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Prognosen

Wir haben allgemeine Rückrunden-Prognosen zunichte gemacht

Der Pep-Effekt, ein drohender Großkreutz-Flop oder das Durchreichen von Darmstadt 98—VICE Sports hat die scheinbar sicheren Prognosen der Stecktabellen-Masochisten und Tipprunden-Sekten entblößt und ihnen widersprochen.
Foto: Imago

Das Warten hat ein Ende: Die Bundesliga-Rückrunde geht heute wieder los. Endlich. Sie befreit uns immerhin von peinlichen Altherren-Hallenturnieren, ermüdenden Thorsten-Legat-Winterloch-Themen und dem erdrückenden Premier-League-Fußball, der mittlerweile gefühlt 365 Spieltage im Jahr hat. Fragt sich nur, was die nächsten 17 Spieltage in Liga-Langweilig so für uns bereithalten.

Während die Stecktabellen-Masochisten und Tipprunden-Sekten in ihren Hobbykellern die Rückrunde schon durchgespielt haben, haben wir deren wichtigste Prognosen und Prophezeiungen analysiert und sie zunichte gemacht:

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„Hertha BSC Berlin bricht noch ein und fährt nicht nach Europa"

Die Berliner stehen völlig überraschend auf Platz 3 und nehmen Kurs auf die Champions League. Da hinter ihnen aber mit Gladbach, Leverkusen, Schalke und Wolfsburg vier—zumindest auf dem Papier—wesentlich stärkere Teams mit den Hufen scharren, scheint die Hertha am 34. Spieltag wieder nur im Niemandsland der Tabelle zu landen. Die zweitbeste Abwehr und der viertbeste Sturm der Liga sprechen aber für die große Qualität im Team. Vor allem die Breite in der Offensive machte Hertha erschreckend effizient: Sie brauchen von allen Top-Teams die wenigsten Torschüsse für ihre Treffer. Die Champions-League-Qualifikation kommt für die junge Mannschaft von Pal Dardai vielleicht noch zu früh, doch beim Einzug in die Europa-League werden die Berliner mindestens ein vermeintlich besseres Top-Team hinter sich lassen.

„Darmstadt wird durchgereicht und steigt ab"

Der SV Darmstadt 98 spielt dreckigen Fußball, mogelte sich damit irgendwie zu 18 Punkten und steht überraschend auf Platz 13. Die meisten Experten glauben dennoch, dass die Lilien in der Rückrunde durchgereicht werden. Doch die eigentlichen Kenner wissen: „Hoch und weit bringt Sicherheit!" Der unkonventionelle Fußball der Hessen wird auch in der Rückrunde zahlreiche Teams „zerstören". Die schon vor der Saison abgeschriebenen Lilien können dabei wesentlich freier aufspielen als existenzbedrohte Riesen im Tabellenkeller. Da der Abstiegskampf in diesem Jahr wieder etliche Teams in seinen Strudel zieht, sollte das Minimalziel Relegationsplatz zu schaffen sein.

Lilien-Stürmer Sandro Wagner will von Abstieg nichts hören (Foto: Imago)

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„Aubameyang knackt Gerd Müllers Rekord"

Pierre-Emerick Aubameyang schoss in den ersten 17 Spielen überragende 18 Tore (und wäre damit in acht Bundesligasaisons in der Vergangenheit schon Torschützenkönig geworden). Optimisten sehen sogar Gerd Müllers Torrekord (40 Treffer) aus der Saison 1971/72 in Gefahr. So oft wird Aubameyang, bei all seiner Klasse, aber wohl kaum das Tor treffen. Aubameyang spielte bisher in jedem Ligaspiel, doch die Saison ist noch lang und er stieß durch die Wahl zu Afrikas Spieler des Jahres später zur Mannschaft. Da der BVB neun Punkte auf einen Nicht-Champions-League-Platz hat, wird Tuchel den Dauerbrenner öfter schonen—auch damit Auba den Klub in der Europa League zum Titel schießt. Wenn der BVB-Stürmer aber noch mal wenigstens 18 Tore in der Rückrunde schießt, reicht es in der Liste der besten Torschützenkönige der Ligageschichte mit 36 Treffern immerhin zu Platz drei—zusammen mit Müller und hinter zwei Mal Müller.

