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Überfischung

Neufundlands Kabeljau scheint gerettet—vorausgesetzt, wir lassen weiter die Finger von ihm.

Nach jahrzehntelanger Überfischung mit immer moderneren Schiffen scheint der Kabeljau vor Neufundland gerettet. Vorausgesetzt, wir lassen weiter die Finger von ihm.

Der Nordosten Kanadas war früher Kabeljau-Land. Für fast 500 Jahre sicherte der vor allem im Nordatlantik vorkommende Fisch den Lebensunterhalt von zehntausenden neufundländischen Fischern. Bis im Jahr 1992—nach Jahrzehnten der Überfischung und der Entwicklung von immer fortschrittlicherer Fischfangtechnologie—das schöne alte System plötzlich zusammenbrach.

In jedem Jahr fand die Regierung in Ottawa heraus, dass die Kabeljaubestände auf nur noch ein Prozent der ursprünglichen Menge zurückgegangen waren. Umgehend wurde sein kommerzieller Fang verboten, woraufhin tausende Fischer in Neufundland die Provinz verlassen mussten oder sich gezwungen sahen, eine Arbeit in anderen Industrien anzunehmen. In kürzester Zeit veränderte sich die gesamte Gegend. Das Fangverbot sollte ursprünglich nur für zwei Jahre Bestand haben. Doch zwei Jahrzehnte später ist es immer noch aktuell. Und obwohl sich die Population langsam erholt, sind sich die Wissenschaftler sicher, dass es noch sehr, sehr lange dauern wird, bis kommerzieller Kabeljaufang in Neufundland wieder möglich wird.

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„Das Verbot hat noch immer Bestand", so John Boland von der Arbeitnehmervereinigung Fish, Food and Allied Workers, die 12.000 neufundländische Fischer vertritt. „Auch wenn wir wieder voll loslegen dürften, wären wohl pro Jahr nur ein paar tausend Tonnen drin, was gerade einmal einem Bruchteil früherer Fangzahlen entspräche." Denn zum Vergleich: Im Rekordjahr 1968 wurden sage und schreibe 810.000 Tonnen Kabeljau gefangen. Und obwohl die rund 15.000 Fischer der Provinz naturgemäß nichts gegen eine Aufhebung des Fangverbots hätten, ist ihnen gleichzeitig klar, dass eine solche Marktöffnung auf nachhaltige Weise durchgeführt werden müsste, was momentan einfach nicht möglich ist, so Boland weiter.

Zwischen 1647 und 1750 wurden acht Millionen Tonnen Kabeljau gefangen. Für dieselbe Menge waren in jüngerer Zeit gerade einmal 15 Jahre nötig.

„Nachhaltigkeit ist das, was den meisten Menschen hier vor allem am Herzen liegt", betont Boland.

Denn genau das Fehlen von nachhaltigem Fischfang war der Grund für das jähe Ende der Kabeljauindustrie. Jahrhundertelang wurden mit traditionellen Fangmethoden begrenzte Kabeljaumengen gefangen. Doch als sich die Fischereiindustrie stetig weiterentwickelte—von kleinen Booten mit einfachen Netzen hin zu riesigen Fangschiffen ausgerüstet mit Radar, Sonar und weiteren hochmodernen Navigationssystemen—sind die Bestände innerhalb von wenigen Jahren zusammengebrochen. Was folgende Zahlen eindrucksvoll unterstreichen: Zwischen 1647 und 1750 (also in über 100 Jahren) wurden acht Millionen Tonnen Kabeljau gefangen. Hört sich nach unglaublich viel Fisch an? Stimmt. Dumm nur, dass in jüngerer Zeit dieselbe Menge in nur 15 Jahren gefangen wurde. Darum war die Situation vor der Küste Neuseelands in den 90er-Jahren bei Weitem nicht mehr die, wie sie englische Fischer im 17. Jahrhundert beschrieben hatten. Die berichteten nämlich von so großen Beständen in Ufernähe, dass man kaum noch mit dem Boot hindurchkam.

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Als die Kabeljaupopulation zusammenbrach, wurde auch die auf Kabeljau spezialisierte Fischereiindustrie mit in den Abgrund gezogen, so etwa die Arbeiter in den angrenzenden Fischkonservenfabriken. Aus diesem Grund führte das 1992 verhängte Fangverbot zur größten Stilllegung von Industriebereichen in der Geschichte Kanadas, die mehr als 35.000 Personen ihren Job kostete und die Regierung zu umfassenden Hilfemaßnahmen für die Betroffenen zwang.

Auch wenn die sozio-ökonomischen Folgen gravierend waren, haben sich laut Boland viele Fischer dennoch nicht von der Region abwenden wollen. Sie blieben ihrem Handwerk treu und schufen sich als Krebs- und Garnelenfischer eine neue Lebensgrundlage geschaffen.

Derweil scheinen sich—wenn auch langsam—die Kabeljaubestände wieder zu erholen. „Es geht wieder aufwärts", so Boland weiter. „Wir stoßen mittlerweile wieder auf Fische, die 12 Jahre und älter sind."

Boland verbindet die Erholung der Bestände aber nicht nur mit dem geltenden Fangverbot, sondern auch mit veränderten Umweltbedingungen, und zwar in Form eines Anstiegs der Meerestemperatur. Trotzdem bleibt das Fangverbot, mit Ausnahme von einer sehr begrenzten Menge zu Forschungszwecken, bestehen. Und Boland geht nicht davon aus, dass sich das in naher Zukunft ändern wird. Doch angesichts der Tatsache, gerade noch so die Kurve gekriegt zu haben, wohl keine allzu schlechte Idee.

Oberes Foto: Derek Keats | Flickr | CC BY 2.0