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THE US PRISON ISSUE

Die System-Reparatur: Präsident Obama zur Gefängnisreform in den USA

Wir haben US-Präsident Barack Obama beim Besuch eines Bundesgefängnisses begleitet. Es war das erste Mal, dass ein amtierender Präsident eine solche Einrichtung besuchte.

Präsident Obama unterhält sich im Bundesgefängnis El Reno mit Insassen, die wegen gewaltloser Drogendelikte inhaftiert sind. Foto von Matthew Leifheit

Aus der US Prison Issue 2015

Diesen Juli hat VICE US-Präsident Barack Obama bei einem Besuch des Bundesgefängnisses in El Reno, Oklahoma, begleitet, um eine Folge über die US-Strafjustiz für unsere HBO-Serie zu drehen. Es war das erste Mal, dass ein amtierender US-Präsident ein Bundesgefängnis besucht hat. Hier ist ein Auszug aus dem Interview für die Serie, des Verständnisses halber bearbeitet.

Shane Smith: Dies ist das erste Mal, dass ein amtierender Präsident ein Bundesgefängnis besucht. Warum jetzt? Warum ist das wichtig?
Präsident Barack Obama: Im Laufe der letzten 20 Jahre ist die Inhaftierungsrate so hoch gestiegen wie noch nie zuvor. Die Gefängnisbevölkerung hat sich verdoppelt. Ein großer Prozentsatz dieser Menschen ist für gewaltlose Drogendelikte inhaftiert.

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Es gibt 21 Mal mehr Drogenstraftäter auf Bundesebene als in den 1980ern. Es gibt mehr Inhaftierungen auf Bundesebene für Drogendelikte als für Mord, schweren tätlichen Angriff, Entführung, Raub, Waffen, Immigration, Brandstiftung, Sexualstraftaten, Erpressung, Bestechung, usw. zusammengenommen.* Wie konnte es dazu kommen?
Es hat viel Angst gegeben. Der War on Drugs, die Crack-Epidemie—ich denke, es wurde parteiübergreifend wichtig, bei Verbrechen hart durchzugreifen. Niemand hat je eine Wahl verloren, weil er in puncto Verbrechen zu streng war.

Deshalb hat niemand gefragt, ob es wirklich angemessen ist, dass jemand für ernste, aber gewaltlose Drogenkriminalität eine längere Strafe bekommt als ein Vergewaltiger.

Interessant ist, dass die Gewaltverbrechensrate stetig gesunken ist, während die Kosten der Inhaftierung offensichtlich drastisch gestiegen sind.

Die Statistik ist unfassbar: Einer von 17 weißen Männer landet im Laufe seines Lebens vielleicht im Gefängnis, bei schwarzen Männern ist es einer von drei. Ist die amerikanische Strafjustiz rassistisch?
Ich denke, das Strafjustizsystem interagiert mit größeren gesellschaftlichen Mustern auf eine Art und Weise, die zu Unrecht und Ungerechtigkeit führt. Wie alle Studien zeigen, ist das System voreingenommen, sodass ein afroamerikanischer Jugendlicher für dasselbe Verhalten mit viel höherer Wahrscheinlichkeit von der Schule suspendiert wird als ein weißer Jugendlicher. Er wird mit höherer Wahrscheinlichkeit festgenommen, angeklagt, aggressiv strafrechtlich verfolgt und strenger verurteilt.

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Das System neigt sich in eine ungerechte Richtung. Vor allem im Bezug auf gewaltlose Drogendelikte. In diesem Bereich geht das so weit, dass wir uns fragen müssen, ob uns die Auswirkungen auf diese Bevölkerungsgruppen kaltlassen, ob wir denken, es sei irgendwie normal, dass schwarze und Latino-Jugendliche auf diese Art durch das System wandern. Es ist nicht normal. Und das muss in jedem Aspekt behandelt werden, um bessere Ergebnisse zu erzielen.

Sie haben bereits Drogen genommen. Und Sie sagen heute: „Ich habe in meiner Jugend ein paar schlechte Entscheidungen getroffen." Das machen fast alle Menschen. „Aber ich hatte ein Umfeld, in dem es mir möglich war, meine Fehler ohne schwere Strafen zu machen." Ist einer der Gründe, warum Sie heute hier sind, vielleicht der, dass Sie der erste Präsident sind, der Empathie für die Menschen hier hat?
Ich gehe davon aus, dass andere Präsidenten das auch so empfinden, aber ich kann Ihnen sagen, dass ich es sehr deutlich spüre.

Als ich nach Chicago zog und anfing, in einkommensschwachen Vierteln Nachbarschaftshilfe zu organisieren, machte es einen sehr starken Eindruck auf mich, an den Jugendlichen auf der Straße vorbeizufahren, die damals—ich war Anfang 20—nicht so weit von mir entfernt waren, und zu wissen, wegen welcher Fehler sie vielleicht im Gefängnis landen konnten, denn auf meine Jugend in Hawaii traf das nicht zu. Die Vorstellung, dass Sie und ich nicht genau so dort hätten landen können, dass wir immun gegen die Versuchungen der Straße gewesen wären, fühlt sich einfach nicht richtig an. Es erscheint mir unwahr.

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Sie haben—wie viele andere Menschen auch—gesagt, der War on Drugs sei gescheitert und das Strafjustizsystem habe viele Probleme. Das akzeptieren beide politischen Parteien inzwischen. Beide Seiten sagen: „Ja, es gibt Probleme." Das ist für Sie zu einem wichtigen Thema geworden. Können die Probleme gelöst werden?
Es gibt jede Menge präventive Investitionen, die wir machen können. Wir können uns darauf konzentrieren, bei jungen Menschen früh zu intervenieren. Wir können sichergehen, dass schwarze und Latino-Schüler nicht häufiger suspendiert werden.

Wenn wir wirklich in ihre Bildung investieren und sie in der dritten Klasse auch lesen wie Drittklässler, dann wissen wir, dass sie mit geringerer Wahrscheinlichkeit im Strafjustizsystem landen. Wenn wir in Bildungsprogramme im Gefängnis investieren: Sie haben gehört, wie die Männer darüber gesprochen haben, wie sehr ihnen das geholfen hat. Drogentherapie und Bildungsprogramme.

Berufsausbildungen.
Berufsausbildungen, weil wir einsehen, dass wir sie zu einem besseren Ausstieg befähigen müssen. Denn früher oder später kommen die meisten hier wieder raus.

Wenn wir bei gewaltlosen Drogendelikten Fortschritte machen können, dann kriegen wir bezüglich dieses Themas eine ausreichende Mehrheit zusammen.

Nichts ist einfach. Die meisten Leute haben mit dem Strafjustizsystem nichts zu tun und sehen nicht, welchen Einfluss es auf ihr Umfeld hat. Es gehört zu unseren Aufgaben, Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Ich denke, die Menschen haben genug Empathie und es gibt im gesamten politischen Spektrum genug guten Willen, um das hier tatsächlich hinzubekommen.


*Auf Bundesebene sind die meisten Häftlinge gewaltlose Drogenstraftäter, auf Bundesstaatenebene sind die meisten wegen Gewaltdelikten inhaftiert.