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Welcher Drogencocktail bringt dich zum Einschlafen?

Für eine Performance musste ich auf der Bühne schlafen, während eine Sängerin auf mir hockt und singt und das Publikum mich anmalt und sogar wachst. Dafür habe ich mir einen ziemlich starken Schlafcocktail gemixt.

Achtung: Bis auf den den Schlaftee und den Homöopathie-Kram solltet ihr nichts hiervon selber ausprobieren, da es ziemlich dumm ist. Seid froh, dass es jemand anderes gemacht hat, und lasst die Finger davon. Dieser text dient ausschließlich der Unterhaltung und soll keine Anleitung sein.

Ich bin Oliver Behrmann, Künstler, und wollte eine Performance in einer Kunstgalerie machen, wo ich vor dem Publikum einschlafen muss. Also brauchte ich starke Schlafmittel. Ich rief also bei einem Anästhesisten an und wollte ihn bitten, mich für 20 bis 30 Minuten in einen Vollnarkose zu versetzen. Ja, ich weiß, es ist keine übliche Anfrage.

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„Ja, fragen Sie mal Ihren Vorgesetzten, ich warte.“ (Musik)

(10 Minuten später) „Aha, es geht also auf keinem Fall?“

„OK, ich verstehe. Natürlich. Trotzdem vielen Dank für die Info. Tschüs!“

Wieder stand ich vor einem sozusagen „technischen“ Problem. Ich wollte nur einschlafen, eigentlich etwas ganz Einfaches, aber nicht, wenn man es tagsüber vor 40 Leuten machen muss und eine Person auf dem Bauch sitzen hat.

Ich arbeitete an einem Kunstprojekt, das von Albträumen handelt. Ich hatte aus einem Bett, Neonlichtern und durchsichtigem Klebeband eine Installation aufgebaut, in der sich eine Schar mutierter Riesenspinnen vom Deckennest auf das daruntergelegene Bett stürzte.

Ein Horrorszenario in pinkem Neonschein. Zum Abschluss wollte ich dort eine Performance nach der Vorlage eines klassischen Gemäldes aus der Romantik, „Der Nachtmahr“ (1781), von Füssli bringen. Auf dem Bild sieht man eine Schlafzimmerszene, in der ein nächtlicher Dämon (Alb, Mahr oder Incubus) auf dem Bauch einer schlafenden Frau hockt, um Atemnot und Albträume bei ihr zu provozieren.

Ich würde schlafen, während die Sängerin Trinidad auf meinem Bauch hockt. Danach darf das Publikum alles mit meinem bewegungslosen Körper machen. Schere, Rasiermesser, Farbe oder Wachsstreifen würde ich ihnen zur Verfügung stellen.

Es war mir klar, dass ich wirklich schlafen oder mich in irgendeiner Art von bewusstlosem Zustand befinden müsste. Eine Vollnarkose wäre genau das Richtige gewesen: Ich würde noch wach im Bett liegen, komplett verkabelt und an verschiedene Monitore angeschlossen, bis mir der Anästhesist eine Betäubungsspritze gibt. Ich wäre sofort KO gewesen, und die Performance könnte beginnen.

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Ich rief alle meine Bekannten an, die beruflich irgendetwas mit Medizin zu tun hatten, und erzählte ihnen von meinem Projekt. Aber das, was ich vorhatte, ging selbst den aufgeschlossensten Ärzten zu weit, und sie erklärten mich zum Spinner. Mir blieb dann nichts anderes übrig, als mich selbst mit einer Überdosis Schlafmitteln zu betäuben.

Eigentlich hatte ich überhaupt keine Ahnung von Schlafpillen und ihrer Wirkung, also beschloss ich, verschiedene Produkte erstmal zu testen. Dazu holte ich mir alles, was man legal oder illegal gegen Schlaflosigkeit kriegen konnte: Schlaftees aus dem Supermarkt, rezeptfreie Tabletten aus der Apotheke, Beruhigungsmittel und Hypnotika beim lokalen Drogendealer, und sogar eine selbstgebraute Opiumtinktur aus wildwachsendem Schlafmohn aus den Bergen.

