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Koffein

Wie Koffein zu unserem Lebenselixier wurde

Wie kam es eigentlich, dass Kaffee nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken ist? Und warum sind wir solche Kaffee-Snobs geworden? Wir haben eine Historikerin um Antworten gebeten.
Phoebe Hurst
London, GB
Foto von Justin Miller via Flickr

Denkt mal über die Höhepunkte eures Alltags nach. Nicht diese euphorischen #highonlife-Momente während ihr am Wochenende von einer sozialen Verpflichtung zur nächsten eilt, sondern die kleinen Lichtblicke, die euch dabei helfen, einen kalten, regnerischen Dienstag zu überstehen.

Da wäre die erste Tasse Kaffee am Morgen, die euch nach ein paar Schlucken in einen halbwegs funktionstüchtigen, denkfähigen Menschen verwandelt. Dann vielleicht noch eine Tasse Tee, um den Nachmittag zu verkürzen. Und schließlich noch eine Heiße Schokolade zu einem guten Buch oder einer Folge House of Cards auf dem Sofa (oder im Bett—wir müssen uns hier nichts vormachen).

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Was haben diese Dinge alle gemeinsam? Koffein.

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Während sich Wissenschaftler uneinig darüber sind, wie gut die anregende Substanz wirklich für uns ist, sind wir schon seit Jahrhunderten von Koffein abhängig. Genau dem geht die Historikerin Melanie King in ihrem neuen Buch auf den Grund. Tea, Coffee & Chocolate: How we fell in love with caffeine ist im September bei Bodleian Publishing erschienen und zeichnet das erste Auftreten dieser koffeinhaltigen Getränke im 17. Jahrhundert in Europa durch die neuen Handelsrouten mit China und dem Nahen Osten sowie die angeblichen Gesundheitsvorteile, die ihnen im Laufe der Zeit zugesprochen wurden. Dass man früher glaubte, ein Caffè Latte würde die Ausbreitung der Beulenpest verhindern, war auch uns neu.

Wir haben uns mit King in Verbindung gesetzt, um mehr darüber herauszufinden, warum wir schon so lange von Kaffee abhängig sind, seit wann Schokolade keine Gesundheitskost mehr ist und wie es kam, dass wir heute alle solche Kaffee-Snobs sind.

MUNCHIES: Hallo, Melanie. Sag mal, wieso eigentlich Koffein?
Melanie King: Naja, um ehrlich zu sein, lag mein Fokus nicht nur auf Koffein. Ich habe mir Tee, Kaffee und Schokolade aus einem historischen Blickwinkel genauer angesehen. Sie sind unsere drei Lieblingsdinge—die meisten Leute mögen zumindest eines davon, wenn nicht alle drei und ich habe mich gefragt, wie es eigentlich dazu gekommen ist. Woher kommen sie? Dann fand ich heraus, dass sie alle zur gleichen Zeit in Großbritannien ankamen. Man entdeckte erst viel später, dass alle drei Koffein enthalten, es waren also die Getränke und die Geschichte, die mich zu Koffein geführt haben.

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Glaubst du, es war Teil des Reizes für die Menschen des 17. und 18. Jahrhunderts, dass Tee, Kaffee und Schokolade alle aus Ländern stammten, die damals als „exotisch" wahrgenommen wurden?
Es war neu und es war anders. Damals trank man beispielsweise in Großbritannien hauptsächlich Kuhmilch, Bier und Wein. Das Wasser war sehr verschmutzt und heißes Wasser trank man nicht, es gab also im Grunde keine Heißgetränke. Vielleicht aufgewärmter Wein, aber der wurde eher zu medizinischen Zwecken getrunken. Als diese drei Getränke ins Land kamen, veränderte das die Denkweise der Menschen.

Irgendwie ist es seltsam, wenn man daran denkt, dass die Leute in einem kühlem Klima wie in großen Teilen Europas keine Heißgetränke tranken.
Eigentlich nicht wirklich. Das hängt alles damit zusammen, wie man Medikamente wahrnahm, das wiederum hat mit den vier Säften des Körpers zu tun. Wenn man Fieber hatte, war das ein Zeichen, dass die Körpersäfte aus dem Gleichgewicht gekommen waren, deshalb dachte man, es wäre schlecht für den Körper, warmes Wasser zu trinken. Die Leute dachten damals, dass das Blut kochen würde, wenn man heißes Wasser trinkt.

