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Im Herzen von Kaltland – Ein Besuch bei den „besorgten Bürgern“ von Bautzen

„Die Bedrohung wächst, das isso – und da ist doch ganz klar, dass meine Angestellte irgendwann zum Opfer wird! Soll ich tagsüber abschließen? Wer traut sich denn dann noch da lang zu meinem Salon, wenn die da alle sind!? Sie sollten mal alle hier an...

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In Bautzen hat eine geplante Asylbewerberunterkunft gebrannt. Ein paar Dutzend Menschen—Menschen, die Sigmar Gabriel letztes Jahr wahrscheinlich unglücklich als Pack bezeichnen hätte—haben im Angesicht des stundenlang brennenden Großfeuers applaudiert und gejohlt. Betrunkene versuchten, die Löscharbeiten der Feuerwehr zu behindern. Einige hatten ihre Kinder dabei. Die Ermittler gehen von Brandstiftung aus.

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Bautzen, seit DDR-Zeiten als Stasi-Knast-Stadt bekannt und nicht nur geografisch, sondern nun auch politisch am äußeren rechten Rand von Sachsen angesiedelt, ist ein wunderhübsches, liebevoll und in pastellfarben restauriertes Städtchen mit vielen Wassertürmen, auf Hügeln gelegen. Auf dem größten Hügel thront eine jahrhundertealte Burg.

In seinem Kern erinnert es an Prag, ist aber weitgehend touristenfrei und preisgünstiger. Tschechien und Polen sind hier näher als Dresden oder Leipzig, die nächstgrößere Stadt ist Hoyerswerda. Bautzen, die historische Hauptstadt der sorbischen Minderheit in Deutschland zählte Ende 2014 insgesamt 39.879 Einwohner, wovon nur 672 Ausländer aus Nicht-EU-Staaten waren. Innerhalb eines Jahres eröffneten zahlreiche Asylbewerberunterkünfte im Landkreis. Meist in schon lange nicht mehr betriebenen Hotels. Sie stehen teils auf dem platten Land, teils in verlassenen Gewerbeparks, aber auch an einem idyllischen Badesee im Naherholungsgebiet. Dies sorgte nicht nur für Missmut, Ängste und auch Neid in der Bevölkerung, sondern auch für bislang 3.076 neue—demografisch betrachtet dringend benötigte—Einwohner, die sich im weitgehend menschenleeren Stadtbild bemerkbar machen.

Die Straße vom Busbahnhof zum Amt, auf dem die unfreiwillig und per Königsteiner Schlüssel hierher verteilten Neu-Bautzener ihre monatliche Unterstützung in Höhe von rund 300 Euro pro Person in bar abholen, nennen die Einwohner die „Balkan-Route". Hunderte Menschen holen sich jeden Monat zur gleichen Zeit Geld vom Amt? Ja, denn die meisten warten seit Monaten auf die Anerkennung als Asylsuchender und ohne die können sie kein Konto eröffnen. Wenn sie dann als Schutzsuchende in Deutschland anerkannt sind (was zur Zeit auch mal sechs Monate oder länger dauern kann), dann müssen sie auf einen freien Termin bei einem Heimsozialarbeiter oder einem Ehrenamtlichen warten, denn in der Sparkasse, wo sie Konten eröffnen können, spricht niemand Englisch.

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Zwölf Asylbewerberunterkünfte gibt es schon im Landkreis Bautzen, neun sind in Planung, in den kommenden Monaten werden noch rund 1.500 Neuzuzügler erwartet. Die Syrer, Afghanen, Iraker, Russen, Georgier, Libanesen, Tunesier und Menschen aus anderen Ländern, die hierhin umverteilt werden, haben aber sofort nach Erhalt ihres positiven Asylbescheids die freie Wahl eines Wohnortes in Deutschland. Doch da die Ämter bekanntermaßen überfordert sind, es kaum englisch- und fast gar keine arabischsprachigen Beamten oder Sprachmittler gibt, heißt es für mehr als 1.000 Asylbewerber rings um die kleine historische Stadt einfach nur: warten auf die Anerkennung.

Das Miteinander der Menschen im Straßenbild wirkt aber auch schon ohne die noch Kommenden besonders zu Monatsanfang sehr befremdlich. Für alle am Szenario Beteiligten scheinen die anderen das unverstandene Mysterium zu sein. Immer wenn sich ganze Busladungen von schwarzhaarigen jungen Männern in Stone-Washed-Jeans und Frauen mit Kopftüchern und Kindern zu Fuß zum Amt machen, clashen die Kulturen sogar optisch.