Es war schon eine ausgeflippte Idee, eine Woche lang non-stop zu schlafen, um alle Produkte, die ich nun hatte, ausgiebig zu testen. Ich beschloss, durch die Wohnzimmer verschiedener Freunde zu touren, mich mit Schlafmitteln vollzuknallen, und auf deren Sofas zu pennen. Ich brauchte Leute, die mich beim Schlafen beobachteten und Protokoll führten, die sich auf mich draufsetzten und auch sonst irgendwie belästigten und fies behandelten.

Genauso war es auch, und innerhalb von ein paar Stunden hatte ich mein Schlaftourkalender für die kommende Woche vollgeplant. Ich fing mit den ungefährlichsten Produkten an und steigerte allmählich die Dosierung und Kombinationen, bis ich an der Grenze zwischen Schlaf und Koma angekommen war.

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Nach einer Woche des radikalen Dauerschlafs wusste ich nun genau, welche Schlafmittel reinhauen und welche nur billige Verarschungen sind. Hier ist, was ich herausgefunden habe:

Schlaftees:

Schlaftees kann man in allen Supermärkten kaufen. Ich hatte mir eine Packung InfuRelax von Horlimans geholt (um die 3 € für 25 Teebeutel). Die Marke ist eigentlich egal, alle Schlaftees sind ähnlich, sie beruhigen, haben aber eher einen Placebo-Effekt, wenn es um das Einschlafen geht. Es ist angenehm, etwas schön Warmes im Magen zu haben, bevor man schlafen geht, aber im Grunde musst du davon nur aufs Klo rennen, was dich irgendwie wieder wach macht.

Fazit: Placebo. Geeignet als schlafeinleitendes Mittel.

Rezeptfreie Schlafmittel auf pflanzlicher Basis:

Sind in jeder Apotheke oder jedem Homöopathie-Shop erhältlich und werden in Tablettenform angeboten. Sie werden aus Extrakten von Baldrianwurzeln, Melisseblättern oder Passionsblumenkraut gewonnen. Ich habe Valeriana Forte von Kneipp (auch unter Schlaf Gut Forte zu finden) ausprobiert, kostet um die 5 € für 15 Tabletten. Es war ein netter Versuch, man wird von dem Zeug auch müde, aber zum Einschlafen hat es nicht gereicht, auch nicht bei 10-facher Dosierung.

Fazit: Placebo. Geeignet als schlafeinleitendes Mittel.

Rezeptfreie synthetische Schlafmittel (Antihistaminika)

Sind in jeder guten Apotheke erhältlich und werden in Tablettenform angeboten. Das stärkste heißt Dormutil oder Vivinox, 25 Tabletten gibt's dort für 6 € und damit bin ich zum ersten Mal so richtig auf dem Sofa eingepennt, allerdings erst bei doppelter Dosierung. Es wirkt schon nach einer halben Stunde und der Effekt dauert circa drei bis vier Stunden. In dieser Zeit ist man zwar leicht aufweckbar, man pennt aber danach wieder recht schnell ein. Beim Erwachen kriegt man leichte Kopfschmerzen, sonst nichts.

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Fazit: Mittelmäßig. Gut zum Einschlafen, aber man hat keinen festen Schlaf.

Rezeptpflichtige Beruhigungsmittel (Sedativa):

Gibt's bei der Apotheke gegen Rezept oder versteckt im Medikamentenschränkchen deiner Mutter, zu der Gruppe gehört auch das berühmte Valium. Ich war aber auf Teneriffa und habe mich für das in Spanien eher gebräuchliche Orfidal entschieden. Gegen Rezept gibt's 25 Tabletten für unter 2 €. Wirkt am besten, wenn man es mit einem Gläschen Schnaps herunterspült, die Nebenwirkungen sind dann natürlich auch heftiger. Eine Tablette wirkt, bei zwei oder drei ist man auf der sicheren Seite, KO umzufallen und nur ganz schwer geweckt zu werden. Es wirkt nach ein bis zwei Stunden und anschließend kann man sich für weitere acht oder neun von der Welt verabschieden. Spürbare Kopfschmerzen und man fühlt sich matt und lustlos.

