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FPÖ

Wir haben uns angeschaut, wie sehr sich die FPÖ wirklich für direkte Demokratie einsetzt

Eigentlich hatte die FPÖ für Anfang 2016 eine Volksbefragung zur Änderung der Europäischen Menschenrechtskonvention angekündigt – einen entsprechenden Antrag gibt es bis heute nicht.

Titelfoto: derÄsthet| flickr| CC BY 2.0

Die direkte Demokratie in Form von Volksbefragungen und Volksabstimmungen ist eines der Lieblingsthemen der FPÖ. Regelmäßig fordern die Freiheitlichen zum Beispiel eine Volksabstimmung über den Euro-Austritt, den EU-Beitritt der Türkei, de Austritt aus Euratom, oder die finanzielle Unterstützung Griechenlands. Hinzu kommen zahlreiche Vorschläge für Volksbefragungen. Etwa zum Minarettverbot, zum Vorgehen Österreichs in der sogenannten Flüchtlingskrise oder zum Freihandelsabkommen CETA.

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Im August 2015 sorgte die FPÖ mit der Forderung nach einer "Österreichischen Menschenrechtskonvention", sollte es keine Änderung in der jetzigen europäischen Fassung geben, für Aufsehen. Mit dieser eigenen Menschenrechtskonvention wollten die Freiheitlichen das Menschenrecht auf Asyl neu definieren, da die derzeitige Regelung einen "Freifahrtsschein" darstelle, "wo man am Ende von einer Zuwanderwelle überrollt wird", so der FP-Generalsekretär Herbert Kickl gegenüber dem Kurier.

In ;einer Aussendung kündigte Kickl weiter an, dass die FPÖ gerade ein Volksbegehren "Österreich zuerst – Teil II" vorbereite, das neben der Änderung der Menschenrechtskonvention noch weitere Punkte beinhalte. 1992 hatte bereits Jörg Haider ein Volksbegehren unter dem Titel "Österreich zuerst" initiiert, das den liberalen Flügel der Partei an den Rand drängte und Asyl-Themen zum Kernthema der Freiheitlichen machte.

Es ist nicht immer ganz klar, was die FPÖ eigentlich genau meint, wenn sie mehr "direkte Demokratie" in Österreich fordert.

In Kickls Aussendung hieß es, das Volksbegehren sei für Anfang 2016 geplant und solle ein "patriotisches Paket" werden. Neben neuen Forderungen wie einer Asyl-Obergrenze, der Streichung von Homosexualität als Fluchtgrund und der Bevorzugung von christlichen Frauen und Kindern bei der Asylvergabe, sollte das Volksbegehren auch nicht erfüllte Forderungen von Haiders Initiative, wie zum Beispiel einem sektoralen Arbeitsverbot für Ausländer, beinhalten.

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Tatsächlich blieb es bei der einen Aussendung, einigen kurzen Medienberichten und einer Reaktion von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP), der Herbert Kickl als "Totengräber des Abendlandes" bezeichnete und von der europäischen Menschenrechtskonvention als einer der "wichtigsten kulturellen Leistungen der abendländischen Kultur" sprach. Zu einem Volksbegehren, einer Volksbefragung, oder gar einer Volksabstimmung kam es jedenfalls bis heute nicht. Auch ein entsprechender Antrag wurde von der FPÖ im Nationalrat nicht gestellt. Wahrscheinlich zweifelte sie schlussendlich selbst an der Mehrheitsfähigkeit eines solchen Vorschlags. Es ist jedenfalls nicht immer ganz klar, was die FPÖ eigentlich genau meint, wenn sie mehr "direkte Demokratie" in Österreich fordert.

Grundsätzlich muss man in Österreich zwischen einem Volksbegehren, einer Volksbefragung und einer Volksabstimmung unterscheiden. Ein Volksbegehren kann im Grunde jede x-beliebigen Person initiieren. Damit es erfolgreich ist, müssen die Initiatoren mit den Unterschriften von genügend Unterstützern (2017 sind das 8032 Unterschriften) einen Zulassungsantrag stellen. Wird dieser genehmigt, erfolgt das eigentliche Volksbegehren, bei dem innerhalb einer Woche 100.000 Unterschriften gesammelt werden müssen. Sammeln die Initiatoren genügend Unterschriften, muss der Nationalrat sich mit dem Gesetzesvorschlag oder dem Thema des Volksbegehrens befassen. Allerdings muss er aber keinen im Sinne des Volksbegehrens günstigen Gesetzesentwurf beschließen. Seit dem Jahr 2000 gab es 14 Volksbegehren.

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Das Ergebnis einer Volksbefragung ist für den Nationalrat nicht bindend, sondern hat nur empfehlenden Charakter.