Als die Leute aber bemerkten, dass sie heiße Getränke problemlos trinken können, wurde das Ritual des Teetrinkens sehr wichtig, besonders unter Frauen.
Ja, das war es. Tee gab ihnen gewissermaßen ein Sozialleben. Interessant ist aber, dass Kaffeehäuser damals den Männern vorbehalten waren. Tee wurde unter Frauen erst im späten 18. Jahrhundert beliebt, weil man anfing, den vor den Kaffeehäusern in ihren Wägen wartenden Frauen Tee nach draußen zu bringen. Tee war damals für Frauen akzeptabel, Kaffee hingegen galt als männliches Getränk und Schokolade war sehr teuer. Schokolade wurde damals auch getrunken, weil es die Technologie noch nicht gab, eine Tafel daraus herzustellen. Es war ein fettiges Getränk und nur die obersten Ränge der Gesellschaft konnten es sich leisten.

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Und Schokolade galt damals als gesund?
Alle drei Dinge. Alle hatten ihre angeblichen gesundheitlichen Vorteile und aber Nachteile, je nach Sichtweise.

Heute diskutieren wir ja immer noch über die gleiche Frage—ob Koffein gesund für uns ist oder nicht.
Absolut. Manche Dinge haben sich als wahr herausgestellt. Um 1700 sagte jemand, dass Schokolade gut für die Zähne sei. Moderne Studien haben gezeigt, dass es einen Bestandteil in Schokolade gibt, der die Zähne stärkt. Ich fand es sehr interessant zu sehen, dass wenn man sich ansieht, was man früher über die Wirkung von Tee, Kaffee und Schokolade auf die Gesundheit gesagt hatte, haben Studien des 21. Jahrhunderts diese Annahmen bestätigt. Um 1650 oder 1750 riet man einfach, je nach dem, wie der Körper auf das Getränk reagierte.

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Wie sieht es mit der „Kaffeekultur" von heute aus, woher kommt sie?
Ich glaube, Kaffee ist in den letzten 20 Jahren so beliebt geworden, weil wir wohlhabender geworden sind. Ich erinnere mich noch an meine Jugend in den 80ern, als es noch nicht sehr viele Cafés gab. Heute gibt es an jeder Ecke einen Starbucks oder kleine Cafés mit wunderbarem Kaffee und Tee. Heute geht es uns finanziell besser und wir können es uns leisten, Kaffee trinken zu gehen.

Gibt es irgendwelche Gemeinsamkeiten zwischen den hippen Cafés von heute und den Kaffeehäusern des 17. Jahrhunderts?
Ja, in London nannte man die ursprünglichen Cafés penny universities. Jeder Mann, ganz unabhängig von seinem sozialen Stand und seinem Job, konnte ein Café besuchen, neben einem Lord sitzen und gratis Zeitungen lesen. Das war erschwinglich. Die Schokoladenhäuser waren so teuer, dass sich dort nur die Oberschicht tummelte. Fair waren beide Etablissements jedoch nicht, denn Frauen war der Eintritt nicht gewährt.

Tee, Kaffee und Schokolade sind heute nicht mehr neu und exotisch. Wie kommt es, dass sie immer noch so einen Reiz für uns haben?
Weil sie gut schmecken! Schokolade hat sich über die Zeit sehr verändert. Heute verzichten wir wieder mehr auf den Zucker und haben Schokolade mit 70- bis 80-prozentigem Kakaoanteil.

Wenn du dich entscheiden müsstest, was wäre es: Tee, Kaffee oder Schokolade?
Oh Gott! Keine Ahnung, wahrscheinlich starker Tee. Ich bin keine Tee-Connaisseurin, aber ich starte mit einer Tasse Tee gefolgt von einer Tasse Kaffee in den Tag.

Gute Strategie. Vielen Dank für das Gespräch, Melanie.