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Eine kleine Chronik der Scheiße, die ÖVP-Innenminister vor unserer Türe hinterlassen haben

Innenminister Wolfgang Sobotka versucht derzeit, seine Überwachungspläne mit menschlichem Kot vor seiner Haustür zu rechtfertigen. Dabei baut die ÖVP den Überwachungsstaat schon seit Jahren aus.
Titelbild: Jakob Steiner

Das Innenministerium ist traditionell ein schwarzes. Zumindest was die letzten 17 Jahre angeht. Denn seit 2000 stellte die ÖVP alle acht Ministerinnen und Minister. 17 Jahre sind sogar für die Politik eine lange Zeit, in der man viel verändern kann. Man bedenke nur, was Trump in einer Woche geschafft hat.

Dass bei solchen Veränderungen nicht immer nur Gutes rauskommt, wissen wir. Manchmal versteckt sich das Schlechte aber unbeobachtet in den Falten der Zeit und seine schleichende Ausbreitung bleibt unbemerkt – zum Beispiel wenn die ÖVP mehrere Legislaturperioden lang den Stuhl des Innenministers in den Händen hält. (Und nein, damit ist nicht Sobotkas Kot gemeint.)

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Sobotka versucht derzeit, mit Scheiße vor der Haustür Politik zu machen und den Überwachungsstaat basierend auf einer persönlichen Anekdote auszubauen. Tatsächlich führt er damit im Grunde nur die Politik fort, die bereits seine Vorgänger verfolgt haben, denn die ÖVP arbeitet bereits seit der Jahrtausendwende an einem gesamtösterreichischen Panopticon.

Wir haben uns durch die eher unrühmlichen Dinge gegraben, die uns die letzten vier Innenministerinnen und Innenminister hinterlassen haben und präsentieren euch an dieser Stelle ihre irrwitzigsten Ideen und Aussagen.

Günther Platter

Screenshot via YouTube

Könnt ihr euch noch an Günther Platter erinnern? Wir eigentlich auch nicht. Dennoch sind wir das Gefühl nicht losgeworden, dass auch der heutige Tiroler Landeshauptmann bereits an Überwachungsfantasien gelitten hat. Und siehe da, wir lagen richtig.

Günther Platter war bereits Ende 2004 für 11 Tage Innenminister. Ab 2007 durfte er dann wirklich und legte auch gleich richtig los. In seinen gerade einmal 534 Amtstagen schaffte Platter immerhin die richterliche Kontrolle bei der Handyüberwachung ab und legalisierte im Rahmen einer Verschärfung des Sicherheitspolizeigesetzes die IP-Adressenausforschung ohne Gerichtsbeschluss.

Platter wurde außerdem vom Koalitionspartner SPÖ und der Opposition vorgeworfen, den damals gerade laufenden U-Ausschuss zu einer Innenministeriums-Affäre seiner Vorgänger zu behindern. Für Aufregung sorgte zudem ein Bericht über eine Eurofighter-Party, an der auch der Innenminister teilnahm und bei der auf ein Konterfei von Karl-Heinz Grasser geschossen worden sein soll.

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Unter Platters Amtszeit fällt auch die Überwachung von vermeintlich militanten Tierschützern, die schließlich 2008 festgenommen wurden. Der anschließende Prozess entwickelte sich zur Farce, in deren Zuge immer mehr Details der Überwachungsmaßnahmen des Innenministeriums bekannt wurden. So soll zum Beispiel eine der eingeschleusten Polizistinnen unter dem Decknamen "Danielle Durand" eine Liebesbeziehung zu einem der Angeklagten aufgebaut haben, um an Informationen zu gelangen.

Maria Fekter

Foto: Wikimedia Commons | CC BY 2.0

Maria Fekter ist uns eher aufgrund ihrer Eiseskälte bei Asylthemen, Rehleinaugen und Mischkonsum in Erinnerung geblieben. Sie bestand auf vorhandene Deutschkenntnisse, bevor Menschen nach Österreich kommen dürften. Für Aufsehen sorgte Fekter außerdem mit ihrer (verfassungswidrigen) Forderung, Asylwerber während der Erstabklärung in Erstaufnahmezentren zu internieren. Sie nannte diese Forderung eine 28-tägige "Anwesenheitspflicht".

Wie schon ihr Vorgänger Platter und nun auch Sobotka forderte Fekter aber auch Lockerungen im Datenschutz, wie zum Beispiel die Möglichkeit zur Handypeilung, um "Kriminelle aufzustöbern". Als Innenministerin führte Fekter wiederholt das Ranking der meist genannten Politikerinnen und Politiker in österreichischen Tageszeitungen an. Das lag nicht nur an der Politik, die sie machte, sondern auch an etlichen Fauxpas, für die sie sich selbst (und die ÖVP sich stellvertretend für sie) regelmäßig entschuldigen musste. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sagte Fekter einen "Hang zum Fettnäpfchen" nach. Der Schweizer Tagesanzeiger nannte sie "Funkenmariechen" und schrieb, Fekter (damals bereits Finanzministerin) stolpere von einem Fettnäpfchen ins nächste.