Die jungen Bautzener Frauen tragen im krassen Gegensatz zu den meist bescheidenen dunklen Kopftüchern bunte Haarfarben, einige sind mit ihren Kindern unterwegs. Sie tragen gerne enge Tops, sportliche Jacken, gemusterte Leggings und Turnschuhe.

Ich versuche schon seit Wochen immer wieder, mit den Bautzenern zum Thema Asyl ins Gespräch zu kommen, und höre immer wieder, so auch jetzt, Aussagen wie die, dass „Die Ausländer immer in Horden auftreten" und dass sie so wirken, „als ob sie hier nicht hingehörten, das ist Fakt", oder ganz einfach gesagt: „Nichts Gutes wollen, das isso."

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Zahlreiche junge Syrer, mit denen ich gesprochen habe, empfinden die Locals wiederum als „seltsam", da sie „keine Sprachen, nicht mal Englisch" sprächen, grimmig dreinschauten und oft schon am Tage und auf offener Straße ungehemmt Alkohol trinken würden. Aufgrund der miserablen Funktelefonnetz- und Internetversorgung der Region und der selten von den außerhalb gelegenen Heimen fahrenden Bussen befanden Syrer und Afghanen unisono, dass das hier „nicht das richtige Deutschland" sei. Recht haben sie, statistisch betrachtet: In Sachsen leben nur fünf Prozent der deutschen Bevölkerung—aber jeder sechste Anschlag auf Asylheime wird hier verübt.

Obwohl sich das Bündnis „Bautzen bleibt bunt" redlich müht und mit ehrenamtlichen Helfern und Aktionen gastfreundlich und integrativ zu wirken versucht, spürt man bei einem Besuch im zentralen „Kornmarkt"-Shoppingcenter, dass hier nicht nur fremde Menschen, sondern Welten aufeinandertreffen.

Die vielen älteren Bautzener, die dort ihre Besorgungen machen, sind verschreckt oder demonstrieren absichtlich Ekel beim Anblick der zahlreichen schwarzhaarigen jungen Männer, die Tag für Tag das Center aufsuchen. „Was wollen die nur alle hier, immer wieder?", zeigt sich ein Bürger besorgt, er „rechne jederzeit mit der Möglichkeit von Übergriffen" oder gar „eines Anschlages". Und zur Jahreswende in Köln hätten „die ja gezeigt, was sie wirklich hier wollen. Statt in ‚ihrem' Krieg zu kämpfen und die Frauen und Kinder herzuschicken, wollen die unsere Frauen und unseren Besitz".

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„Die" wollen aber nur surfen.

Was die „Schwarzen", wie Syrer und andere Araber hier genannt werden, alle immer wieder in dem Center wollen? Ins Internet! Pro Tag hat jeder Besucher die Möglichkeit, zwei Stunden lang kostenlos per W-LAN mit seinem Smartphone zu surfen, und da das Geld bei den Asylbewerbern meistens knapp ist, trinken sie dazu nicht Latte oder Bier im Café, sondern stehen oder sitzen in großen Gruppen vor den Geschäften herum.

Fremdheit irritiert auf beiden Seiten und Sprechen würde helfen. Aber in welcher Sprache, wenn die Einwohner der führenden europäischen Industrienation in dieser Landesecke des Englischen nicht mächtig sind und eine etablierte arabischsprachige Community, die vielleicht vermitteln könnte, nicht existiert? Wenn „Bautzen bleibt bunt" von vielen als versponnenes Christenbündnis unverbesserlicher Gutmenschen-Flüchtlingshelfer, „die dann schon noch sehen werden", betrachtet wird?

„Der Landkreis braucht Menschen – aber keine Ausländer"

Das Hotel Husarenhof, das ab Mitte März zum Heim für rund 300 geflüchtete Menschen ihr erstes sicheres Heim in Europa werden sollte, hat in der Nacht von Samstag auf Sonntag von 3:30 Uhr bis in die frühen Morgenstunden gebrannt. Der Schaden beläuft sich nach derzeitiger Schätzung auf rund eine halbe Million Euro, verletzt wurde niemand, erst Mitte März sollten die ausländischen Schutzsuchenden einziehen. Ersten Ermittlungen nach wurden Spuren von Brandbeschleuniger gefunden.

