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Popkultur

Natalie Dormer über Horrorfilme, Wahnsinn und Hater

Wir haben uns mit dem Star aus ‚Game of Thrones' und ‚Die Tribute von Panem' getroffen und mit ihr über ihren neuen Horrorfilm, der im japanischen Suizid-Wald spielt, unterhalten.
Hannah Ewens
London, GB

Natalie Dormer in ‚Game of Thrones' (HBO), ‚The Forest' und ‚Die Tribute von Panem: Mockingjay'

Natalie Dormer hat etwa 30 Fake-Instagram-Accounts und drei—dreiFuck-Yeah-Tumblr. In den letzten Jahren ist sie zu einem Weltstar geworden, hauptsächlich weil die USA eine seltsame Vorliebe für englische Historiendramen haben. Zuerst war sie an Heath Ledgers Seite in Casanova zu sehen, dann gab sie die Korsett tragende, Ränke schmiedende Anne Boleyn im Fernseh-Fuckfest Die Tudors. In den letzten beiden Teilen von Die Tribute von Panem trägt sie wieder ein bemerkenswertes Outfit, und außerdem spielt sie die intrigante Margaery Tyrell in Game of Thrones.

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Ihr neuestes Projekt ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was sie bisher gemacht hat. The Forest ist ein Horrorfilm, in dem Dormers Figur Sara sich im japanischen Aokigahara—dem sogenannten „Selbstmordwald"—auf die Suche nach ihrer Zwillingsschwester macht. Kritiker lobten zwar Dormers Darbietung, griffen jedoch das Drehbuch an, da es einen echten Wald und echte Probleme der öffentlichen Gesundheit in Japan auf unehrliche Weise darstelle. Die Kritik ist ziemlich gerechtfertigt—der Film besteht im Grunde aus Szenen, in denen gruselige Leichen aus Bäumen auf Dormer zu gerauscht kommen—doch als Horrorstreifen ist er nicht übel. Man erschreckt sich wirklich dauernd und auch zwischen den Schreckmomenten baut der Film einiges an Gruselatmosphäre auf.

Ich habe Dormer bei einer Presseveranstaltung für The Forest in einem schicken Hotel im Londoner Stadtteil Soho getroffen, was seltsam war, denn a) bei solchen Promotionterminen werfen sich die Journalisten alle abschätzige Blicke zu und hoffen, dass andere nicht bessere Zitate bekommen haben, b) es gibt Gratiskekse und du willst sie alle aufessen, ohne dass die PR-Leute dich eklig finden, und c) du hast nur zehn Minuten Zeit, um mit der berühmten Person zu sprechen. Und so ist es gelaufen.

VICE: Hi!
Natalie Dormer: Hi, VICE. Danke, dass du heute hier bist. Wo ist denn das VICE-Büro? Ich wette, im Osten von London.

Ähm, ja. In Shoreditch. Sorry.
Ihr alten Hipster.

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Dein neuer Film hat mich vor Angst halb verrückt gemacht. Ich habe dauernd geschrien und damit die seriösen Journalisten genervt.
Oh, er hat dir Angst gemacht? Hattest du den Trailer nicht gesehen?

Nein, weil ich eine Idiotin bin.
Aber eigentlich ist es ja gut so, dann wusstest du vorher von keinem der Schreckmomente.

Bist du eine große Horror-Kennerin?
Ja. Ich bin ein Film-Snob. Ich liebe jedes Genre, so lange der Film gut ist. Wie Guillermo del Toro sagt—ich mag dieses Zitat; ich habe es neulich in einem Interview gehört: Monster sind lebende, atmende Metaphern für gesellschaftliche und persönliche Probleme. Ich habe mich zu The Forest hingezogen gefühlt, weil es dieses psychologische Element einer Frau hat, die ihre inneren Dämonen verdrängt; sie hat ihr Trauma nie verarbeitet. Wir tragen alle Scheiße mit uns rum. Wir haben alle unsere Vorbelastungen, die wir verdrängen. Die Vorstellung, dass ein Ort existiert, der deine Dämonen widerspiegelt, fand ich sehr interessant. Das Konzept wirkte genau so, wie intelligenter Horror sein sollte.

MUNCHIES: Eine Liebeserklärung an Japan und seinen Whiskey

Die Rolle unterscheidet sich ziemlich stark von den anderen Rollen, in denen dich die Leute vielleicht kennen.
Ich gehöre zu den unglaublichen Ensembles von Die Tribute von Panem und Game of Thrones, aber ich wollte keine neue Rolle annehmen, wenn sie mich nicht irgendwie weiterbringt. [Die Rolle der Sara] war ein Abstieg in den Wahnsinn, der auf Schauspieler wie Katzenminze wirkt.

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The Forest erforscht psychische Krankheiten und Suizid, womit man natürlich sehr vorsichtig umgehen muss. Hast du deswegen das Gefühl gehabt, dass Druck auf dir lastet?
Nein. Ich will nicht gedankenlos klingen, denn was dieses Thema angeht, bin ich alles andere als gedankenlos. Aber ich finde auch nicht, dass das meine Verantwortung ist. Ich mache einfach meinen Job. Ich habe nichts als Mitgefühl für jede Person, die das Gefühl hat, so viel gelitten zu haben oder etwas erlebt zu haben, das sie so unglücklich macht, dass sie das als Ausweg in Erwägung zieht.

