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Gegenartikel: Für die Homo-Ehe

Man kann durchaus über die Ehe an sich diskutieren, aber nicht darüber, wer per se heiraten darf.

Foto via The Satanic Temple

Immer mehr Länder öffnen die Ehe für Homosexuelle. Heißt: Schwule und Lesben dürfen heiraten, und zwar nicht nur einander, sondern auch innerhalb des eigenen Geschlechts, so wie der Rest der Gesellschaft auch. Oft einher geht damit das Adoptionsrecht. In Frankreich hat das Gesetz für brutale Demonstrationen gesorgt, auch in den USA sorgte es für Aufsehen. Auch bei uns wird schon heftig diskutiert.

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Von den Heteros, klar. Aber auch, und das nicht wenig, von der Gay-Community selbst. Denn da wird die Eheöffnung bei weitem nicht nur positiv aufgenommen. Was? Wie? Wo? Ja, das denke ich mir auch.

Klar, auch schwule Medien stürzen sich auf das Thema. Die Diskussion um die Eheöffnung befindet sich aktuell am Höhepunkt. Erschreckend, dass diese Medien mehrheitlich die „Homo-Ehe“ mehr als kritisch betrachten. Auch der Chefredakteur des Schweizer Milchbüechli Magazins, Florian Vock, äußerte sich kürzlich kritisch hier im VICE.

Allgemein nimmt diese Gegenposition dann Ausmaße an, die in Aussagen wie „Die Homo-Ehe ist eine Zumutung“ gipfeln. Weiter wird die Homo-Ehe als „Farce der Tragödie Ehe“ bezeichnet, als „rechtliche Absicherung für die Spießerträume von Hr. und Hr. Schwul“ (seit wann ist man Spießer, nur weil man heiraten möchte? Nur so by the way). Man geht sogar soweit, vom „Ende bzw. Abgesang der schwulen Identität“ zu sprechen, von einem Weg hin „zu einem queeren geschlechtslosen Einheitsbrei.“ Schwule seien nun mal anders, wird argumentiert, wieso müssen wir uns diese heteronormative Konstrukt namens Ehe überstülpen lassen? Homos sind nicht wie Heten, nicht in der Art, wie sie Sex haben und Beziehungen führen, und auch nicht in der Art, wie sie leben. Das solle bitte nicht vergessen werden. Man wolle sich ganz und gar nicht der heterosexuellen Masse angleichen.

Sorry, wirklich, aber da kann ich nur entsetzt und verärgert (und wie!) den Kopf schütteln. Um es mit den passenden Worten zu formulieren: Bitte, Leute, lasst doch die Kirche im Dorf! Hier wird keiner zu irgendetwas gezwungen, keiner wird in die Ehe reingetreten, keinem wird ein Kind auf die Nase gebunden. Ihr haltet nichts von der Ehe? Absolut legitim. Auch sehr viele Heten empfinden die Ehe als veraltetes, patriarchales Konstrukt, erfunden von der konservativen Kirchengemeinschaft. Keiner nimmt einem diese Ansicht weg, und es ist sehr okay, dies so zu sehen.

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Foto von David Goehring

Was nicht okay ist: Beim Argumentieren seiner Meinung all jene, die heiraten wollen, als „Spießer“ zu bezeichnen oder als jene, die „ge-brainwashed“ wurden von der heterosexuellen Masse. Kurz: ihnen jede Art von Vernunft abzusprechen sowie die Fähigkeit, logisch und reflektierend Entscheidungen treffen zu können. Haltet euch mal etwas zurück, liebe Leute. Man kann durchaus über die Ehe an sich diskutieren, aber nicht darüber, wer per se heiraten darf.

Und, lasst uns mal hier festhalten: Es geht um die Möglichkeit, heiraten zu KÖNNEN. Zu DÜRFEN. Für alle, die es wollen. Für die die Ehe neben all den rechtlichen Absicherungen auch ein schönes Symbol ihrer Liebe ist. Vielleicht ist das kitschig, aber lasst diesen Leuten doch ihre Freude! Bei der Eheöffnung geht es um nichts weniger (und nichts mehr) als darum, dass wir endlich das bekommen, was uns schon immer zugestanden ist. Nämlich den Menschen zum Ehepartner zu nehmen, den wir lieben. Von ganzem Herzen.

Das bedeutet noch lange nicht, dass man euch (bzw. uns) der schwulen Identität beraubt. Ich kenne schwule Pärchen, die leben monogam auch ohne Trauschein, und werden dies auch nach der Eheschließung tun. Und es gibt Paare, die führen eine offene Beziehung, treffen sich mit anderen Männern regelmäßig zum Sex – und werden dies, falls diese Paare überhaupt eine Ehe eingehen, auch tun, wenn sie verheiratet sind. Fragen wir mal anders: Ist den Heten ihre Identität beraubt worden, weil sie heiraten dürfen?

Vielleicht sehe ich das alles ja zu einfach und übersehe das eine oder andere Argument. Aber es tut im Herzen weh, wenn sich Homosexuelle plötzlich so sehr dagegen wehren, gleichgestellt zu werden. Gleichgestellt sein bedeutet nämlich nicht, mit der Masse über einen Kamm geschert zu werden, sondern dieselben Rechte (und klar, auch Pflichten) in ALLEN Lebenslagen zu haben. Das, wofür wir eigentlich seit Jahrzehnten kämpfen. Als vor Jahren die Eingetragene Partnerschaft eingeführt wurde, wurde (zu Recht!) kritisiert, dass Schwule und Lesben hier stark benachteiligt werden. Und jetzt das? Ich verstehe es einfach nicht.

Ich verstehe es nur nicht, ich finde es sogar lächerlich, sich darüber aufzuregen, dass die Ehe geöffnet wird. Manchmal bekomme ich das Gefühl nicht los, dass sich die Gay-Community immer aufregen muss, dass sie nie zufrieden ist. Und dass sie sich untereinander immer, aber auch immer, streiten muss. Aber lasst uns bitte nur einmal kurz daran denken, dass es noch nicht sehr lange her ist, als zwei Männer nicht händchenhaltend durch die Straßen gehen konnten. Als ein Versteckspiel mit der Liebe seines Lebens etwas Alltägliches war, um sich vor Diskriminierung und sogar gesetzlichen Strafen zu schützen. Jetzt dürfen wir (eh noch nicht überall!) heiraten. Ich kann da einfach nichts Falsches daran entdecken. Wieso können bzw. eher: dürfen wir uns nicht darüber freuen?

Aber wie gesagt, vielleicht verstehe ich ja wirklich irgendwas nicht und sehe die Dinge zu einfach. Ich möchte einfach nur die Möglichkeit haben, meinen geliebten Partner heiraten zu dürfen/können, wenn ich das möchte. Und dass irgendwann in Schulbüchern Ehepaare sowohl als Mann & Frau, als auch als Mann & Mann und Frau & Frau abgebildet werden. Ohne lang und breit drüber zu reden. Aber anscheinend ist alles ja viel komplizierter.

Dieser Text erschien zuvor auf Manuel Simbürgers Blog. Aus aktuellem Anlass hat der Autor ihn uns zur Veröffentlichung als Antwort auf Florian Vocks Gastbeitrag im VICE angeboten.