Foto: Kate Haskell | Flickr | CC BY 2.0
Benjamin war zweieinhalb Jahre lang in einem Start-up-Unternehmen angestellt und musste am Anfang noch richtig hart schuften, bekam später jedoch eine Teilzeitstelle zugesprochen. „Wir hatten dort auch einen Lehrling, der von den Chefs wie Dreck behandelt wurde. Als ich mich dann auf seine Seite schlug, ging das ziemlich nach hinten los", meint er. Benjamins Arbeitsbedingungen verschlechterten sich zunehmend und deswegen kam er zu dem Schluss, dass sein einziger Ausweg darin bestand, gefeuert zu werden. „Als Erstes musste ich sicherstellen, dass meine Motivation für alle sichtbar flöten ging. Dann fing ich an, absichtlich schwere Fehler zu machen. So schrieb ich zum Beispiel einem Teilhaber eine Mail, in der ich ihn zum Essen einlud, um über meine Sorgen bezüglich der Firma zu reden—meine Chefs habe ich dabei auf cc gesetzt. Mein Account war dann nach nicht mal einer Stunde geblockt." Im November 2014 wurde Benjamin dann aufgrund von schwerwiegendem Fehlverhalten gefeuert und hat seitdem nicht mehr gearbeitet—aber nicht, weil er keinen Job mehr findet, sondern weil er sich gar nicht mehr auf die Suche macht.Bei einer aktuellen Arbeitslosenquote von 9,4 Prozent (in Österreich) mutet es für viele Leute doch recht rabiat an, seinen Job hinzuschmeißen, weil man keinen Bock mehr darauf hat. Andere empfinden das Ganze vielleicht auch als Arschloch-Aktion. So wurde Benjamin auch schon oft als Sozialschmarotzer bezeichnet, aber das juckt ihn nicht: „Jetzt habe ich Zeit, immer allen Menschen zu helfen—egal ob sie nun krank sind, sich traurig fühlen oder irgendwie anderweitig Unterstützung brauchen. Langweilig wird mir dabei nie und ich bin wirklich glücklich mit meinem eingeschlagenen Weg. Aber genau das macht die Leute auch wütend—also dass ein so junger Typ wie ich, der nicht lange genug geschuftet hat, sich dazu entscheidet, nicht mehr zu arbeiten, und dann auch noch glücklich damit ist." Seiner Meinung nach ist sein Leben kein dekadentes Ausnutzen der Steuerzahler: „Ich brauche nicht viel und vielleicht werde ich irgendwann auch mal wieder in irgendeiner Form arbeiten müssen. Da habe ich jetzt aber noch keine konkreten Pläne. Ich weiß nur, dass ich mich durch ein Leben mit weniger Hab und Gut lebendiger fühl als damals, als ich noch eine Menge Geld verdient habe."
Anzeige
Anzeige
„Ich fühlte mich wieder lebendig und entschied mich deshalb dazu, ein ganzes Jahr lang nicht zu arbeiten. Die ersten drei Monate lief es dabei gar nicht mal so gut, weil ich immer wieder in alte Muster zurückfiel. Ich habe mich ständig gefragt, ob ich wirklich glücklich damit sein kann, nur herumzusitzen, während sich andere einen Job suchen. Es hat eine Weile gedauert, bis ich diese Frage mit ja beantworten konnte. Inzwischen denke ich gar nicht mehr darüber nach, in mein altes Leben zurückzukehren."Auch die 31-jährige Elise wurde in ihrem Job nicht glücklich, fand dann aber zum Glück einen Kompromiss: „Seit acht Jahren arbeite ich mit Unterbrechungen im öffentlichen Bereich. Dazwischen kommen immer wieder Abschnitte der bezahlten Arbeitslosigkeit." Dazu muss man wissen, dass man in Frankreich nach dem Jobverlust für die Zeit, die man gearbeitet hat, gut 70 Prozent des alten Gehalts bekommt. Natürlich gibt es dafür aber auch gewisse Voraussetzungen: Zum einen muss man vorher mindestens 122 Tage angestellt gewesen sein und zum anderen darf man nicht wegen groben Fehlverhaltens gefeuert worden sein.Jetzt arbeitet Elise immer das Minimum an Tagen, um für die Arbeitslosenkompensation berechtigt zu sein, die 70 Prozent ihres normalen Gehalts entspricht. Wenn dieser Geldhahn dann wieder zugedreht wird, geht sie einfach wieder arbeiten. „Wenn ich meinem Umfeld davon erzähle, dass ich quasi nur arbeite, um bald wieder arbeitslos sein zu können, dann reagieren die Leute natürlich nicht gerade positiv." So sind ihre Eltern zum Beispiel der Meinung, dass Elise ihr Potenzial verschwendet. „Oftmals fühle ich mich schon stigmatisiert, wenn ich von meinem Karriereverlauf erzähle. Im Normalfall sind die Leute, die Vollzeit arbeiten, aber auch schon ein wenig neidisch auf mich."In der jüngsten Vergangenheit sind diverse Alternativen zum Konzept „Geld nur gegen Arbeit" immer populärer geworden. Das zeigen die Diskussionen um das bedingungslose Grundeinkommen. Es wird wohl jedoch noch eine ganze Weile dauern, bevor sich die Gesellschaft von der Ansicht lösen kann, dass man nur Anspruch auf Geld hat, wenn man auch dafür arbeitet. Und so lange Geld die Welt regiert, wird man Benjamin, Vincent, Claire, Elise und andere Freigeister auch weiterhin als Schmarotzer ansehen.Motherboard: Schweizer entscheiden am 5. Juni über Einführung des Grundeinkommens