl für Leute, die auf der Suche nach dem schnellen Geld sind, als auch für diejenigen, die selbst auf die Geschichten stehen. Aber kaum einer von ihnen kommt an den Erfolg von Sethline heran.

„Es ist schwierig, Geld damit zu verdienen, wenn man nicht wie ein skrupelloser Geschäftsmann denkt", sagt Randy Johnson in einer E-Mail. Johnson ist Moderator des Reddits eroticaauthors und ja, das ist ebenfalls ein Pseudonym. „Im Zweifel muss man über einen Fetisch schreiben, den man persönlich nicht nachvollziehen kann und man verbringt eine Menge Zeit damit, das Manuskript zu bearbeiten, Cover zu erstellen, die Social-Media-Kanäle zu betreuen usw.—es geht um mehr als nur das Schreiben."

Johnson sagt, dass Leser von Erotika, die zum Spaß selbst anfangen zu schreiben, normalerweise nicht besonders lang dabei bleiben. „In meinem Subreddit sagen viele immer, wie sehr sie das Genre lieben, aber die meisten machen es nur 30 bis 60 Tage lang", sagt er. „Das geht bereits seit Jahren so: Die meisten von ihnen hören wieder auf und werden durch noch mehr Neue ersetzt."

Es ist schwierig, wenn man nicht wie ein skrupelloser Geschäftsmann denkt.

Johnson selbst schreibt seit vier Jahren Erotika und hat mehr als eintausend Geschichten unter mehr als 50 verschiedenen Pseudonymen publiziert. Er arbeitet jeden Tag bis zu zehn Stunden an seinen Werken. Wenn er sich wirklich ins Zeug legt, schafft er an einem Tag zwei Geschichten mit 4.000 Wörtern oder eine Novelle mit 10.000.

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Bei so einem Umfang bedarf es allerdings auch einer gewissen Abwechslung. Johnson ist homosexuell, doch wie Sethline schreibt er Geschichten für alle Geschlechter und sexuellen Orientierungen. „Da gibt es eigentlich keinen so besonders großen Unterschied", sagt er. „Es geht mehr um die Nische, als um das Geschlecht. Ich finde es schwierig, Erotika über ABDL [Adult Baby Diaper Lover] zu schreiben—egal ob homosexuell oder heterosexuell. Das ist meiner Meinung nach so albern und unsinnig, dass es mir schwer fällt, auch nur so zu tun, als fände ich Windeln sexy. Aber die meisten anderen heterosexuellen Erotika gehen mir leicht von der Hand, selbst wenn ich mir dafür vorstellen muss, eine Vagina zu haben."

Nichtsdestotrotz versucht Johnson, manchmal auch über Themen zu schreiben, die ihn tatsächlich interessieren—wenn auch nicht unbedingt in sexueller Hinsicht. Beispielsweise interessiert sich Johnson für polynesische Kultur und hat deshalb eine Geschichte über eine Fa'afafine, ein Mitglied des „dritten Geschlechts" in der samoanischen Kultur, herausgebracht.

„Wie zu erwarten war, gibt es keinen besonders großen Absatzmarkt dafür (eigentlich gibt es überhaupt keinen Markt dafür), aber es ist schön, sich von Zeit zu Zeit auch mal mit etwas anderem zu beschäftigen", sagt er. „Außerdem kann man ja nie wissen, ob sich so etwas vielleicht nicht doch irgendwann wie ein Lauffeuer verbreitet. Vielleicht wird eine Fa'afafine eines Tages ein großer Hollywood-Star und plötzlich googeln Tausende nach Samoa."

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Unabhängig davon, was man so über Dinosaurierpornos liest, sagt Johnson, gibt es für Autoren wie Chuck Tingle (der für absurde Klassiker wie Mein Hintern wird von einem schwulen Einhornoberst heimgesucht, Ich wurde durch mein Konzept der linearen Zeitachse in den Arsch gefickt und die vor Kurzem für einen Hugo-Awards nominierte Geschichte Arschangriff der Weltraumraptoren bekannt wurde) eigentlich keinen wirklichen Absatzmarkt. Johnson sagt, es gäbe zwar tatsächlich so etwas wie Dinosaurierpornos—ein Genre, das anscheinend nur erfunden wurde, um Amazons Politik zum Verbot von Sodomie zu unterwandern, das sich nur auf lebende Spezies bezieht—, aber auch dafür gäbe es nicht wirklich viele Leser.