Rings um den Parkplatz vor dem Hotel, neben dem Billig-Imbiss „Asia Döner", dem „Hähnchenbraterei"-Wohnwagen und einer Kaffee-Wurst-Bude, finden sich Geschäfte, die für eine nicht allzu zahlungskräftige lokale Kundschaft stehen. Kik, Niedrigpreis-Schuhmarkt, Aldi, eine Apotheke.

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Wie überall im Osten Deutschlands leiden die Stadt und die umliegenden Gemeinden unter dem Wegzug der jungen Generation, sodass die Frage eines Syrers, wie denn so ein geplantes Heim brennen könne, da „Deutschland doch Kinder braucht und unsere Frauen viele wollen, eure aber nicht", berechtigt scheint.

Die „besorgten Bürger" Bautzens wollen aber keine „Schwarzen" rings um den Parkplatz mit den paar Geschäften, „Einkaufzentrum Husarenhof" genannt, nur um die Renten seines längst in die urbanen Ballungsräume gezogenen Nachwuchses zu sichern. Eine Frau um die 60, mit der ich gesprochen habe, meint „jetzt schon" zu wissen, dass sie sich bei Renteneintritt „wie eine Schmarotzerin" fühlen wird, weil ihre Rente nicht reichen wird. Sie setzt ihre Tirade fort mit „aber wenn das so weitergeht und die Ausländer alles kriegen" und ist der festen Überzeugung, dass Deutschland und das Sozialsystem „eh schon zugrunde gerichtet" sein werden. Durch wen? „Na klar, durch die!", schallt es mir auf meine Nachfrage selbstsicher und panisch-aggressiv entgegen.

Als hätte ich es geahnt, dass dieser Asylbewerberheimstandort—zwar an einem billigen Einkaufsparkplatz, aber doch in einer recht guten Wohngegend gelegen—schwierig werden könnte, war ich bei der Bürgerversammlung, die Mitte Januar zu dem Thema im größten Theater der Region stattfand und notierte mir damals, was gesagt wurde. Durch die über 450 engagiert mit Lokalpolitikern und Polizeivertretern diskutierenden Ein- und Anwohner des Gebiets rings um den Husarenhof bekam ich einen guten Einblick in die Gedanken- und Angstwelten einiger Bautzener.

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Die Befürchtungen der Anwohner, die sich namentlich vorstellten und per Mikrofon sprachen, waren vor allem Bedenken, dass Männer wie „die aus Köln" nun ihre Nachbarn sein würden. In einer guten Wohngegend, in der Eigenheimbesitzer samstags schicke Autos vor den Türen polieren. Sie fürchteten sich vor einer „Riesengruppe brutaler Krimineller", die natürlich durchsetzt seien von Extremisten, Terroristen und Kriegsverbrechern aller Couleur. „Das ist doch logisch, dass Menschen aus dem Krieg den mit sich tragen und weiterführen, wenn die wieder alle hier auf einem Haufen sind!" „Die wenigsten sind echte Syrer!" Ein circa zehnjähriger Junge grölte „Jahaha, Pass-Syrer sind se jetzt alle!" und sein Vater klopfte ihm laut lachend auf die Schulter. Andere riefen dazwischen: „In der Türkei und in Marokko ist kein Krieg!" Und: „Schickt se zurück!"

Dieser Aufkleber mit Bombe ist in der Nähe des abgebrannten Heimes untergebracht. Die Pfeile deuten in Richtung des Heims. Unsere Recherchen bezüglich der Bedeutung von „Magda" haben bisher leider keine zuverlässigen Ergebnisse erzielt. Hinweise werden unter themen@vice.com angenommen und vertraulich behandelt.

Eine Frau formulierte ihre Angst, dass die Polizei bei 300 Menschen ihrem versprochenen „flexiblen Einsatz" und „unangekündigten Kontrollen" im Gebiet rings ums Heim nicht nachkommen könne, wenn denn „was wäre"—schließlich gäbe es ja bald 20 Heime in der ländlichen Gegend, aber nicht mehr Polizisten. Der Polizeivertreter mahnte alle anwesenden Bürger, die ständig und laut auf die Theaterbühne hinauf pöbelten, zur Mitarbeit und zum Melden von Vorfällen, aber auch „damit es gar nicht soweit kommt" zum Melden von „allem, was komisch oder verdächtig scheint, auch Asylanten-Ansammlungen (sic)." Man müsse nun in dieser Situation, da die Politik das Heim verordnet habe, umso mehr zusammenhalten, „zur Vermeidung von Straftaten".

