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Neapels legendärer Stadionsprecher ‚Decibel' bekommt jeden Tag 400 Nachrichten

Wenn er zum Mikro greift, ist Ohrenbluten sicher. Wir haben mit dem Brüllaffen-Stadionsprecher „Decibel" Bellini über sein legendäres Spiel gegen Dortmund gesprochen. Spoiler: Seine Vorbereitung vor einem Spiel ist unglaublich akribisch.
Foto: YouTube

Ihr erinnert euch bestimmt noch an das Video, in dem er nach einem Treffer von Gonzalo Higuain den Spieler immer und immer wieder vom neapolitanischen Publikum feiern lässt. Anlass war ein Champions-League-Treffer des Argentiniers gegen Borussia Dortmund.

Wer er ist? Daniele „Decibel" Bellini. Ein Mann, der in Neapel so bekannt ist wie ein bunter Hund. Seit sieben Jahren steht Bellini im altehrwürdigen Stadio San Paolo am Spielfeldrand und bringt als Napolis Stadionsprecher die Zuschauer mit seinen lyrischen Ergüssen im eh schon heißen Kampanien zum Kochen. Egal, ob er nun Tore von Higuain, Lavezzi, Cavani oder Hamsik abfeiert(e), er geht immer nach dem selben Muster vor: Bellini brüllt volle Pulle den Vornamen des Torschützen und aus Zehntausenden Kehlen tönt dann der Nachname.

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Fraglich, ob Bellini Gonzalo Higuain heute immer noch so begrüßen würde.

Übrigens hat sich Decibel in der Hafenstadt schon so einen Namen gemacht, dass sich neuverpflichtete Spieler an den Brüllaffen mit hellblauem Herzen wenden und ihn bitten, ihren Namen besonders kräftig ins Mikrofon zu brüllen, wie er in einem Porträt von der UEFA verriet. Im selben Video erzählt Bellini auch, dass er für seinen Nebenjob kein Geld nimmt – es sei schließlich eine Herzenssache.

Wir haben den sympathischen Irren in Neapel besucht. Und auch bei unserer Stippvisite hatte er ein Mikro in der Hand – aber nicht als Stadionsprecher, sondern Radiomoderator.

VICE Sports: Bist du schon immer Fan von Napoli gewesen?
Daniel Bellini: Natürlich. Ich bin hier geboren und hier auch aufgewachsen. Wie du vielleicht weißt, ist die Liebe für unser Trikot eine Art Religion. Als ich klein war, war die goldene Epoche der 80er mit Größen wie Maradona, Careca oder Alemão. Wir hatten das beste Team des Landes, vielleicht sogar Europas! Mit diesen Spielern verloren wir kein Match. Sogar meine Eltern waren richtig begeistert, zwar weniger als ich, aber trotzdem.

Erinnerst du dich an deinen ersten Stadionbesuch?
Darin erinnere ich mich noch ganz genau, ich muss so 16 bis 17 Jahre alt gewesen sein. Du musst wissen, meine Mutter ist eine echte Neapolitanerin, sie hat einen sehr ausgeprägten Beschützerinstinkt. Es hat ganz schön lange gedauert, sie davon zu überzeugen, dass alles gutgeht, wenn ich ins Stadion gehe, dass ein Stadionbesuch überhaupt nicht gefährlich ist. Am Ende hat sie mich nicht mehr aufhalten können. Nach all den Spielen vor dem Fernseher hatte ich unbeschreibliche Lust darauf, das Ganze endlich aus dem Stadioninneren mit eigenen Augen verfolgen zu können!

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Was ist deine schönste Stadion-Erinnerung?
Hmm, da gibt es viele. Und die sind zum Teil unterschiedlich. Im Allgemeinen sind alle Spiele in der Champions League etwas Besonderes. Aber das schönste war Napoli gegen Dortmund im Jahr 2013 (Napoli gewann in der Gruppenphase mit 2:1, Anm. d. Red.)! Wir waren von Anfang an das bessere Team, auch wenn es zum Ende hin nochmal spannend wurde. Ich habe schon lange nicht mehr eine solche Stimmung im Stadion gesehen.

Und dann natürlich in den Duellen gegen Juve, da überbieten sich die Fans, was Gesänge und Rauchbomben betrifft. Mein größter Traum wäre allerdings, eines Tages in der Champions League auf Juve zu treffen. Diesen Moment sehne ich herbei.

Wie kam es dazu, dass du zum offiziellen Stadionsprecher wurdest?
Vor sieben Jahren arbeitete ich – genauso wie noch heute – bei einem kleinen lokalen Radiosender, weil ich eigentlich Radiomoderator bin. Dann hat mich ein Verantwortlicher des Vereins angerufen, um zu fragen, ob ich für den Stadionsprecher einspringen würde. Mein Auftritt kam gut bei Zuschauern und Spielern an. Daraufhin haben sie mich nochmal gefragt und seitdem mache ich das eben.

Empfindest du Stolz?
Natürlich, das ist ein Traum für mich! Wie ich dir schon sagte, Napoli, das ist die Geschichte meines Lebens, so oder so ähnlich drücken das alle Neapolitaner aus! Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich eines Tages dem San Paolo einheizen würde, die Spieler persönlich kenne und von anderen Fans auf der Straße angesprochen werde.

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Wie läuft es denn mit den Fans?
Extrem gut. Die sind genial, jeden Tag bekomme ich fast 400 Nachrichten! Viele fragen nach, ob ich ihnen ein Autogramm oder die Telefonnummer von einem Spieler besorgen kann. Und auf der Straße fragen sie dann nach einem Selfie mit mir, wir scherzen oder reden über das kommende Spiel. Außerdem habe ich nach dem Video mit Gonzalo Higuain auch aus dem Ausland eine Menge Nachrichten bekommen!

Fraglich, ob Bellini Gonzalo Higuain heute immer noch so begrüßen würde.

Dieses Video ist einfach nur Wahnsinn, du brüllst wie ein Irrer. Bereitest du dich stimmlich irgendwie vor?
Ja, das ist auch nötig. Am Anfang habe ich mir sogar einen Stimmtrainer besorgt. Zwei bis drei Tage vor einer Begegnung vermeide ich es, im großen Stil wegzugehen und zu viel zu sprechen, außerdem trage ich immer einen Schal. Und sobald ich spüre, dass mein Hals ein bisschen gereizt ist, werfe ich eine Pastille ein. In meinem Beruf kann der kleinste Husten zu einem Problem werden, darum muss ich mich schonen!

Könntest du deinen Beruf auch für einen anderen Verein ausüben?
Auf gar keinen Fall, am wenigsten natürlich für Juve! Obwohl, sollte mich die Nationalmannschaft anrufen, müsste ich schon mal in mich gehen. Ich plane aber, noch lange hier zu bleiben.