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Liebe gierige Nachwuchsbanker, wenn ihr die fette Kohle wollt, zieht in die Karibik

So haben sich die jungen Banker das nicht vorgestellt. Nach jahrelangem Studium gibt's in Europa nun bald keine fetten Bonuszahlungen mehr. Höchstens noch auf den Cayman Islands. Da spart man gleichzeitig auch Steuern.

Illustration von Nikita Kakowsi

Die Schweiz hat’s vorgemacht mit ihrer „Abstimmung gegen Abzocke“. Gier klingt nicht mehr gut. Deshalb sollen Bonuszahlungen für Manager und Banker in der Schweiz nun radikal gedeckelt werden. Doch was denken eigentlich die jungen Banker unter uns über die neue Gehaltskürzung?

Zunächst habe ich mal einen ehemaligen Studienkollegen gefragt. Passenderweise Schweizer. Noch besser: Trainee bei einer größeren Investmentbank. In der Schweiz. Mehr Hinweise gebe ich dir nicht. Nun regt der sich natürlich maßlos auf. Denn ohne wirklich hohen Bonus lohnen sich die 14-Stunden-Arbeitstage, die auf ihn warten, nicht mehr wirklich. Das Grundgehalt ist nämlich nicht so berauschend, die Boni dagegen schon. Da hat sich gerade ein Lebenstraum in dicker Regulierungsluft aufgelöst.

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Insgesamt bläst der europäischen Geldelite gerade der angewiderte Atem des Proletariats entgegen. Die EU beschloss erst letzte Woche, ganz unabhängig vom Schweizer Referendum, die Banker-Boni in ganz Europa zu kappen. Das trifft natürlich Großbritannien am härtesten. Warum? Weil die da außer Banken nicht mehr viel haben.

Manche der Jungbanker in London sehen die Entscheidung Brüssels aber eher pragmatisch. Wenn du dich in der City umhörst, reagieren sie zwar eher launisch auf die neuen Umstände, aber dann ziehen sie den großen Kohlen eben hinterher: Wenn also alle großen Investmentbanken jetzt ihre Derivatabteilungen, in denen es die dicksten Boni regnet, auf die Cayman Islands verfrachten, dann ziehen die Geldgierigsten einfach mit. Da ist es eh schöner als im grauen London oder der biederen Schweiz.

Ganz anders sieht das Ganze natürlich auf Twitter aus. Da freuen sich die meisten über das Anti-Gier-Gesetz. Eine kurze Überschau zeigt dir die Reaktionen des gemeinen Volkes.

Christine freut sich.

Oskar Ohm hat’s durchschaut!

Eine marxistische Kritik in 142 Zeichen. Respekt. Was würde Karl sagen?

Tammo mahnt die Schweiz, ihre Versprechen einzuhalten. Aber irgendwie scheint er das Ganze mit Star Wars verwechselt zu haben.

hdb will Populismus (den der deutschen Parteien) mit Populismus (Volksabstimmung in Deutschland) ausgleichen. Klingt vernünftig. Minus und Minus gibt ja Plus.

Auch die SPRINGER-Meute meldet sich zu Wort. Leider hat sie nichts zu sagen. Wie eigentlich immer.

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Die allgemeine Reaktion ist also: Anti-Gier ist geil. Da will die deutsche Politiklandschaft natürlich zügig nachziehen. Sogar die FDP will jetzt auf einmal die Managergehälter deckeln! Was ist denn hier plötzlich los? Ist dieses Jahr etwa Wahlkampf? Brüderle erklärt, dass die Regierung noch dieses Jahr eine neue Regulierung zur Beschränkung hoher—oder sagen wir maßloser—Managergehälter einführen sollte. Links ist das neue liberal. Zumindest im Wahljahr 2013.

Ob’s hier dann wirklich dazu kommt, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Aber Brüderles unvorhersehbarer Vorstoß zeigt natürlich, dass die breite Öffentlichkeit, also die werte Wählerschaft, keinen Nerv mehr hat, sich das ewige Gesülze von wegen „Wir arbeiten so hart und haben die große Kohle (auch wenn wir versagen) verdient“ anzuhören. Oder glaubt irgendjemand ernsthaft noch, dass z.B. der Pleitespezialist (auch in eigenen Finanzen) Thomas Middelhof seine Millionen wirklich wert ist? Bonusbeteiligungen sind seit den 80ern ein One-Way-System: Wenn du am richtigen Ende der Gehaltskette stehst, dann verdienst du, obwohl du Scheiße baust. Gilt natürlich auch, wenn du Beamter bist. Dann ist es halt insgesamt weniger.

Hach ja, es ist eigentlich alles ein Graus. Denn nix ist so einfach, wie es scheint. Buh Investmentbanken! Ja, denn sie haben richtig viel Scheiße gebaut in den letzten Jahren. Giftige Wertpapiere in die ganze Welt verschachert, damit die Boni immer riesiger werden.

Buh Investmentbanken? Nein, denn ohne die Damen und Herren Extrembänker kein komplexer Import und Export, wie es unsere Weltwirtschaft braucht und wie es die Kunden fordern. Wieso braucht’s die Investmentbanken dafür? Weil sich große Unternehmen wie etwa BWM international so gegen Devisenschwankungen absichern können. Dabei helfen ihnen Investmentbanken. Das Problem ist, dass wir alle einerseits die Früchte der Globalisierung, ohne sie jedoch als solche wahrzunehmen, genießen, während wir die Kosten, die sie mit sich bringt, erst übersehen und dann auf Schlimmste verteufeln. Wie sagt doch Gordon Gekko in Wall Street 2 so schön: „Gier scheint heute nicht nur gut zu sein. Jetzt ist sie sogar legal.“ Denn wir alle wollen mehr mehr mehr für immer weniger Geld. Geiz ist eben geil. Gier nicht. Wobei der Unterschied zwischen Gier und Geiz hier noch festzustellen wäre.

Folgt Johannes bei Twitter: @JohnVouloir