Fazit: Knallt. Gut zum Einschlafen. Fester, andauernder Schlaf. Wirkt verstärkt mit Alkohol und Hypnotika.

Rezeptpflichtige Schlafmittel (Hypnotika):

Gibt's bei der Apotheke gegen Rezept oder beim Drogendealer. Man kann sie in zwei Gruppen unterteilen: Benzodiazepine wie z.B. Noctamid und Nicht-Benzodiazepine wie z.B. Stilnox. Der Unterschied ist hauptsächlich, dass die ersten schneller abhängig machen als die zweiten, aber das war mir ja völlig egal—ich brauchte sie ja schließlich nur für meinen Auftritt. Stilnox wird wegen der Halluzinationen, die als Nebeneffekte auftauchen, manchmal mit anderen Partydrogen vermischt und gezogen.

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Auf Rezept kriegt man eine 30er-Packung für unter 3 €. Mit Alkohol wird ihre Wirkung verstärkt, also am besten gleich mit einem Shot Wodka oder Ähnlichem runterspülen, dann ist man innerhalb von 20-30 Minuten garantiert hinüber. Halluzinationen, doppeltes Sehen und Gedächtnisstörungen treten auf, wenn man zwischendurch geweckt wird. Ich wachte auf dem Sofa meines Kumpels total berauscht auf und wusste nicht mehr, wo ich war und wie ich dort hingekommen bin. Danach konnte ich nicht so einfach wieder einschlafen, weil ich noch völlig auf meinem Trip war. Die Wirkung dauert um die fünf Stunden. Wenn man mehr als zwei Tabletten schluckt, bekommt man am nächsten Tag einen üblen Kater mit Kotzanfällen und starken Kopfschmerzen.

Fazit: Haut rein! Sehr gut zum Einschlafen. Fester, aber nicht andauernder Schlaf. Wirkt verstärkt mit Alkohol, Sedativa und Opiaten. Berauscht mit Halluzinationen.

Bei starker Überdosis tödlich!!!

Laudanum (Opiumtinktur)

Wer kein Rezept hat, kein Geld, oder mehr auf illegale Bioprodrogen steht, kann sich sein eigenes Schlafmittel aus Urgroßomas Zeiten selbst herstellen, es heißt Laudanum. Der Mediziner Paracelsus erfand diese Mischung aus Opium und Alkohol und war zwischen dem Mittelalter und dem Anfang des 19. Jahrhunderts damit sehr populär. Produktion und Besitz von Laudanum sind heutzutage laut deutschem Betäubungsmittelgesetz verboten, was mich aber nicht darin hinderte, auf Teneriffa damit zu experimentieren. Passenderweise war ich im Juni auf der Insel, also genau zum Anfang der Blütezeit vom Schlafmohn (Papavum somniferum), welches auf den Bergen wild wächst.

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Im Vergleich zu den afghanischen Schlafmohnpflanzen, die eine Höhe von 1,5 Meter erreichen, sind die kanarischen eher Winzlinge. Sie werden kaum größer als 40 cm. Auch der Anteil der Alkaloide war mir nicht ganz klar, aber mit Sicherheit hatten sie deutlich weniger als ihre afghanischen Artgenossen, dessen Morphiumgehalt ein Anteil von 23% erreichen kann. Wikipedia bietet für die Herstellung von Laudanum detaillierte Informationen, allerdings nicht auf deutscher Sprache, so dass man auf die spanische, bzw. englische Version zurückgreifen muss.

