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Hinter den Kulissen von "Queen USA" – dem Schönheitswettbewerb für Trans-Menschen

Die Trans-Community wird gefeiert und benutzt das traditionelle Format der Beauty Contests für die eigenen Zwecke.

Queen USA-Anwärterinnen posieren während der Eröffnungsnummer des Schönheitswettbewerbs | Alle Fotos: bereitgestellt von Araya Diaz

Mehrere Frauen stehen in Zehnerreihen auf der Bühne und jede von ihnen posiert mit einer Hand auf der Hüfte. Sie alle tragen eine weiße Schärpe über ihren roten Cocktailkleidern. Einige haben ihre Outfits mit Pailletten und Federn geschmückt. Andere kreieren mit Tutus und Quasten einen umwerfenden Anblick. Mit einem Lächeln im Gesicht richten sie ihre Blicke starr geradeaus und warten darauf, dass sie an der Reihe sind, die Jury zu beeindrucken.

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Als Miss Florida aufgerufen wird, läuft sie vor zum Mikrofon und sagt, dass sie gerne Sport macht, zusammen mit ihrem Mann in die Kirche geht und einen YouTube-Channel betreibt. Miss Georgia erzählt von ihrer Vorliebe fürs Turnen und von ihrem Hund. Miss Missouri stellt sich als Krankenschwester, Model und baldige Ehefrau vor.

Einige der Frauen, die familiäre und religiöse Werte verkörpern, treten so geschniegelt auf, wie viele der Kandidatinnen der berühmten "Miss USA"- und "Miss Universe"-Schönheitswettbewerbe, die sich lange im Besitz von Donald Trump befanden. Beim jährlich stattfindenden "Queen USA"-Schönheitswettbewerb, dessen 15. Ausgabe vergangenes Wochenende in Los Angeles abgehalten wurde, ist ein entscheidendes Detail jedoch anders: Alle Teilnehmerinnen sind entweder Trans* oder identifizieren sich mit keinem Geschlecht.

Der Wettbewerb, der 2001 ins Leben gerufen wurde, gehört seit diesem Jahr auch zum Programm des ersten "TransNation"-Festivals. Und zum ersten Mal fand das Ganze auch an einem etablierten Austragungsort statt und zur Jury zählten illustre Namen wie Caitlyn Jenner oder Kelly Osbourne. Queen USA ist eine Wohltätigkeitsveranstaltung, um einerseits Geld für das Trans-Gesundheitswesen zu sammeln und andererseits ein Bewusstsein für die Community zu schaffen.

Gleichzeitig gibt es aber auch bei diesem Contest Teile, die schon seit langem dafür kritisiert werden, Frauen nur aufgrund ihres Aussehens zu bewerten—zum Beispiel das Posen im Badeanzug, die Jury und die am Ende winkende Krone.

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Caitlyn Jenner (links), Kelly Osbourne (Mitte) und Betty "Miss America" Cantrell (ganz rechts) am Jurytisch

Trans-Schönheitswettbewerbe wie Queen USA sind laut der Künstlerin und Trans-Aktivistin Zackary Drucker ein Paradoxon. Einerseits identifizieren sich die Teilnehmerinnen alle als Trans*-Aktivistinnen und sehen die Veranstaltung als Möglichkeit, eine aktivere Führungsrolle innerhalb der Community einzunehmen. Andererseits müssen sie dafür aber in Stöckelschuhen und Badeanzügen herumstolzieren. Und das bedeutet, dass sich viele der Anwärterinnen nicht nur geschlechtsanpassende OPs leisten konnten, sondern auch als "echte" Frauen durchgehen, die fotogen und charmant rüberkommen.

Trotzdem ist Drucker der Meinung, dass Trans-Schönheitswettbewerbe ganz anders funktionieren als Cisgender-Schönheitswettbewerbe und das Format nur nachmachen, um es für die eigenen Zwecke zu nutzen. "Ich verstehe schon, wie die Cis-Varianten solcher Veranstaltungen antifeministisch sind. Sie festigen nämlich die konventionellen Standards der Weiblichkeit", erklärt sie. "In der Trans*-Community hatten wir schon immer Probleme damit, uns eine Bühne zu schaffen, auf der wir uns hübsch fühlen können. Hier feiern wir nun unsere Gemeinschaft. Und zwar für uns selbst und nicht für das männliche Auge."

