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Wie unsere Smartphones das Lästern revolutioniert haben

"Ficki Ficki?"

Screenshot: VICE Media

Der irische Schriftsteller Frankfort Moore wusste schon zu seinen Lebzeiten: „Das stärkste Band der Freundschaft ist ein gemeinsamer Feind." Seit Anbeginn der Zeit lästern Freunde und Freundinnen miteinander über die Typen, die schon wieder mitten in der Nacht und völlig besoffen versucht haben, einen Bootycall zu starten, über die, die auf ein ganz normales „Hey, wie gehts dir?" nicht geantwortet haben, weil ihnen „das alles zu schnell ging" oder die eine Bekannte, die immer noch nicht weiß, wie man Deine Mutter-Witze richtig verwendet. Gemeinsames Ranten, Hassen und Aufregen schweißt nun mal zusammen.

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Früher habe ich mit meinen Schulfreundinnen mittels geheimen Briefchen gelästert, heute passiert das Ganze ziemlich unkompliziert auf WhatsApp. Die Zeiten, in denen man sich Dinge mündlich weitererzählt und sie in eigenen Worten wiedergibt (und sie damit auch immer ein bisschen zum eigenen Vorteil verfälscht), sind endgültig vorbei. Heute passiert das alles—zumindest in meinem Freundeskreis—über Screenshots. Schickt mir ein Gspusi eine Nachricht, die mich aufregt oder so glücklich macht, dass ich meine Freude mit anderen teilen möchte, drücke ich den Home- und Standby-Button auf meinem iPhone und schicke das Ergebnis im nächsten Chat einer Freundin.

Dass es bei aller Routine trotzdem manchmal auch dazu kommt, dass man den Screenshot an die Person schickt, über die man eigentlich lästern wollte, ist der einzige Grund, warum ich noch an Karma glaube. Und wer jetzt denkt, dass ich ein Arschloch bin, der soll einfach mal seine eigene Fotogalerie durchforsten. Wer ohne Shame-Screenshot ist, der werfe den ersten Hass-Kommentar.

Ein Vorteil von dieser Art der Kommunikation ist natürlich, dass sich meine Freundinnen einen unverfälschten Eindruck von dem Geschriebenen machen können. Würde ich ihnen in eigenen Worten erzählen, welche Nachricht mich gerade aus welchem Grund aufregt, würde ich ihre Meinung wahrscheinlich allein durch meine Wortwahl erheblich beeinflussen. Screenshots von Nachrichten zu verschicken ist viel direkter, als eine Geschichte einfach weiter zu erzählen.

So kann ich mir meine unkomplizierte Smartphone-Lästermethode zumindest ein bisschen schönreden. Aber rechtfertigt das, dass ich Screenshots von privaten Unterhaltungen weiterschicke, um sie mit meinen Freundinnen ausgiebig zu diskutieren? Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich natürlich auch nicht wollen, dass jemand meine besoffenen Nachrichten an seine Freunde weiterschickt und sie sich gemeinsam darüber lustig machen.

Vielleicht ist das Weiterschicken von Screenshots tatsächlich schon ein Vertrauensbruch; und vielleicht macht es mich auch zu einem schlechten Menschen, dass ich es trotzdem praktiziere. Aber bevor ihr euch gleich gegenseitig Screenshots von diesem Artikel schickt, fragt euch kurz, was schlimmer ist: Der Mensch zu sein, der die furchtbaren Nachrichten schreibt, die es verdienen, gescreenshottet und weiter geschickt zu werden (beispielsweise ein liebevolles „Ficki Ficki?" um 04:00 Uhr früh), oder der, der sich wie ich bei seinen Freundinnen darüber auslässt und mit ihnen darüber lacht. Wahrscheinlich ist beides auf irgendeine Weise ein fragwürdiger Umgang mit Nachrichten. Ich bleibe trotzdem bei Zweiterem.

Verena verschickt auch gern Screenshots von Tweets: @verenabgnr