Herstellung von Laudanum: Als Erstes muss man den Milchsaft austrocknen, bis er sich zu einer braunen, klebrigen Masse verfestigt hat. Dieses Rohopium wird dann in möglichst kleine Teile geschnitten und in einer alkoholhaltigen Flüssigkeit für mehrere Tage oder Wochen eingelegt, bis es sich komplett auflöst. Es gibt verschiedene Varianten, die sich von der Zusammensetzung der alkoholischen Flüssigkeit unterscheiden. Ich hatte mich für das sogenannte Sydenham Laudanum entschieden, eine Art Glühwein mit 10% Opiumgehalt. Eine normale Dosis beträgt 30 Tropfen, aber entweder hatte ich bei der Herstellung etwas falsch gemacht, oder das Opiumgehalt vom Schlafmohn war einfach zu schwach, denn zum Einschlafen kam ich nie, ich war einfach nur die ganze Zeit schön berauscht. Die Effekte treten nach einer Stunde auf und dauern weitere fünf bis sechs Stunden. Man kriegt einen leichten Kater danach.

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Fazit: Berauscht. Gutes schlafeinleitendes Mittel, steigert erheblich die Wirkung von Hypnotika. Achtung: bei Überdosierung tödlich!

Mit meinem Schlafmittelcocktail zum Albtraum

SWEET DREAMS von Oliver Behrmann auf Vimeo.

Nach dieser ausgiebigen Testphase war ich nun prima für die Performance vorbereitet. Den Drogencocktail, den ich mir ausgesucht hatte, war nur ein bisschen kräftiger als der letzte, den ich etwa 14 Stunden zuvor genommen hatte. Ich wollte allmählich in den Tiefschlaf hineinrutschen und um 20 Uhr live vor dem Publikum einschlafen. Dazu fing ich schon drei Stunden vorher an und schluckte mit einem Schlaftee die erste Tablette Orfidal herunter.

Eine Stunde später kam die zweite hinzu, ebenfalls mit einem Tee heruntergespült. Inzwischen waren schon Trinidad, der Arzt und der Fotograf zur Galerie gekommen. Eine Stunde vor dem Start spülte ich mit Sekt die dritte und letzte Pille Orfidal herunter,  zusammen mit 30 Tropfen von meinem selbstgebrautem Laudanum. Danach nahm ich eine lange, warme Dusche, während ich mir ein kaltes Bier hineinkippte. Allmählich begannen meine Kräfte zu schwinden, ich wankte zum Bett, öffnete die Packung Stilnox und schluckte anderthalb Tabletten mit einer neuen Bierdose herunter.

Kurz bevor die ersten Zuschauer hereinkamen, nahm ich die restliche halbe Pille Hypnotika und trank ein letztes Bier auf ex.

Meine Augenlieder fielen immer weiter zu, das Publikum setzte sich auf den Boden, bildete ein Kreis um mein Bett herum und wartete, bis ich einschlief. Es war sehr still, ich war absolut weg. Ich merkte nichts, als sich Trinidad auf meinem Bauch setzte und ihre Songs spielte. Auch nicht als sie zwischen den Liedern meine Beine rasierte oder meine Arme anmalte.

Ich zuckte ab und zu und einige Muskeln begannen zu zittern. Der Arzt überprüfte meinem Puls, Herzschlag und Sauerstoffgehalt im Blut: Alles normal, die Performance ging weiter. Mein regungsloser Körper wurde zuerst angestarrt, dann bemalt. Erst sanft, am Ende mit Farbe zugeschüttet. Meine Haare wurden rasiert, geschnitten, mit einer Pinzette herausgezogen und letztendlich mit Wachsstreifen auf brutalste Weise herausgerissen. Ich merkte nichts, schlief nur weiter, mein Schlafmittelcocktail hatte gewirkt. 40 Personen standen nun um mich herum, tranken Sekt und lachten mich aus. Ich lag dort, quer im Bett, nackt vor ihnen, betäubt, überall mit Farbe vollgespritzt, angemalt und enthaart, eine surreale Szene, ein Bild aus einem Traum, aus einem echten Albtraum.