Drucker arbeitet als Produzentin für die Fernsehserie Transparent und ist schon seit Jahren bei den Queen USA-Veranstaltungen dabei. Früher fanden die übrigens noch in verschiedenen Schwulenclubs von Los Angeles statt, die es heute gar nicht mehr gibt.

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"Schönheitswettbewerbe haben eine lange Tradition und boten Trans-Menschen damals eine der ersten Plattformen für die Bildung einer Community", sagt sie. Diese Tradition nahm in den 50er Jahren ihren Anfang, als die New Yorker Drag-Ikone Flawless Sabrina den "Miss All-America Camp Beauty Pageant" ins Leben rief. Dabei handelte es sich um eine aufwändige Drag-Show, die schon Jahrzehnte vor der eigentlichen Trans-Bewegung existierte, als Cross-Dressing in Teilen der USA sogar noch verboten war.

Ab und an halten manche Leute Queen USA fälschlicherweise für einen Drag-Schönheitswettbewerb. Die Teilnehmerinnen sind jedoch "Vollzeit"-Frauen. Inzwischen sind Trans-Schönheitswettbewerbe auf der ganzen Welt so beliebt geworden, dass viele Titelaspirantinnen im Laufe des Jahres an mehreren Veranstaltungen teilnehmen. Kataluna Enriquez, auch als Miss California bekannt, formuliert es folgendermaßen: "Wenn du schon eine Diät durchziehst und dich intensiv auf einen Wettbewerb vorbereitest, warum solltest du dich dann nicht auch noch für einen zweiten anmelden?" Queen USA ist ihr dritter Contest innerhalb von zwei Monaten. Und bei einem Preisgeld von 10.000 Dollar lohnt es sich, gut auszusehen.

An so etwas teilzunehmen, beflügelt einen richtig. Das hatte ich nicht erwartet.

Wenn Trans-Frauen regelmäßig zu Opfern von Gewalt werden, weil sie in der Öffentlichkeit nicht als Frauen "durchgehen", dann wirkt ein Schönheitswettbewerb, bei dem gutes Aussehen eine große Rolle spielt, schon fast kontraintuitiv. Karina Samala, die Initiatorin von Queen USA, sieht das jedoch anders. Für sie ist die Veranstaltung eine Plattform, bei der man voneinander lernt und für seine Interessen eintritt. Die Teilnehmerinnen wollen dabei halt noch so gut aussehen wie nur möglich. "Natürlich will sich hier jeder produzieren und sich auf die bestmögliche Art und Weise präsentieren", erklärt Samala. "Alle Mitglieder der Community wollen besser aussehen. Und daran arbeiten wir."

Diese Arbeit beinhaltet für viele Teilnehmerinnen monatelange Diäten und Sport, um sich für den Wettbewerb in Form zu bringen. Und obwohl Samala immer wieder betont, dass Schönheitsoperationen keine Voraussetzung sind, ist es trotzdem offensichtlich, dass das Auftreten der Frauen in Cocktailkleidern, Badeanzügen und Abendkleidern einen Großteil der Gesamtpunktzahl ausmacht. Und nur die zehn besten Teilnehmerinnen (fast alle mit schlanken Hüften und runden Kurven) kommen in die finale Runde und dürfen dort mit der Jury sprechen.

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Samala, die selbsternannte "Schönheitskönigin von damals", wurde 1991 zur Queen of the Universe gekrönt. Später erwarb sie dann die Rechte für diese Veranstaltung, die bis in die 70er Jahre zurückgeht und als der "Transgender-Schönheitwettbewerb Nummer eins" angepriesen wird. 2001 rief Samala die Queen USA-Competition ins Leben, um einen Vorentscheid zu schaffen. Die Gewinnerinnen kämpfen nämlich anschließend um den Titel der Queen of the Universe.

