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Wer ist der Milliardär, der für David Camerons Piggate verantwortlich ist?

Wie Lord Ashcroft sein Vermögen gemacht hat, sagt sehr viel mehr aus als sein hetzerisches Buch.

David Cameron | Foto: Steve Bowbrick | Flickr | CC BY 2.0

Die britische Zeitung Daily Mail schlachtet bereits seit einer Woche das aus, was sie als „das politische Buch des Jahrzehnts" bezeichnet, die inoffizielle David-Cameron-Biografie Call Me Dave. Nachdem die größte britische Zeitung nun also seit einer ganzen Woche Storys darüber bringt—und dabei keinen Kalauer über Camerons nekrophile Misshandlung einer Schweineleiche auslässt—, finde ich es schon bemerkenswert, dass die Leute immer noch darauf anspringen. Dunkle Geheimnisse werden angeblich über die politische Elite enthüllt—doch niemand fragt, wer hier wirklich der mächtige Drahtzieher ist: Lord Ashcroft, der Milliardär, der hinter dem Buch steckt.

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Lord Ashcrofts Karriere sagt mehr über die Beziehung zwischen Geld, der konservativen britischen Partei der Torys und der Art und Weise, wie die Bewohner Großbritanniens regiert werden, als eine Geschichte über einen Penis und einen Schweinekopf. Selbst Ashcrofts Mitautor sagt, sie hätten in diesem Fall „lediglich berichtet", was ihnen „ein respektabler Tory-Abgeordneter, der zeitgleich mit David Cameron in Oxford studierte" erzählt habe, ohne darüber zu urteilen, ob die Geschichte wahr sei oder nicht.

Ich kann „lediglich berichten", dass Ashcrofts Spitzname im konservativen Hauptquartier (er war von 1998 bis 2001 Schatzmeister der Partei und von 2005 bis 2010 Vorsitzender) Blofeld war. Sie haben ihn als einen James-Bond-Bösewicht gesehen. Er hat ein Hauptquartier in einem tropischen Paradies—der Steueroase Belize—, wo er zwei riesige Jachten und einen Privatjet herumstehen hat. Er lebt zwar nicht in einem unechten Vulkan, der von Männern in orangefarbenen Overalls betrieben wird, aber er setzt seine Macht—also sein Geld—ein, um die Welt seinem Willen zu beugen.

Selbst oberflächlich gesehen ist es deutlich und wird auch offen ausgesprochen, dass Ashcroft eine rufmordende Biografie Camerons geschrieben hat, weil er wütend darüber ist, dass er sich keinen Ministerposten kaufen konnte. Das ist nicht gerade der tollste Kontext für einen angeblich brandheißen politischen Skandal.

Und das kann man sich alles denken, bevor man überhaupt nachfragt, wie es kommt, dass Ashcroft Milliardär ist. Das scheint den meisten Medien zu trivial zu sein, um es überhaupt zu erwähnen, allerdings hat Ashcroft bereits einigen Journalisten, die ihre Jobs sehr ernst nehmen, Anzeigen wegen übler Nachrede angedroht—und er hat natürlich das nötige Kleingeld und die Anwälte, um seine Drohungen wahrzumachen.

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Wer hat in den 80ern etwas wirklich Ungeheuerliches getan? David Cameron, mit einem Schwein? Ich stimme für Lord Ashcroft. Hinter den Kulissen finanzierte Ashcroft eine politische Lobby, um die Reinigung von Schulen und staatlich finanzierten Krankenhäusern zu privatisieren. Die von ihm finanzierte Lobbygruppe, PULSE genannt (die „Public and Local Service Efficiency"-Kampagne) wurde 1985 gegründet, um den öffentlichen Sektor zu überzeugen, Dienste wie Reinigung und Verpflegung an Dritte zu vermitteln. Ashcroft zahlte PULSE etwa 500.000 Pfund (die inflationsbereinigt einen heutigen Wert von etwa 1,9 Millionen Euro haben). Im Kampagnenbeirat saß eine Handvoll von rechtsgerichteten Tory-Abgeordneten wie Gerald Howarth, Neil Hamilton und Michael Portillo sowie die ehemalige Stadträtin von Westminster, Lady Shirley Porter. Die Lobbyarbeit war von großem Erfolg gekrönt.