Ich habe einen Nachmittag im Aokigahara verbracht. Die Seile, die in den Wald führen [weil Suizidenten im Zweifelsfall die Möglichkeit haben wollen, wieder aus dem dichten Wald zu finden], gibt es wirklich. Und mir ist klar, dass die Menschen in Japan darauf keine Aufmerksamkeit lenken wollen, weil für sie der Fuji [am Fuße dessen der Aokigahara liegt] so viel mehr bedeutet. Er steht für Jahrhunderte faszinierender Geschichte und kulturellen Erbes und gilt als Tor in die Nachwelt. Das Phänomen, mit dem sich der Film beschäftigt, gibt es dagegen erst seit den 1950ern.

Was möchtest du nach einer emotional anstrengenden Rolle wie Sara als Nächstes machen?
Ich spiele als Nächstes Katharine Gun [die ehemalige Übersetzerin der britischen Regierung, die dafür bekannt ist, Geheiminformationen über die US-Invasion im Irak an die Presse geleakt zu haben]. Ihre Geschichte ist eine wahre Geschichte über Mut und die Entscheidungen, die Menschen treffen können, um Gutes oder Schlechtes zu bewirken. Der Film wird als Thriller gepitcht, aber in Wirklichkeit handelt es sich dabei um eine Doku in einer fiktiven Landschaft. Es ist eine Geschichte, die erzählt werden muss. Ich kann es kaum erwarten.

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In Darkness, den ich demnächst drehen werde, ist ein Psychothriller, den ich mitgeschrieben habe—also habe ich da vielleicht auch mehr Verantwortung für den Inhalt. Ich bin fasziniert von den Dingen, die Menschen über ihre Grenzen hinausbringen. Wie weit geht eine Person? Wie weit geht Margaery Tyrell, weil sie den Thron will? Wie weit geht Cressida [in Die Tribute von Panem], um ihre Heimat von einem tyrannischen Despoten zu befreien?

Deine Fantasy-Figuren neigen dazu, spontan drastische Entscheidungen zu treffen. Empfindest du es als größere Verantwortung, eine echte oder historische Persönlichkeit zu spielen?
Als ich Anne Boleyn und Seymour Worsley gespielt habe, da habe ich mich verantwortlich gefühlt. Aber es bringt mich immer zum Lachen, wenn die Leute Schauspieler nach ihrer Meinung zu etwas fragen, denn unser Job ist genau das Gegenteil: Wir vermitteln die Meinungen der Autorinnen und Autoren. Ich bin nicht Politikerin geworden, ich bin nicht CEO einer Wohltätigkeitsorganisation geworden, sondern ich bin Schauspielerin geworden. Ich kann für eine Seite argumentieren, aber wenn ich eine andere Figur spiele, dann könnte ich genauso gut für die Gegenseite sein. Bei einer Person wie Anne Boleyn musst du dich einfach anstrengen, es richtig zu machen. Ich habe alle Biografien gelesen. Ich habe alles gelesen, was ich konnte, um im Rahmen des Drehbuchs und in meinem Herzen so respektvoll wie möglich zu sein.

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Katharine Gun wird interessant, weil sie noch am Leben ist. Ich hoffe, dass ich mich nächste Woche mit ihr treffen kann. Ich freue mich sehr und habe auch ein bisschen Angst, weil ich es um ihretwillen nicht ruinieren will. Es ist mein aufrichtiges Anliegen, sie für ihr unglaublich mutiges Handeln zu ehren.

Wenn ich mir deine Rollen so ansehe, dann kommst du mir ein bisschen vor wie ein britisches Pendant zu Jennifer Lawrence. Was meinst du?
Oh, nein, Liebes. Das ist wirklich ein riesiges Kompliment. Ich muss ja so etwas wie einen groben Fünfjahresplan haben. Ich möchte sehr gerne wieder auf die Bühne, deswegen treffe ich mich mit Produzenten und Theaterregisseuren. Aber hauptsächlich nehme ich alles Tag für Tag.

Gibt es eine andere Schauspielerin oder einen anderen Schauspieler, wo du dir denkst: „Wenn meine Karriere so verlaufen könnte, wäre das super"?
Ich respektiere Menschen, die mutige Entscheidungen treffen, die sich etwas trauen und sich selbst mit der Auswahl ihrer Rollen herausfordern, ob nun Vivien Leigh oder Emily Blunt. Ich habe kein großes Vorbild, denn so etwas macht einen wahnsinnig. Ich bin Natalie Dormer und ich kann keine andere Karriere haben als Natalie Dormers. Ich habe in meinen Zwanzigern gelernt, den Neid hinter mir zu lassen, weil er nur destruktiv ist. Tu einfach das, was du von anderen erwarten würdest, und nichts kann schief gehen. Das klingt vielleicht ein bisschen bescheuert und romantisch, aber es geht hier nicht um Gefühlsduselei. Ich bin Realistin.

Du bist, zumindest in der britischen Presse, bekannt als die richtige Ansprechpartnerin für alle Journalisten, die ein unverblümtes oder einprägsames Zitat suchen. Bist du dir deines Rufs als „die freimütige Frau" bewusst?
Ja, denn man kriegt Ärger, wenn die Dinge, die man sagt, aus dem Kontext gerissen werden, und die Erfahrung habe ich schon ein paar Mal gemacht. Ich bin dafür diffamiert worden. Wir leben in einer Kultur, die kurze und knackige Zitate will, aber man kann auch nicht in ständiger Angst leben, also muss man es einfach akzeptieren: haters gonna hate. So läuft das, egal in welchem Beruf du bist. Das ist wie das, was man mir gesagt hat, als ich in der Schule gemobbt wurde: Wenn Menschen grausam zu anderen Menschen sind, dann weil sie selbst Probleme haben.

Ich versuche einfach nur, gute Arbeit zu machen und einen positiven Einfluss auf die nächste Generation zu haben. Wenn du Angst hast, den Mund aufzumachen, hast du keine Chance.

Danke, Natalie.