„Kevin Großkreutz floppt auch beim VfB"

Kevin Großkreutz ist ein Prügelknabe. Spätestens nach Döner-Wurf-Witzen, dem Spott über sein WM-Pokal-Tattoo und den „Heimweh"-Berichten über seine Zeit in Istanbul steht seine sportliche Leistung gar nicht mehr im Vordergrund. Der Neu-Stuttgarter trainierte über Monate nur und ihm fehlt vor allem die Spielpraxis. Der Tenor: Kevin wird dem VfB im Abstiegskampf nicht helfen. Doch es wird anders kommen. Sowohl defensiv als auch offensiv spielt der VfB nicht bundesligareif. Der VfB scheint Siegermentalität und Kampfeswille oftmals verloren zu haben. Mit Großkreutz kommt ein erfahrener und bissiger Kicker, der ein Mentalitätsmonster sein kann. Nach ein paar Wochen wird seine Vielseitigkeit in Offensive und Defensive den Schwaben die nötige Klasse im Abstiegskampf geben. Großkreutz grätscht den VfB aus dem Keller.

„Lasogga schießt sich in den EM-Kader"

HSV-Profi Pierre-Michel Lasogga, bulliger Stoßstürmer und damit eine aussterbende Spezies, brachte in einem Interview Ende Oktober eine Prognose mal eben selbst ins Spiel: „Der Traum, für Deutschland zu spielen, ist immer da". Und er teilte mit: „Wenn ein ‚Neuner' gesucht wird: In Hamburg ist einer." Auch andere Männer vom Fach würden den 24-Jährigen gerne in der Nationalelf sehen, denn Jogi fehlt ein echter Stürmer. Zwar ist Lasogga mit sechs Törchen nur auf Platz 14 in der Torschützenliste, doch befindet sich vor ihm mit Alex Meier auch nur ein deutscher Stürmer, der irgendwie als 9er durchgeht. Da Mario Gomez aber in Istanbul sein Mojo wiedergefunden hat, Jogi Löw eher auf falsche 9er steht und keine Experimente mag, müsste Lasogga schon 20 Tore schießen, um überhaupt in den Recall zu kommen. So unterhaltsam die deutsche Klassenfahrt nach Frankreich durch einen Pierre-Michel auch werden würde, die EM in Frankreich bleibt erstmal nur ein Traum.

Das mit der EM wird wohl leider eher nichts für Pierre-Michel Lasogga (Foto: Imago)

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„Durch den Pep-Effekt lassen die Bayern die Rückrunde diesmal nicht lax angehen"

Drittes Jahr, selbes Spiel: Die Bayern führen mit einer unheimlichen Dominanz die Bundesliga an und lassen selbst wiedererstarkte Dortmunder wie Slalomstangen stehen. Auch in den letzten zwei Jahren hatten die schon im Frühjahr sicheren Meister-Kicker früh das Interesse für die Liga verloren. Nur noch die Champions-League war wichtig, doch es fehlte durch den langweiligen Liga-Alltag in den Halbfinalspielen der Königsklasse scheinbar an den nötigen Prozentpunkten. Weil Pep Guardiola die Münchner nach dieser Saison verlässt, soll das laut Küchenpsychologen nun anders werden. Wird es aber nicht. Der BVB wird die Bayern in dieser Saison auch trotz mutiger Aubameyang-Aussage („Ich glaube nicht, dass Bayern in diesem Jahr Meister wird") und gutem Fußball noch nicht ernsthaft gefährden können. So selbstverständlich wie der Rekordmeister holen die Borussen nicht jedes Spiel nach Hause. Eine „Jetzt-erst-recht"-Mentalität oder das Lechzen nach neuen Bundesligarekorden strahlt der scheidende Pep auch nicht aus. So wird Bayerns zweite Reihe auch in dieser Saison dem ein oder anderen Abstiegskandidaten ein paar Punkte schenken und der Klub den Fokus auf die Champions League legen.

„Hoffenheim hat zu viel Qualität, um abzusteigen"

Der Kader der TSG Hoffenheim hat den siebthöchsten Marktwert der Bundesliga. Mit Volland, Baumann, Rudy oder Vargas tummeln sich zahlreiche Edelkicker auf dem Feld. Auch Neuzugang Andrej Kramaric hätten viele andere Bundesligisten mit Kusshand genommen. Aber trotz exzellenter Erfahrung als Feuerwehrmann wird Huub Stevens die Millionen-Truppe nicht vor dem Abstieg retten können. Stevens, der laut eigener Aussage kein Defensiv-Trainer mehr sein will, ist der falsche Coach, um den Tabellenletzten und seine jahrelange perspektivlose Vereinspolitik vor dem Abstieg zu retten. Im Abstiegskampf zählt am Ende nicht die Qualität, sondern der Wille. Die 18,99 Euro zahlen wir gerne ins Phrasenschwein.

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