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New Yorker Polizisten nehmen dich fest, wenn du Kondome dabei hast

Besonders wenn sie eine Quote erfüllen müssen und denken, du siehst aus wie eine Prostituierte.

Die Frau wollte wissen, warum Officer Hill sie angehalten hatte.

Sie trug Shorts und ein enges rotes T-Shirt und stand schon eine halbe Stunde draußen herum. Sie hatte sich mit einem Passanten unterhalten. In ihrer Tasche fand Officer Hill ein Kondom und einen Dollar und 25 Cent.

Der Officer nahm sie fest, weil „Verdacht auf Prostitution” bestand. In seinen Papierkram schrieb er, welche Klamotten sie getragen und wie viele Kondome sie dabei hatte.

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Ich las mir dieses Formular durch. Eine Studie des PROS-Netzwerk (die Initiative unterstützt Prostituierte) zeigt, wie die New Yorker Polizei Leute festnimmt, nur weil sie Kondome bei sich tragen. Ich musste daran denken, dass ich immer gerne in engen T-Shirts draußen abhänge, wenn der Frühling kommt. Da dachte ich: „Sie ist ja wie ich oder alle meine Freunde.“

Die New Yorker Polizei kann einen festnehmen, wenn man Kondome bei sich hat, aber das hängt auch davon ab, wer man ist. Als weißes Mädchen aus der Mittelklasse (so wie ich) wird es dich vielleicht nie treffen. Aber die Sache sieht anders aus, wenn du eine Prostituierte bist oder ein schwuler Junge, der zu Hause rausgeworfen wurde. Oder als Transe, die mit ihrem Freund essen geht. Vielleicht bist du auch schon vorher mal der Sexarbeit verdächtigt worden oder ein Bulle muss seine Quote erfüllen.

Vieles an dem US-Rechtssystem ist einfach zum Lachen. Wahrscheinlich hast du noch nie davon gehört, dass du für ein paar Kondome verhaftet werden kannst, bis es eines Tages passiert. Monica Gonzalez ist Krankenschwester und Großmutter. 2008 wurde sie festgenommen, als sie mit einem Asthmaanfall gerade ins Krankenhaus wollte. Der Officer hielt sie für eine Prostituierte. Von dem Kondom, das er bei ihr angeblich fand, fehlte später jede Spur. Nach ihrem Freispruch verklagte Gonzalez die Stadt. Selbst wenn sie wirklich ein Kondom dabei gehabt hätte—warum sollte man sie dafür verhaften?

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Eine Verhaftung ist eine schlimme Sache. Vielleicht werden ein paar Rippen gebrochen, vielleicht auch nicht. Aber im Wesentlichen bedeutet eine Festnahme in den USA immer noch, dass man Handschellen angelegt bekommt und in einen Käfig sperrt wird. In den Zellen stinkt es nach Scheiße und sie sind oft überfüllt. Bis zu drei Tage darf die Polizei die Festgenommenen da drin sitzen lassen—lange genug, um vielleicht den Job zu verlieren. Das weiß zwar jeder, aber ich sage es trotzdem, weil die weiße Mittelklasse gerne die Untersuchungshaft verharmlost. Ständig sagen alle, dass man damit „die Leute von der Straße holt”. Erst wenn es mal ihre eigenen Kinder erwischt, verstehen sie, dass nur die Vorstellung, verhaftet zu werden, schon traumatisch sein kann.

Prostitution zählt in New York nur als Ordnungswidrigkeit. Aber wenn es dich nur einmal erwischt, gibt es keine Essensmarken mehr für dich und aus deiner Sozialwohnung fliegst du raus. Die Gesellschaft will angeblich, dass die Prostituierten einen anderen Job finden, aber in Wahrheit soll alles beim Alten bleiben. Die meisten angeklagten Prostituierten bekennen sich schuldig. Sie haben kein Geld und zu viel Angst, um es mit der Justiz aufzunehmen und nehmen dafür Strafen in Kauf, die sie für den Rest ihres Lebens verfolgen.

Es gibt zwei Möglichkeiten, für angebliche Prostitution verhaftet zu werden. Für „Prostitution” muss der Polizist selbst Zeuge werden, wie du dich anbietest. Aber für „Verdacht auf Prostitution” muss er nur Indizienbeweise bei dir finden. Auf einem Formular arbeitet der Officer dann eine Checkliste ab. Hast du dich in der Nähe des Straßenstrichs aufgehalten? Laut Karina Claudio vom Verein Make the Road kann das eigentlich überall sein. Hast du dich aufreizend angezogen? Hast du mit einem Typen geredet? Standest du neben jemandem, der schon mal wegen Prostitution festgenommen wurde? Hattest du Kondome dabei?

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Claudio sieht das Problem: „Die Gesetze sind so weit gefasst. Du musst nur in einem engen T-Shirt durch die Straßen laufen, wo Prostitution angeboten wird, und schon hält man dich an. Das ist russisches Roulette.”

Und als Transe geht das noch viel schneller.