Peter Clarke, der Mann, der die Kampagne leitete, sagte der Zeitung The Scotsman „nichts Verbotenes oder Ungehöriges" habe sich zugetragen, doch dies sei „sehr erfolgreiches Political Engineering" gewesen, denn „Herr Ashcrofts Firma Hawley Services Group war in dem neuen, durch die Lobbyarbeit von PULSE erschaffenen Markt sehr erfolgreich. PULSE wirkte wie eine Kampagne für das Volk, doch in Wirklichkeit war es ein Projekt zur Profitsteigerung für Herrn Ashcroft."

Von 1983 bis 1988 ging etwa ein Drittel der neuen Verträge für staatliche Krankenhäuser an Ashcrofts Firma Hawley Group. Nach der Privatisierung sank die Zahl der Reinigungskräfte für Krankenhäuser massiv—die Gewerkschaft Unison schätzt, dass die Zahl von über 100.000 im Jahr 1984 auf etwa 55.000 im Jahr 2005 sank. Die Löhne der Reinigungskräfte wurden ebenfalls gekürzt und ihre Arbeitsbedingungen verschlechtert. Dank dieser Privatisierung gab es in britischen Krankenhäusern Schmutz und MRSA-Infektionen. Selbst das gemäßigte Royal College of Nursing rief zu einer Abkehr von der Privatisierung auf, die Ashcroft reich gemacht hatte, denn so könnten jedes Jahr Hunderte von Todesfällen durch MRSA und andere Infektionen abgewendet werden.

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Ashcrofts Firmen kümmerten sich auch um Krankenhausverpflegung, die dank seiner Kampagne ebenfalls privatisiert worden war. Die jämmerliche Qualität des britischen Krankenhausessens gehört also ebenfalls zu seinem Vermächtnis.

Ashcroft verdiente sich eine goldene Nase, verkaufte die Firmen, die ihn reich gemacht hatten—und brachte sein Geld dann nach Übersee, nach Belize. Im Moment werden also britische Schlagzeilen durch einen Mann generiert, der sich am öffentlichen Sektor Großbritanniens unfassbar bereichert und das Geld dann in eine weit entfernte Steueroase geschafft hat. In dem zentralamerikanischen Land ist er sehr mächtig, da ihm die größte Bank des Landes, Belize Bank, sowie viele andere Einrichtungen gehören. 2009 sagte der Premierminister von Belize, Dean Barrow: „Ashcroft ist ein extrem mächtiger Mann. Sein Reinvermögen ist so groß wie das gesamte Bruttosozialprodukt von Belize. Er ist niemand, mit dem man es sich verscherzen will."

Ashcroft wollte ein britischer Minister werden, nachdem er sein Geld in einer zentralamerikanischen Republik vor der britischen Besteuerung geschützt hatte. Ashcroft dachte, seine Spenden an die Torys im Wert von acht Millionen Pfund könnten ihm eine Abkürzung auf dem Weg zum Ministerposten eröffnen, ganz ohne so lästige Anforderung wie dem normalen Wahlverfahren. Cameron bot ihm sogar tatsächlich einen Posten als „Junior Whip", also als untergeordneter „Einpeitscher" der Partei, im Außenministerium, doch Ashcroft lehnte diesen ab, da er fand, er habe sich einen wichtigeren Posten gekauft. Ashcroft sagt, er habe „das als ein ablehnungswürdiges Angebot gesehen. Es wäre besser gewesen, wenn Cameron mir stattdessen gar nichts angeboten hätte." Ashcroft argumentiert, Cameron sei nicht „modern" genug, doch er selbst hat eine Einstellung zur Funktionsweise einer Regierung, die noch aus der Zeit vor der industriellen Revolution stammt.

Cameron wird dank Ashcrofts Buch in der Presse gebeutelt, doch in Wirklichkeit dreht sich diese ganze Geschichte nur darum, dass er es Ashcroft nicht erlaubt hat, sich einen Platz in der Regierung zu erkaufen. Was auch immer seine Beweggründe dafür waren, er hat ausnahmsweise mal das Richtige getan. Ein Buch voll gerade noch politischer Hetze, das von einem wütenden Milliardär veröffentlicht wurde, sagt uns etwas über unser politisches Klima, aber nicht sehr viel über David Cameron.

Für diesen Artikel habe ich Lord Ashcroft um Kommentar gebeten, doch er hat auf meine Anfrage nicht reagiert.