Sechseläuten im Sonnenschein

FYI.

This story is over 5 years old.

Photo

Sechseläuten im Sonnenschein

Am Sechseläuten kommen sich Erhabenheit und Lächerlichkeit näher als sonst. Das sieht lustiger aus als es ist. Darum zeigen wir euch Bilder.

Das Sechseläuten ist die Zürcher Antithese zur Fasnacht. Also schiebt man die ganze Traditionssache einmal aussen vor, handelt es sich bei beiden Brauchtümern grundsätzlich um etwa dasselbe. Ein kostümierter Mob zieht völlig versoffen, mit ganz viel Krach durch die Strassen seiner Altstadt.

Das Sechseläuten ist ein Frühlingsfest. Ein vierstündiger Umzug, veranstaltet von 26 sogenannten Zünften. Männer, die in höfischen Kostümen um das Limmatbecken stolzieren und ihre Frauen, die applaudierend am Rand stehen und darauf warten, dem geliebten Gatten das wohlverdiente Blumensträusschen zu überreichen. Der Höhepunkt besteht dann darin, einen mit Sprengstoff gefüllten Kunststoff-Wintergeist, den „Böögg", in Brand zu setzen und zu warten bis der Kopf explodiert. Währenddessen jagen etliche Reitergarnisonen ihre Rösser um den lodernden, knallenden Strohhaufen. Eine todlangweilige Geschichte.

Anzeige

Aber wäre es nur das. Die ersten mit ihren Trachten ausstaffierten Witzfiguren sieht man jedes Jahr schon eine halbe Woche vor dem eigentlichen Fest johlend in die Büsche kotzen. Offizielles Eintrinken, Voreintrinken, Vor-Voreintrinken, Ballnacht und Kinderumzug sind die Wetterleuchten des Anlasses. Die Altstadt wird abgesperrt. Das Limmatbecken wird währendessen von Schaulustigen, Polizei und B-Promis belagert. Raclette-Stände, Achterbahnen, Zuckerwatte. Zünftler, die mit rohen Fischen werfen. Sonst sind sich altehrwürdige Erhabenheit und Lächerlichkeit nicht ganz so nah wie jedes Jahr am Sechseläuten.

Die eigentliche Komödie besteht aber darin, wie sich die Zünfte mit ihren Neidern anfeinden. Allem voran, die „Gesellschaft zu Fraumünster", eine selbsternannte Zunft nur für Frauen. Ein Verein mit denselben, elitären Mitgliedschaftsbedingungen wie all die Patriarchenklubs. Es wird gestritten und gefaucht, gevögelt und gerauft. Gefolgt von beleidigtem, eisigen Schweigen. Letztlich bleibt das ganze Theater eine einzige Scharade, dick geschminkt mit dem bedeutungsschwangeren Mascara der Tradition.

Für normale Menschen bleibt das mittelalterliche Spektakel ein UFO. Ein wandelnder Anachronismus, der es liebt, seine biedere Tradition zu betonen und so tut, als gäbe es sie oder das von ihnen 1952 eingeführte Umzugsverbot für Frauen über 16 schon seit Anbeginn des gut über 200 Jahre alten Brauchtums. Mitmachen ist nicht, ausser man wird hineingeboren oder man hat Beziehungen zum Zürcher Noblessenfilz. Bonzenfasnacht halt.

Anzeige