Eine Studie von Mark the Road hat ergeben, dass 59 Prozent der Transgender-Befragten schon mal von der Polizei angehalten worden sind. Eine Transe namens Christina zog mit ihrem Freund durch die Clubs, als ein Polizist in ihrem BH ein Kondom fand. Stell dir für einen Moment vor, wie sehr sie der Polizist befummelt haben muss, um das herauszufinden.

Die Polizisten wollten ihr nicht glauben, dass der Typ ihr Freund war und kein Kunde. Claudio sagt: „Das passiert Transgender-Menschen. Sie gehen in Läden, Clubs und Lokale und werden wegen ihres Auftretens oder ihrer Identität für Prostituierte gehalten.”

So einfach wird man mit einem Kondom in der Tasche verhaftet. Aber was, wenn du dich tatsächlich prostituierst—du hast Kondome dabei, um dich und deine Kunden zu schützen. Vielleicht hast du die Kondome sogar von städtischen Einrichtungen bekommen. New York verteilt jedes Jahr 40 Millionen Kondome. Die Stadt gibt ihre eigenen Kondome mit einem Logo heraus.

Also, du wurdest verhaftet. Die Grundlage dafür ist eines dieser Teile mit dem NY-Logo drauf, verteilt von der Stadt selbst.

Und wenn sie dich nicht verhaften, dann nehmen sie dir wenigstens deine Kondome weg.

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Die Studie vom PROS-Netzwerk ist voll mit solchen Geschichten. Eine 37-jährige Weiße aus Coney Island sagt: „Ich wurde wegen eines Kondoms eingesperrt. Dabei bin ich keine Prostituierte. Das Kondom haben sie konfisziert.” Ein 22-jähriger schwuler Puerto Ricaner, der als Transe auf den Strich geht: „Wenn ich Kondome dabei habe, ist es falsch, wenn nicht dann auch. Ich will mir nichts holen, aber ich muss Geld verdienen. Warum nehmen sie die Kondome weg? Wollen sie, dass wir alle sterben?”

Warum passiert so was Schlimmes? Weil Prostituierte allen egal sind.

Aber das sind sie nicht. Ihren Freunden und Partnern sind sie nicht egal, ihren Kindern, Eltern und ihrem Umfeld auch nicht. Aber Prostituierte sind den Mächtigen egal.

Diese schrecklichen Dinge sind OK, so lange sie nicht die treffen, die Macht haben.

90 Prozent von denen, die angehalten und durchsucht werden, haben eine andere Hautfarbe als Weiß. Organisationen wie die genannten haben dafür gesorgt, dass mittlerweile über unerhörte Methoden berichtet wird, die Polizisten von New York anwenden. Etwa dass sie ihre Festnahmequoten erfüllen, indem sie bei schwarzen Jugendlichen nachsehen, ob sie in ihrem Schritt Gras verstecken. Du kannst sogar verhaftet werden, nur weil du deinen Müll rausbringst, ohne deinen Ausweis bei dir zu tragen. Wenn Menschen anderer Hausfarbe schikaniert werden, weil sie etwas mit Drogen und Waffen zu tun haben könnten, dann kann Homosexuellen und Frauen das Gleiche mit Kondomen passieren.

LGBT-Aktivisten und Gruppen, die sich für Prostituierte einsetzen, kämpfen gegen dieses Vorgehen, Kondome als Beweismittel zu verwenden. Die meisten Feministinnen aber nicht. Die haben zwar zu Recht angeprangert, dass einige Apotheker nicht die Pille auf Rezept herausgeben wollten. Aber sie schweigen, wenn es um das andere Verhütungsmittel, Kondome, geht.

Dabei müssten diese Feministinnen wissen, dass Frauenfeindlichkeit häufig bei Prostituierten beginnt. Am Ende richtet sich diese Feindlichkeit gegen alle, die nicht weiß und Jungfrau sind und in der Kirche brav niederknien. Bis 1996 wurden in Irland unverheiratete Mütter und Vergewaltigungsopfer in Magdalenenheimen weggesperrt. Diese Heime wurden von Nonnen geführt und die Frauen mussten sich zu Tode arbeiten, um ihre angeblichen Sünden reinzuwaschen. Diese Nonnen haben ihre Heime als Gefängnisse für Prostituierte gebaut. Zehntausende Frauen sind so umgekommen, aus allen Bevölkerungsschichten (außer den wirklich wohlhabenden).

Einen Gesetzesentwurf, um Kondome als Beweismittel zu verbieten, gibt es schon seit 1999. Gesundheits- und Menschenrechtsorganisationen kämpfen seitdem dafür, dass es endlich verabschiedet wird. Audacia Ray hat die Organisation Red Umbrella Project gegründet, das sich für Prostituierte einsetzt, und sagt, dass viele Politiker das Gesetz befürworten—unter vorgehaltener Hand. Aber öffentlich wollen sie sich nicht dafür einsetzen. Das würde aussehen, als wären sie für die Prostitution.

Wenn es um Prostitution geht, bringt Mitleid gar nichts. Was sie brauchen, ist Unterstützung. Bist du jemals an einem schönen Tag draußen in Shorts rumgelaufen mit einem Kondom in der Tasche? Stell dir vor, wie es sein muss, wenn man in New York dafür festgenommen wird.