„Die überwiegende Mehrheit der Käufe [von Dinosaurierpornos] (was nicht besonders viele sind), sind Leute, die neugierig sind, weil es anders ist", sagt er. „Wenn es den Medienhype darum nicht gäbe, dann würden [die Bücher] wohl auch kein einziges Mal verkauft werden."

Dennoch wird durch das Schlupfloch, das von den sodomistischen Dinosaurierpornos ausgenutzt wird, ein weiteres wirklich wichtiges Problem deutlich, das jedem bekannt ist, der versucht, seinen Lebensunterhalt mit selbstverlegten Publikationen zu verdienen: Die Kontrolle, die Amazon über den Markt hat. Auch Apple und Barnes & Noble verkaufen unabhängig publizierte E-Books, aber der Herausgeber von AuthorEarnings schätzt, dass 85 Prozent der E-Book-Verkäufe—aus allen Genres; nicht nur den Erotika—von Amazon kommen. Zum Teil beherrscht das Unternehmen den Markt auch dadurch, dass es von den Autoren verlangt, dass sie ihre Werke exklusiv über Amazon vermarkten müssen, wenn sie Teil von Kindle Unlimited, Amazons Abodienst im Stil von Netflix, sein wollen.

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„Kindle Unlimited macht ungefähr 50 Prozent meines Einkommens aus und das wird auch anderen Autoren so gehen", sagt Amy Cooper, eine 30-jährige Frau aus Cincinnati im US-Bundesstaat Ohio, die seit eineinhalb Jahren Erotika schreibt und auch die Arbeit von anderen Autoren verlegt. (Im Übrigen ist Cooper ein Mann, der—wie viele andere auch—unter einem weiblichen Pseudonym schreibt, da Leserinnen lieber Erotika zu kaufen scheinen, die unter einem weiblichen Namen publiziert wurden.)

Durch die Veränderung des Vergütungssystems hat Amazon letzten Sommer bewiesen, wie leicht sie die Dynamiken des Selbstverlags beeinflussen können. Abgesehen davon, dass die Autoren einen signifikanten Anteil am Verkauf ihrer E-Books bekommen—bis zu 70 Prozent, wenn das Buch gewissen Richtlinien entspricht—, bekommen sie, wenn sie das Direct-Publishing-System von Kindl nutzen, auch einen kleinen Anteil aus einem Geldpool ausgezahlt, den das Unternehmen jeden Monat anlegt, um die kostenlosen Downloads durch Kindle Unlimited zu entschädigen. In der Vergangenheit bekam jeder Autor seinen Anteil basierend darauf, wie oft sein Buch von einem Nutzer von Kindle Unlimited kostenlos heruntergeladen wurde. Nach dem neuen System, das letzten Sommer gelauncht wurde, richtet sich die Auszahlung nun nach der Zahl der Seiten, die ein Nutzer zu lesen bekommt, nachdem er einen Titel heruntergeladen hat. Amazon erklärte damals, dass die Umstellung eine Reaktion auf Autoren von umfangreicheren Büchern war, die sich beschwert hatten, dass sie für einen Download über 500 Seiten genauso viel bekommen wie ein Autor von Kurzgeschichten mit nur 50 Seiten. Doch für die Autoren von Erotika, von denen viele von der Publikation zahlreicher Kurzgeschichten leben, war diese Umstellung ein Disaster.

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„Ich war natürlich begeistert, als mir vor einem Jahr per Mail mitgeteilt wurde, dass ich zukünftig 75 bis 90 Prozent weniger für meine Erotika bekommen würde", sagt Scarlett Skyes, eine 35-jährige Neuseeländerin, die ihre Vertriebskarriere für das Schreiben von Erotika 2012 an den Nagel gehängt hat und mittlerweile unter verschiedenen Pseudonymen auch ganze Romane schreibt. „Ich hatte Glück, dass ich schon damals angefangen habe, mein Angebot abwechslungsreicher zu gestalten, aber vielen Leuten hat diese Veränderung das Genick gebrochen."