Jim Mangia, der Vorsitzende des St. John's Well Child and Family Centers, verleiht zusammen mit Karina Samala eine Auszeichnung. Die beiden haben sich zusammengetan, um den diesjährigen Wettbewerb in eine Benefizveranstaltung für das Trans*-Gesundheitsprogramm von St. John's zu verwandeln

Samala hätte sich eine Karriere im Bereich Schönheitswettbewerbe niemals erträumen lassen. Ihre erste Teilnahme passierte im Zuge einer Mutprobe beim sogenannten "Closet Ball", wo die Teilnehmer erst als Männer und eine halbe Stunde später als Frauen bewertet werden.

"An so etwas teilzunehmen, beflügelt einen richtig. Das hatte ich nicht erwartet. Als mich dieses Gefühl überkam, meinte ich nur: 'Oh mein Gott, ich liebe es!'", erzählt Samala. Zu dieser Zeit führte sie noch ein Doppelleben: Tagsüber trug sie einen Anzug und war beim US-Militär angestellt, abends schlüpfte sie dann in ihre Frauenrolle und trat in verschiedenen Schwulenclubs auf. Letztendlich traf sie dann die Entscheidung, ihren Job zu kündigen und die Geschlechtsangleichung durchzuziehen. Die Schönheitswettbewerbe haben ihr laut eigener Aussage dabei geholfen, sich als trans* zu outen.

Am Abend der Queen USA-Veranstaltung trägt Samala ein goldenes Kleid, das bis zum Boden reicht. Dazu kommen dann noch ein Umhang und eine mit Juwelen besetzte Krone, die so weit hochragt, dass Samala größer ist als alle Anderen auf der Bühne. Als die Jury die drei Finalteilnehmerinnen auswählt, treten zwei ehemalige Schönheitsköniginnen ins Rampenlicht.

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Zum einen die letztjährige Queen USA-Gewinnerin Hailie Sahar, die ihre Krone nun weitergibt, und zum anderen Betty Cantrell, die aktuelle Miss America. Dieser Auftritt steht sinnbildlich für die Solidarität mit der Trans-Community sowie die offensichtlichen Parallelen zu den traditionellen Cisgender-Schönheitswettbewerben. Die beiden performen anschließend Lady Gagas Hit "Born This Way".

Kataluna Enriquez aka Miss California (Mitte) wird zur Queen USA gekrönt

Nach dem Duett kommen die letzten zehn Teilnehmerinnen erneut auf die Bühne, weil zuerst noch weitere Preise verliehen werden. Nach unzähligen Outfit-Wechseln, wochenlanger Vorbereitung und schweißtreibenden Übungsstunden ist es dann aber endlich soweit und die die neue Queen USA wird gekürt. Die Siegerin ist Miss California—quasi ein Heimspiel. Es regnet Konfetti und im Hintergrund dröhnt Beyoncés "Crazy in Love" aus den Lautsprechern.

Miss California hat mir vorher in der Umkleide von einem nicht so glücklichen Abschnitt ihres Lebens berichtet. "Ich war einsam, fühlte mich verloren und es gab niemanden, zu dem ich aufschauen konnte", erzählte sie mir über ihre Kindheit. "Ich mache das hier, weil ich weiß, dass es da draußen Menschen gibt, die unter noch viel härteren Bedingungen aufwachsen und leben müssen. Deshalb will ich für diese Menschen eine Art Inspirationsquelle sein."

In ihrem pinken Kleid steht Miss California nun vor Hunderten Leuten, richtet mit der einen Hand ihre Krone und umklammert mit der anderen den Blumenstrauß. Ihre Siegestrophäe ist so groß, dass ein oberkörperfreier Mann dabei helfen muss, sie auf die Bühne zu bringen. Mit feuchten Augen lächelt sie überglücklich. Und wie eine echte Queen USA dreht sie sich mit offenen Armen zu ihren Konkurrentinnen, um gemeinsam zu feiern.