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Der Amoklauf des Vorarlberger Neonazis sollte nicht unbeachtet bleiben

Was wäre wohl in Österreich losgewesen, wenn ein durchgeknallter Islamist der Täter gewesen wäre?

Foto der Tatwaffe mit freundlicher Genehmigung der Polizei Vorarlberg.

In der Nacht des Wahlabends lief ein amtsbekannter Neonazi Amok. Die Polizei schildert den Vorfall folgendermaßen: Der 27-jährige Gregor S. stritt mit seiner Freundin, worauf er mit dem Firmenauto aus der gemeinsamen Wohnung eine Waffe und dazugehörige Munition holte. Bei der Rückkehr zum Festival des Motorradclub "The Lords" diskutierten sie abermals. "Nichts Gravierendes", wie die Polizei meint.

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Der alkoholisierte Installateur sah aber um 03:00 Uhr in der Früh, wie man es von anderen Amokläufern kennt, offenbar rot und ging zu seinem Auto. Seine Partnerin konnte ihn nicht mehr abhalten. Er hielt das vollautomatische Sturmgewehr auf das finstere Fest-Gelände und ballerte "wahl- und ziellos" ein Magazin leer (30 Schuss), bevor er sich mit dem zweiten Magazin selbst richtete. Zwei Männer starben, zwölf Menschen wurden verletzt, eine Person schwebt noch immer in Lebensgefahr. Die Cobra konnte Minuten später nur noch das Blutbad bestätigen. Die Lebensgefährtin, die unversehrt blieb, identifizierte den Tatverdächtigen.

Bei der anschließenden Hausdurchsuchung fand die Polizei eine "versperrte Blechkiste", in der sie "Werfergranaten, Kriegsmunition, eine Gaspistole und rechtsextreme Schriften und Bücher" fand. Die Tatwaffe, so vermutet es die Polizei derzeit, dürfte Gregor S. in Serbien erworben und illegal nach Österreich geschmuggelt haben. Es handelt sich um eine Zastava M92—ein Nachbau einer Kalashnikov, die in Österreich als Kriegswaffe illegal ist.

Der Tatverdächtige ist kein Unbekannter; und das gleich in mehrerer Hinsicht. Kriminalpolizeilich fiel er 2004, 2005 und 2009 auf. Bei einer polizeilichen Befragung von mehreren Männern tauchte 2004 plötzlich eine Gaspistole auf, die Beamten konnten nicht eruieren, von wem. Deshalb wurden für alle ein Waffenverbot beantragt und bewilligt. 2005 und 2009 störte Gregor S. Demonstrationen und wurde rechtskräftig wegen "Körperverletzung" und "gefährlicher Drohung" verurteilt. 2015 beantragte er die Aufhebung des Waffenverbots. Die Bezirkshauptmannschaft lehnte dies—wohl aufgrund einer Stellungnahme des Verfassungsschutzes—ab.

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Denn auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hatte Gregor S. am Radar: Das BVT stufte ihn als rechtsextremen Neonazi ein, der zwischen 2005 und 2010 enge Kontakte zur Vorarlberger "Blood and Honour"-Szene pflegte. "Danach gab es keine Wahrnehmungen mehr", so der Polizeisprecher, der mutmaßt, dass Gregor S. seit 2013 wohl nicht mehr Teil der "Blood and Honour"-Bewegung ist. Es gab jedenfalls für die Polizei keinen Grund, aktiv zu werden. Der Aktions-Blog "Stoppt die Rechten!" hat die rechtsextreme Vergangenheit (und möglicherweise Gegenwart) des Täters genauer recherchiert. Auf Bildern sieht man Gregor S. beim "Blood & Honour-Schießwettkampf".

Offiziell hat sein rechtsextremer Hintergrund nichts mit der Tat zu tun, als Motiv nennt die Polizei den "Beziehungsstreit". Und das ist—sollte seine extreme Gesinnung wirklich keinen Einfluss auf die Tat gehabt haben—auch gut so. Menschen machen bestimmte Sachen nicht ausschließlich, weil sie X oder Y sind; ein Tatzusammenhang muss gegeben sein.

Aus der Vergangenheit kennen wir das leider anders. Als ein Mann in Graz Amok lief, schrieb Heinz-Christian Strache Minuten später auf Facebook: "Wahnsinnstat in Graz! Der Täter ist aus Bosnien." Damals war Österreich geschockt, Medien richteten Live-Ticker ein, weil—gleich wie in Nenzing—drei Menschen starben. Was wäre wohl gewesen, wenn der Täter in Vorarlberg jemand anderer gewesen wäre? Ein Islamist? Ein Flüchtling? Die öffentliche Stimmung wäre wohl anders—und auch unappetitlicher. Mal davon abgesehen, dass "Bosnier" zweifellos ein weniger kriminelles Adjektiv ist als ein mehrmals verurteilter Rechtsextremer, der mit Waffen hantiert.

Man könnte den Behörden und Medien natürlich vorwerfen, dass sie auf dem rechten Auge blind sind, wie es das Mauthausen Komittee und die Grünen in ihren Presseaussendungen andeuten. Man könnte aber auch sagen, Österreich reagiert sehr besonnen und sachlich auf dieses Blutbad. Hochgekochte Emotionen gegen eine Gruppe von Personen, nur weil einer etwas falsch gemacht hat, sind nicht schlau.

Aber wenn man das sagt, bleibt irgendwie das beklemmende Gefühl, dass es beim nächsten Verbrechen eines Ausländers in der Öffentlichkeit wild zugehen wird. Dieser Text soll daran erinnern, dass selbstverständlich auch Rechte Amok laufen—auch wenn solche Vorfälle nicht für gleich viel Aufmerksamkeit sorgen.

Christoph auf Twitter: @Schattleitner