Skyes, die ihr wahres Geschlecht nicht bekannt geben möchte, hat dagegen Probleme bekommen, als Amazon seine Regeln in Bezug auf die Inhalte geändert hat. Skyes ist spezialisiert auf Nischen wie „kaum noch legal/Jungfrauen/harter Sex/fragwürdiger Konsens/Pseudo-Inzest". Nach dem Beschluss der neuen Regelungen wurden auf einen Schlag drei Viertel ihrer Geschichten, die zuvor bereits zugelassen worden waren, von der Seite gelöscht.

Skyes hat den Eindruck, dass die Online-Händler zwar von den Erotika profitieren wollen, im Zweifelsfall aber nicht hinter ihren Autoren stehen. „Die Händler freuen sich, Autoren von Erotika den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen, indem sie behaupten, dass sie nicht wussten, welche Inhalte in ihren Shop hochgeladen wurden", sagt Skyes. „Vielleicht wird die nächste E-Mail dann die sein, die mir sagt, dass gestern der letzte Tag war, an dem ich meinen Lebensunterhalt mit dem Schreiben verdient habe."

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Erotika gehen mir leicht von der Hand, selbst wenn ich mir dafür vorstellen muss, eine Vagina zu haben.

Ally Anne, eine kalifornische Autorin Mitte 20, sagt, dass die veränderte Vergütungsstruktur von Amazon sie dazu gezwungen hat, von erotischen Kurzgeschichte zu längeren Science-Fiction-Liebesromanen überzugehen (An Aliens verkauft, Der Gefangene der Wasseraliens, Band 1 und 2—so etwas in der Art). Glücklicherweise mochte Enne Liebesromane sowieso lieber.

„Bei Erotika werden grundsätzlich in jeder Geschichte dieselben Sexszenen verwendet—nur in unterschiedlichen Variationen", sagt sie. „Bei Romanen kann ich ganze Welten um meine Geschichten aufbauen und Charaktere kreieren, die ich liebe."

Liebesromane haben eine sehr viel größere Leserschaft als Erotika. Und mit Amazons neuer Vergütungsstruktur, sagt Enne, ist es viel einfacher, gutes Geld mit dem Genre zu verdienen—vor allem, wenn man sich bereits eine Leserschaft aufgebaut hat. „Erotika sind mittlerweile der erste Schritt zum Liebesroman", sagt sie.

Doch auch das Liebesromangenre ist kein Job für Drückeberger. Enne sagt, dass sie üblicherweise jeden Monat zwei Romane oder Novellen schreibt. In den letzten 30 Tagen hat sie fast 100.000 Wörter geschrieben und zusätzlich noch den gesamten Publikationsprozess sowie die Öffentlichkeitsarbeit für ihre E-Books übernommen.

Trotz der harten Arbeit und der Unsicherheit, die trotz allem bleibt, hat der Berufsalltag von selbstpublizierenden Autoren auch Vorteile. Einer davon ist, wie Skyes sagt, dass man sich die Arbeitszeit absolut flexibel einteilen kann.

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„Vor Kurzem wurde meine Tante ziemlich krank", sagt Skyes. Das war an einem Montag und zunächst war nicht klar, wie ernst die Erkrankung war. Trotzdem hat Skye ihren Vater angerufen und ist mit ihm zwei Stunden zu ihrer Tante gefahren, um sie zu besuchen. Wie sich herausstellte, sollte dies der letzte Tag im Leben ihrer Tante sein. „Dank meiner Arbeit hatte mein Vater die Möglichkeit, seiner Schwester Lebewohl zu sagen. Hätte ich diese Entscheidung überhaupt treffen können, wenn mein Boss mich an diesem Morgen an meinem Schreibtisch erwartet hätte, um zu sehen, wie ich über das Telefon Kunden akquiriere? Ich glaube nicht."

Wenn es nicht gerade um Leben oder Tod geht, ist da noch die Befriedigung, in direktem Kontakt mit seiner Leserschaft zu kommen, von denen viele ganz wild darauf sind, Geschichten wie Seine kleine Prinzessin mal wieder oder Ich war ein Millionär auf Wereteen 3 zu lesen.

„Ich habe festgestellt, dass meine Leser die wundervollsten, respektvollsten und normalsten Menschen sind, die man sich vorstellen kann", sagt Skye. „Ich habe einmal eine E-Mail von einer netten älteren Frau bekommen, die mit ihrem Mann in einem Altersheim lebt und es liebt, ihm meine Geschichten vorzulesen. Es gibt überall Menschen, die sich an expliziten Erotika—von denen ich einige zu verantworten habe–erfreuen."