Die Kunst des Fleischerhandwerks muss gerettet werden

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Fleisch

Die Kunst des Fleischerhandwerks muss gerettet werden

Derzeit geht Wissen verloren, das man nicht in Büchern nachlesen kann.

Mit nur 14 Jahren ist Fleischexperte Marco Pauvert in die französischen Alpen gegangen, um dort fünf Jahre lang bei den besten der Zunft zu lernen. Dann reiste er um die Welt, um anderen dieses Handwerk beizubringen. Der Franzose ist mit den Fleischertraditionen verschiedenster Kulturen vertraut, von Marrakesch über Saudi Arabien bis nach Washington DC.

„Das Fleischerhandwerk ist eine fast verloren gegangene Kunst. Wenn man heute im Supermarkt nach einem bestimmten Cut fragt, haben die Leute hinter der Theke keine Ahnung", sagt Marco Pauvert. „Ich versuche, es den Köchen besser beizubringen. Ich liebe meinen Beruf, aber manchmal macht es mich traurig."

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Zusammen mit Michael Sullivan, der im Blackberry Farm gelernt hat, und Walter Manzke, der im République kocht, veranstaltet er einen exklusiven, zweitägigen Kurs, das Cure Camp, bei dem die Teilnehmer—alle aus der Gastronomie—, die Grundlagen und Feinheiten der Schlachtkunst und der Wurstherstellung beigebracht bekommt.

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Manzke, Sullivan und Pauvert sind überzeugt, dass die Kunst des Fleischerhandwerks überleben kann, wenn das Wissen fortwährend an alle weitergetragen wird. Alle Fotos von der Autorin

Die meisten Jungköche können heutzutage jedoch nicht einfach in die Alpen gehen wie Pauvert, um dort zu lernen. Auch wenn es im Internet unendlich viele Informationen gibt, bekommt man dort nicht die praktische Erfahrung, die einen echten Meister ausmachen.

Beim Cure Camp bekommen Köche jedoch genau diese Möglichkeit. In einem Hinterraum des République machen sie sich eifrig Notizen, während Sullivan erklärt, wie man Fleisch pökelt.

„Man gibt nicht einfach nur Salz zum Fleisch. Da passiert etwas Magisches. Ihr müsst verstehen, was Nitrate sind—und was nicht", erklärt Sullivan.

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Beim Cure Camp gab es für die kleinen Gruppen Vorträge, Vorführungen und Probeessen

Neben Vorträgen zu Salami und Wurst gibt es auch noch andere, zum Beispiel zur Trockenreifung, zu Terrinen, zum Zerlegen verschiedener Tiere—inklusive praktischer Vorführungen.

„Das sind alles ausgebildete Köche, doch viele Dinge kennen sie überhaupt nicht", meint Sullivan. „Was wir ihnen beibringen, kann man nicht in Büchern nachlesen. Ich mache das hier auch, weil ich gemerkt habe, dass es diesen Bedarf gibt."

Nach dem Vortrag geht die Gruppe nach unten, wo Pauvert voll in seinem Element ist. Er füllt ein Glas randvoll mit Rotwein, nimmt einen großen Schluck und zerlegtdann ein Hühnchen in nur 18 Sekunden. Seine Zuschauer halten jeden Schritt mit ihren Smartphones fest.

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Pauvert zeigt, wie die Wurst wirklich gemacht wird

„Die beiden sind die besten", meint Manzke über Pauvert und Saullivan. Die drei haben sich durch die Eventreihe Cochon 555 kennengelernt und wollten dann in L.A. das Cure Camp veranstalten. Dank ihres Sponsors Creekstone Farms konnten den zweitätigen Kurs komplett kostenlos anbieten—und sie selbst bekommen auch kein Geld dafür.

„Ich wollte einen Kurs für Leute machen, die wirklich einen Wissenshunger haben", erklärt Sullivan. „Den braucht man, wenn man diese verlorenen Techniken wiederbeleben will."

Die Köche, die sich um Pauvert versammeln—der im Übrigen gerade ein ganzesLamm zersägt—, sind definitiv hungrig nach Wissen. Die Nachfrage nach solcher Art von Kursen existiert eindeutig.

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Das Lamm wird ziemlich anschaulich zerlegt—ein kräftiger Schnitt durch den Schritt

„Oft—zumindest in Los Angeles und ich denke auch in vielen anderen Städten ist das so—denke ich als Koch vor allem daran, Personal zu sparen, Personal ist teuer. Und für so etwas hat man dann keine Zeit" meint Michael Hung vom Faith & Flower.

Wie Pauvert und Sullivan meinen, helfen Veranstaltungen wie das Cure Camp sogar noch, Kosten zu sparen.

„Ich bringe den Leuten bei, wie sie Geld verdienen. Wie sie aus einem Stück 10 Prozent mehr Gewinn schlagen", erklärt Marco Pauvert. „Ein Tier zu zerlegen ist ziemlich aufwendig, wenn man es nicht richtig macht, verdient man nichts."

Während Pauvert weiter sägt, spricht Sullivan in der Küche über verschiedene Cuts und was man mit ihnen machen kann.

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Sullivan hält eine Ode an den Lammnacken

„Wenn ich mich hier so umschaue, sehe ich Köche, die bestimmt erfahrener sind als ich, aber sie haben von den meisten dieser grundlegenden Technikennoch nichts gehört", meint Alex Jermasek, Küchenfleischer im Gwen, einem der neuen hippen Restaurants-Schrägstrich-Fleischereien in Los Angeles.

Seine Fleischerkarriere begann mit 18 in einer Fleischerei in Fairfax. In den ersten drei Monaten bekam er statt Geld Fleisch. Um Vollzeit als Fleischer zu arbeiten, hat er die Schule geschmissen, mittlerweile ist das acht Jahre her und jetzt steht er im Gwen hinter der Fleischtheke. Auch dank solcher Läden wird das Fleischerhandwerk vor dem Aussterben bewahrt. Diese handwerkliche Kunst kann eben auf verschiedene Weise gerettet werden.

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Pauvert zeigt, wie man ein Cordon Bleu aus Hühnerfleisch macht

Pauvert ruft mich zu sich und zeigt uns, wie man ein richtiges Cordon Bleu aus Hühnchenfleisch macht. „Mit Parmaschinken und Gruyère ist es wirklich lecker", meint er. „Aber meine Variante ist auch nicht schlecht."

Genauso wie beim Zerlegen des Hühnchens macht Pauvert auch die Cordon Bleus in einer rasanten Geschwindigkeit und trotzdem voller Eleganz. Einer der Köche flüstert nur „Holy Shit!", während Pauvert die Fleischkugel mit Fäden zusammenbindet.