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Ein Mann brachte den „Fakt" zum Ausdruck, dass sich die Asylbewerber natürlich auf dem kleinen Spielplatz sammeln würden, dass es ja klar sei, dass dann Alkohol getrunken und dann auch Frauen angemacht werden würden. Das hätten deutsche Halbstarke in der Vergangenheit auch gemacht, bevor er persönlich sie vertrieben hätte. Wie man sich davor schützen könne, denn „gegen ein Dutzend Marokkaner" fühle er sich wehrlos. Zwischenrufe klangen so oder so ähnlich: „Also, ich lass meine Kinder da nicht mehr spielen, das ist vorbei!" Aber der Redner hatte sich etwas überlegt. Nämlich den Bau eines Zauns, der das Hotel von dem Husarenhof-Einkaufsplatz und vom Spielplatz trennen würde. „Ja, aber raus aus'm Heim können se, wann und wie sie wollen, oder? Dann bleibt ja die Bedrohung bestehen!", echauffierte sich eine Frau. Sogar das LKA habe einen Zaun vorgeschlagen, meldete der Moderator, allerdings wurde auf der Bühne nicht gesagt, um wen vor wem zu schützen. „Dann auch einen Zaun um den Spielplatz, mit festen Schließzeiten!" „Tun Sie es für unsere Kinder!", überschlug sich eine Frauenstimme beim hysterischen Schreien.

Der Polizeivertreter mühte sich, de-eskalierend zu wirken, und erklärte, den LKA-Empfehlungen nachkommen zu wollen und dass „nur 10 Prozent der Ausländer in den umliegenden Heimen bislang straffällig" geworden seien—dass er noch „das heißt, dass 90 Prozent sich an unsere Gesetze halten, wie sie der Presse entnehmen können" hinterherschob, ging im aufbrausenden Gebrüll der Bürger fast unter. Dass sich die Polizeistation direkt ums Eck des Hotel-Heims befindet, wollte niemand mehr hören. Nun richteten sich die Rufe der Menschen, einem verbal angefixten Mob im edlen Theatersaal, gegen die Lügenpresse („als ob die Infos da gesichert seien!") und gegen Staatsanwälte, die angeblich zig Ausländerverbrechen nicht ahnden würden. Mit der Information, dass 76 Prozent Männer, insgesamt aber 50 Prozent der Bewohner Familien sein würden, konnte er das Publikum kurz leicht beruhigen.

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Eine Friseurin kündigte wutentbrannt an, ihren Salon mit einer Angestellten nahe des Husarenhofs schließen zu müssen. „Die Bedrohung wächst, das isso—und da ist doch ganz klar, dass meine Angestellte irgendwann zum Opfer wird! Soll ich tagsüber abschließen? Wer traut sich denn dann noch da lang zu meinem Salon, wenn die da alle sind!? Sie sollten mal alle hier an den Mittelstand denken!" Und weiter ging es, die Nächste schnappte sich das Mikrofon: „Die ganzen Läden! Die ganzen Diebstähle und die Anmachen kurz vor Feierabend, wenn die Geschäfte leer sind und es draußen dunkel sei. Das ist ja schon jetzt so. Die stellen ihre ollen Latschen ins Regal und gehen mit den neuen raus. Fakt! Was soll ich da machen um kurz vor Ladenschluss, wenn ich die Kasse machen muss?!"

Der Moderator versuchte zu beschwichtigen. „Liebe Bautzener, es ist ja nicht so, dass man sich wegen 300 neuen Nachbarn nur noch bewaffnet aus dem Haus bewegen kann." Lautes, höhnisches Gelächter: „Doch", „Na klar, was denken Sie?", „Wir Verkäuferinnen haben alle schon Pfefferspray!", wurde es es aus dem Publikum geschrien, und weiter ging's: „Wenn sowas wie in Köln passiert, garantieren Sie uns jetzt hier, dass die alle abgeschoben werden!", „100 wären ja OK gewesen, warum aber 300 und dann doch so viele Männer?", „Ich habe ein Mietshaus hier, Fakt ist, dass die Mieten jetzt über 70 Prozent sinken, wer will denn hier noch wohnen!", „Die Jugend hier hat keine Chance und die Analphabeten aus Eritrea müssen wir durchfüttern! Die haben da 45 Prozent Analphabeten, also jetzt haben wir se hier!" Und was überhaupt würde passieren, wenn Dresden von einem Hochwasser überschwemmt würde, so dass man „auf die Schnelle 200.000 Deutsche, Sachsen (!) erstmal retten und unterbringen müsse" und alles voll „mit denen" sei?