Im Gegensatz zum Volksbegehren wird eine Volksbefragung vom Nationalrat organisiert. Die Volksbefragung stellt dabei eine unverbindliche Abstimmung über ein Thema dar, wobei die Abstimmungsfrage mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden muss, oder zwei alternative Antworten zur Verfügung stehen müssen. Das Ergebnis einer Volksbefragung ist für den Nationalrat nicht bindend, sondern hat nur empfehlenden Charakter. Volksbefragungen können auch auf Gemeindeebene eingesetzt werden. Bisher gab es nur eine einzige bundesweite Volksbefragung in Österreich: Die Befragung über die Wehrpflicht 2013.

Als drittes Instrument der direkten Demokratie dient in Österreich die Volksabstimmung. Mit ihr kann der Nationalrat alle wahlberechtigten Österreicherinnen und Österreicher über einen Gesetzesentwurf oder eine Verfassungsänderung, und die Bundesversammlung über die Absetzung des Bundespräsidenten abstimmen lassen. Die Abstimmungsfrage muss dabei mit "Ja" oder "Nein" zu beantworten sein. Das Ergebnis ist bindend. In Österreich gab es bisher zwei Volksabstimmungen: 1978 über die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Zwentendorf und 1994 über den Beitritt Österreichs zur EU.

Damit ist klar, dass es der FPÖ bis heute nicht gelungen ist, auch nur eine einzige Forderung nach einer bundesweiten Volksbefragung oder einer Volksabstimmung in die Tat umzusetzen. Natürlich sind dafür nicht nur die Freiheitlichen selbst verantwortlich, schließlich muss eine solche Befragung oder Abstimmung erst vom Nationalrat beschlossen werden.

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Damit ist klar, dass es der FPÖ bis heute nicht gelungen ist, auch nur eine einzige Forderung nach einer bundesweiten Volksbefragung oder einer Volksabstimmung in die Tat umzusetzen.

Schaut man sich aber die Anträge der FPÖ für Volksbefragungen und Volksabstimmungen genauer an, sieht man sehr schnell, dass die Partei bei weitem nicht so viele Anträge zu direkt demokratischen Entscheidungen stellt, wie man vielleicht vermuten würde.

So hat die FPÖ in den letzten 7 Jahren gerade einmal sieben konkrete Anträge auf Abhaltung einer Volksbefragung gestellt. Themen dieser Anträge waren die Finanzhilfen für Griechenland (2010), das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz (2010), die Übernahme vom Bundeshaftungen im Rahmen des europäischen Stabilitätsmechanismus (2011), der Ausbau der direkten Demokratie nach dem Vorbild der Schweiz (2011), ein Antrag von Heinz-Christian Strache für eine Volksbefragung zu gleich mehreren Themen (2011), das Freihandelsabkommen TTIP (2014/2015) und der Austritt Österreichs aus der EU (2016).

Interessant ist auch, dass es in den Jahren 2000 bis 2006 – also jenen Jahren, in denen die FPÖ an der Regierung beteiligt war – zu gerade einmal vier Anträgen für eine Volksbefragung kam. Zwei davon stellten Peter Westenthaler und Andreas Khol gemeinsam, jeweils einer wurde von Peter Pilz und Alfred Gusenbauer gestellt.

Interessant ist, dass die FPÖ als Regierungsmitglied relativ oft gegen Anträge auf Volksbefragungen oder Volksabstimmungen gestimmt hat.

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Noch weniger Anträge hat die FPÖ seit 2010 auf die Abhaltung einer Volksabstimmung gestellt. Zwischen 2010 und 2017 forderten die Freiheitlichen nur zu vier verschiedenen Themen eine Volksabstimmung und zwar zu den Themen EU-Vertrag, beziehungsweise Europäischer Stabilitätsmechanismus (2011), Euratom (2011), Verbleib in der Währungsunion (2013) und CETA (2017). Außerdem forderten die Freiheitlichen verpflichtende Volksabstimmungen bei der Ratifikation von Staatsverträgen und Verfassungsänderungen.

Interessant ist, dass die FPÖ als Regierungsmitglied relativ oft gegen Anträge auf Volksbefragungen oder Volksabstimmungen gestimmt hat. So stimmten die Freiheitlichen 2002 zum Beispiel gegen einen Antrag von Peter Pilz zur Durchführung einer Volksabstimmung über den Kauf der Eurofighter. Auch ein Antrag auf Volksabstimmung der SPÖ wurde abgelehnt. Sogar eine Volksabstimmung über den Beitritt der Türkei zur EU und EU-weite Volksabstimmungen lehnte die FPÖ 2004 ab.

Die FPÖ inszeniert sich gerne als einzige Partei, die das Volk in politische Entscheidungen einbinden möchte. Tatsächlich scheint sie aber vor allem dann direkte Demokratie im Nationalrat auch wirklich einzufordern, wenn ihr die Frage and das Volk auch ins politische Konzept passt, oder sie daraus politisches Kapital schlagen kann. Mit tatsächlicher direkter Demokratie hat das reichlich wenig zu tun. Unsere Anfragen zum Thema direkte Demokratie an die FPÖ blieben bis zum Erscheinen dieses Artikels unbeantwortet.

Paul auf Twitter: @gewitterland

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