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Im November 2008 enthob Fekter den damaligen Direktor des Bundeskriminalamts seines Amtes, nachdem er ehemalige Innenminister beschuldigt hatte, politisch Einfluss auf die Ermittlungen zur BAWAG-Affäre genommen zu haben.

Als Finanzministerin nannte sie später Italien in der ZiB 2 als nächsten Kandidaten für Finanzhilfe. Der damalige Ministerpräsident Mario Monti nannte diese Aussage "völlig unangebracht", Heinz-Christian Strache war entzückt: Damit habe sie "einen Anflug von Ehrlichkeit" erkennen lassen, so der FPÖ-Obmann. Prompt stiegen die Zinsen, die Italien für Staatsschulden zahlen musste. 2012 verglich sie bei einem Treffen der Euro-Gruppe die Bankenkritik mit der Judenverfolgung. In einem Interview mit dem Standard plauderte sie offen über die Gesundheitsprobleme Jean-Claude Junckers. Er habe Nierensteine und enorme Schmerzen.

Johanna Mikl-Leitner

Foto: ÖVP Online | flickr | CC BY-ND 2.0

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hat sich wohl als jene Ministerin ins kollektive Gedächtnis unserer Generation eingebrannt, die Grenzen wieder spürbar machte und auch noch gleich durch einen Zaun verstärken ließ – auch wenn man fairerweise sagen muss, dass sie das alles nicht ganz alleine geschafft hat.

Mikl-Leitner ist außerdem mitverantwortlich für die Schließung der Balkanroute und das daraus entstandene Flüchtlingschaos in Griechenland. Dennoch blieb sie bei ihren zwei markantesten Aussagen: "Ein Zaun ist nichts Schlechtes" und "Wir müssen an einer Festung Europa bauen". Dass diese "Festung Europa" bereits existiert und im vergangenen Jahr rund 4000 Menschen das Leben gekostet hat, ließ die ehemalige Innenministerin ebenso kalt wie Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik aus Deutschland.

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Unter Mikl-Leitners Amtszeit fiel aber auch die Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz 2012, die eine Reihe von mehr Überwachungsmöglichkeiten für das Innenministerium und den Verfassungsschutz beinhaltete. Mikl-Leitner sprach sich außerdem für eine Diskussion über Hausarrest und Fußfesseln für potentielle Terrorverdächtige aus und wollte eine Möglichkeit für die Polizei schaffen, auf private Überwachungskameras zuzugreifen.

In Erinnerung wird die ehemalige Innenministerin wohl auch in Zusammenhang mit YouPorn bleiben – wenn auch unfreiwillig. Im September 2015 hatte die Piratenpartei Werbung gegen den Überwachungsstaat auf der Freeporn-Seite geschalten. Auf Besucher der Seite wartete ein Bild Mikl-Leitners und der Satz: "Johanna möchte dir zuschauen!"

Wolfgang Sobotka

Foto: Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0 AT

Seit 21. April 2016 heißt Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka. Aufgefallen ist Sobotka in den letzten Tagen vor allem deshalb, weil ihm das neue Sicherheitspaket der Bundesregierung anscheinend nicht ausreicht. Neben der Speicherung von Telekomdaten, der Abschaffung von nicht registrierten SIM-Karten und der Überwachung von WhatsApp-Nachrichten, wünscht sich Sobotka – wie schon Mikl-Leitner – auch eine zentrale Erfassung aller in Österreich aufgestellter Überwachungs- und Verkehrskameras.

Und damit nicht genug. Während 2012 die ÖVP noch versichert hat, dass die Versammlungsfreiheit bei aller Verschärfung der Überwachungsmaßnahmen unberührt bleibe, traut sich Sobotka nun fünf Jahre später offen über die Einschränkung der Demonstrationsfreiheit nachzudenken.

Die Idee, etwa einen Versammlungsleiter für auf einer Demo entstandenen Sachschaden zivilrechtlich haftbar zu machen, oder die Interessen von Geschäftsleuten über die Versammlungsfreiheit zu stellen, haben für massive Kritik gesorgt. Im Ö1-Mittagsjournal sprachen die Grünen-Politiker Peter Pilz und Albert Steinhauser von Sobotka als "Gefährder der Bundesverfassung" und Vorschlägen, die "grob verfassungswidrig" seien. Auch der Generalsekretär von Amnesty International Österreich, Heinz Patzelt, sprach gegenüber Ö1 von "schwerst menschenrechtswidrigen" Vorschlägen.

Sobotka hat damit – und mit der Begründung, jemand hätte ihm vor die Haustür geschissen – nach dem weltweit ersten #klebergate für das wahrscheinlich auch weltweit erste #gackigate gesorgt.

Paul auf Twitter: @gewitterland

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