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Ein Linzer Autolenker fährt einen Radfahrer an und wird im Netz gefeiert

Bei einer Demo verletzte ein Autofahrer einen Fahrradfahrer. Ein Video des Vorfalls macht gerade die Runden.

Wie immer am letzten Freitag im Monat fand am 30. Oktober die Critical Mass in Linz statt. Die Aktion soll auf Radfahrer als Verkehrsteilnehmer aufmerksam machen und außerdem auf die Dominanz von Autofahrern in Städten hinweisen. Beim letzten Termin wurde genau das auf die wahrscheinlich drastischste Art erreicht, als ein Teilnehmer vom Lenker eines Fahrzeugs augenscheinlich bewusst umgefahren wurde. Ein Video des Unfalls sorgte online für Aufmerksamkeit.

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In dem Video ist zu sehen, wie der Fahrer eines weißen Audis erst nervös hinter und neben den Radlern her fährt. Schließlich scheint ihm der Geduldsfaden zu reißen—er gibt Gas. Einer der Radfahrer wird angefahren und erleidet (zum Glück nur) Schürfwunden. Anschließend rast der Autofahrer förmlich von der Unfallstelle davon. Zwar sieht es danach aus, als würden die Radfahrer es dem Audi nicht gerade leicht machen, an ihnen vorbeizukommen—jeder Autofahrer weiß, dass Radler einen ziemlich viele Nerven kosten können. Das rechtfertigt sein Handeln jedoch nicht.

Die Kommentare unter dem Video auf YouTube gehen jedoch in eine ziemlich eindeutige, wenn auch absurde Richtung: Es wäre das gute Recht des Autofahrers, den Radler niederzufahren, und auch genau das, was die ganzen „Straßen-blockierenden Radfahrer-Trottel" verdienen würden—er würde in seinem Handeln voll und ganz unterstützt. Immerhin sei auf dem Video ja auch die Vorgeschichte nicht zu sehen.

Eine solche Vorgeschichte, die das Verhalten des Lenkers rechtfertigen könnte, existiert jedoch laut dem Filmer des Videos nicht. Valentin Hötzeneder erinnert sich: „Der fuhr eine Zeit lang hinter uns und kam dann einfach so ohne Vorwarnung von hinten angeschoben."

Nachdem der Lenker sich fluchtartig von der Unfallstelle entfernt hatte, kam es an einer roten Ampel zur erneuten Konfrontation mit Teilnehmern der Critical Mass. Einige Radfahrer machten Fotos vom verantwortlichen Fahrer, woraufhin der „offenbar merkte, dass er da gerade etwas Blödes gemacht hatte" und wiederum beschleunigte—bei Rot.

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Die verteidigenden Kommentare gegenüber dem Autofahrer, wonach alleine die Radler den Unfall zu verantworten hätten, kann er nicht nachvollziehen: „Natürlich ist es eine provokative Aktion, aber es ist immerhin auch eine Demo", sagt er. Auffallend ist auch in der Berichterstattung, dass man sich gern um das Radfahr-Event drückt. So viel Aufmerksamkeit der Unfall auch erhält, so selten wird die Critical Mass als solche erwähnt.

„Wenn durch das Video zumindest eine Diskussion über den Sinn der Critical Mass ausgelöst werden könnte, das wäre schön", so Valentin Hötzeneder. „Wir haben hier in Linz einfach kaum Radwege, es ist echt richtig scheiße." In Österreich fand die Critical Mass zuletzt 2012 in Wien mit über 1.000 Teilnehmern große Beachtung. Seither finden die Aktionen zwar noch regelmäßig statt, sind aber längst kein Thema mehr, das die Öffentlichkeit beschäftigt—außer, es passiert was und User sehen einen Anlass, Autofahrer gegen Radfahrer zu verteidigen.

Die Kommentare, die das Video des Unfalls mit sich zieht, seien dahingestellt. Manche wittern bewussten Schnitt und absichtliche Verfälschung der Aufnahmen, wieder andere vermuten hinter dem Autofahrer einen „Typen mit Immigrations-Hintergrund" (sic). Einen positiven Aspekt könnte der Vorfall trotzdem mit sich bringen: Die problematische Verkehrssituation in Linz findet öffentliche Beachtung.

Gerda Lenger, Klubobfrau der Grünen Linz, bestätigt: „Die Verkehrsplanung in Linz ist in erster Linie immer noch dem motorisierten Individualverkehr untergeordnet." So seien Radwege nicht lückenlos ausgebaut, es fehle weitgehend an angebrachten Lösungen. Bereits seit 15 Jahren versuche man bereits für eine Donauquerung auf der Nibelungenbrücke zu sorgen—„Bis heute gibt es dort aber nur einen Radstreifen, der eigentlich gar nicht mehr zulässig wäre", so Lenger.

Solange es in Linz einen derart guten Grund für die Critical Mass gibt, wird es sie wohl auch weiterhin geben. Die Linzer Polizei hat den Vorfall und das Video inzwischen ebenfalls mitbekommen. „Die polizeilichen Ermittlungen gegen den Autofahrer sind auf jeden Fall am Laufen", heißt es dort.

Franz auf Twitter: @FranzLicht