„Liebe Gäste, wenn Frau Merkel einen anderen Kurs fahren würde, wäre ich privat und dienstlich froh, das sage ich Ihnen. Wenn aber das Objekt 300 Leute verträgt, dann kommen die dahin", versuchte sich der Polizeimann zu entschuldigen. Nun die Rufe gegen den Bürgermeister: „Haben wir Sie gewählt oder die Asylanten?", „Warum müssen wir uns auf die Asylanten einstellen, warum können wir die nicht disziplinieren?", „Wer garantiert, dass 300 die Obergrenze ist? Ich habe schon gehört, dass die die alte VHS, die Spielothek und die leere Kaserne mit denen vollmachen wollen!" Dann wieder ein „Fakten"-Kommentar: „Also in Berlin isses ja so, dass 61 Prozent der Intensivtäter orientalische Männer sind. Das ist Fakt in der Kriminalstatistik. Und in Berlin gibt's Dank der ganzen Integration nun die Parallelgesellschaft der Gastarbeiter. Was haben wir denn aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, wenn wir die hier mitten bei uns reinstecken, die uns unsere Wirtschaft und unsere Kinder und Frauen schädigen, schänden?"

Was ihr gelernt habt? Aus dem einen deutschen massiven Fehler der Vergangenheit? Gute Frage, die ich mir an diesem enttäuschenden Abend des 26. Januar 2016, nicht einmal einen Monat vor Brandlegung und knapp zwei Monate vor dem geplanten Bezug der Unterkunft, nicht stellen mochte. Meine neuen Facebook-Bekannten einer sächsischen „Widerstandsgruppe" machten mich aber darauf aufmerksam, was man nicht vergessen dürfe. Dass just zwei Tage nach dem Brand der Todestag Horst Wessels, des „Märtyrers der Bewegung", sei.

Seit Wochen plaudere ich bewusst naiv mit den besorgten Bautzenern, auch am Tag nach dem Anschlag. Wo die Flüchtlingen nun hinsollen, ist in keiner der Unterhaltungen Thema, dafür höre ich immer wieder und lese in der geschlossenen Facebook-Gruppe Bautzen sieht Rot, es sei „schade ums Gebäude".

Vielleicht hätte ein Blick der staatlichen Sicherheitsexperten in die sozialen Netzwerke unter einem rechts anmutenden Fake-Account gereicht, um sich der Gefahr bewusst zu werden? Vielleicht hätte man das Hotel von dem Zeitpunkt der Bekanntgabe an schützen müssen. Es hätte einiges anders laufen können. Polizisten und Sicherheitsangestellte sind hier in Bautzen oft nicht gerade selbstsicher wirkende Menschen, die durch Job-Center-Maßnahmen und auf verschiedenen Bildungswegen zu Sicherheitsangestellten wurden. Ein Polizist empfahl mir sogar mal ganz ironiefrei, „das Internet zu lesen", um zu sehen, „was die mit Deutschland vorhaben". Ob Sicherheitsleute—die oftmals nur ein 40-stündiges (also ein einwöchiges) Training anstatt des aktuell ebenfalls umstrittenen dreimonatigen Trainings zum Wachdienstangestellten absolviert haben—allerdings der Aufgabe, das Heim zu beschützen, gewachsen gewesen wären, ist fraglich. Was allerdings in der Macht der Verantwortlichen gelegen hätte, wäre ein klares Bekenntnis zum Kurs der Kanzlerin, bestätigt auch vom Polizeivertreter—ohne subtile Zugeständnisse, die durchscheinen lassen, dass man im Herzen auch keine Lust auf das Heim habe. Sicher ist, dass es sich hier nach vielen weiteren Gesprächen kalt und dunkel im Herzen anfühlt und dass mein Freund—wenn ich denn mal erreichbar bin, hier im Tal der Ahnungslosen, das schon zu DDR-Zeiten so hieß, weil es kein Westfernsehen, keinen Blick über den Tellerrand gab—anruft und mich fragt, „ob ich es mental da unten" noch hinkriege.

Die Autorin lebt seit einiger Zeit in Sachsen und forscht zum Thema „Integration und Kulturaustausch".