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Hört auf, den Typen aus der U4 zu verprügeln

Seit einem Jahr versuche ich, mit dem Typ aus der U4 auf ein Bier zu gehen. Er geht nie darauf ein. Trotzdem sehen ihn viele als bedrohlichen Perversen.

Screenshot via Facebook

Wer in Wien lebt, hat ziemlich sicher schon mal von dem Typen gehört, der in der U4 Frauen anspricht. Wer in der U-Bahn hin und wieder Gratiszeitungen aufschlägt, weiß auch, dass man ihn hier inzwischen „Bier-Kavalier" nennt und gern so tut, als würde er Mädchen mit Süßigkeiten in eine Höhle locken. Und wer manchmal noch dazu U4 fährt, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch schon einmal neben dem Mann gestanden, als er ein Mädchen angesprochen hat oder wurde selbst schon einmal angesprochen.

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Auch ich hatte schon das Vergnügen. Als er mich das erste Mal angesprochen hat—es war mein Geburtstag—, kam ich mit meinem damaligen Gspusi gerade aus dem Kino und wir standen händehaltend an der U-Bahn. Selbst für jemanden mit sehr wenig Feingefühl war, denke ich, ziemlich klar, dass ich nicht unbedingt auf die Einladung eines anderen Mannes einsteigen würde. Trotzdem kam er direkt auf mich zu und fragte mich, ob ich mit ihm was trinken gehen würde.

Mein Gspusi und ich blickten uns an, ich wurde knallrot im Gesicht. Verstand er nicht, dass ich da händehaltend mit einem Typ stand? Also sagte ich nein, er drehte sich ganz langsam um und ging zur U-Bahn, die gerade einfuhr. „Schmeißt der sich jetzt vor den Zug?", fragte mich der Mann an meiner Hand und kurz sah es tatsächlich so aus. Stattdessen schlurfte der U4-Typ aber einfach nur langsam davon wie ein geprügelter Hund und stieg in die U-Bahn. Das war vor mittlerweile eineinhalb Jahren.

Jetzt weiß eigentlich jeder, dass der Typ existiert, aber wenn er dann tatsächlich zu einem kommt und fragt, ob man mit ihm etwas trinken gehen möchte, sind die meisten vermutlich trotzdem überrascht; zumindest ist es einem unangenehm.

Im Internet kursieren mehrere Fotos von dem Mann, Frauen erzählen, wie sie die Polizei gerufen haben, als er sie angesprochen hat, Männer posten stolz, wie sie ihn verprügelt haben und Boulevard-Blätter erklären ihn zum bedrohlichen Perversen.

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Ich habe drei Jahre lang an der U4 gewohnt und bin dem Mann sehr oft begegnet. Er ist ruhig, spricht sehr leise und ja, er hat auch etwas Unheimliches an sich, weil man recht schnell merkt, dass er einen nicht fragt, weil er unbedingt mit einem auf ein Date gehen möchte. Es wirkt ein wenig, als würde es ihn selbst quälen und ich kann mir auch kaum vorstellen, dass es anders ist, wenn er zu einem Paar geht, das Mädchen nach einem Bier fragt und der Typ daneben (fast) auszuckt.

Es wirkt wie ein Zwang, den er nicht los wird. Diesen Zwang kann er auch dann nicht ablegen, wenn man auf sein Angebot mit einem „Ja, gerne" antwortet. Vor zirka einem Jahr habe ich beschlossen, offensiv zu werden. Ich wollte wissen, wer der Mann ist, wollte mit ihm sprechen und darüber schreiben. Ich habe also mehrmals „Ja" gesagt, als er mich gefragt hat.

Jedes Mal wurde er plötzlich nervös, ging langsam rückwärts von mir weg und erfand Ausreden wie „Ich habe heute doch keine Zeit" oder „Lieber das nächste Mal." Jedes Mal ging er danach sofort zum nächsten Mädchen und fragte auch sie nach einem Date, sie ignorierte ihn oder verneinte, er ging weiter.

Auf Anfrage sagt Paul Eidenberger, Sprecher der Polizei Wien gegenüber VICE Folgendes über die Situation:

„Laut den bis dato vorliegenden Informationen tritt die Person sowohl als Opfer von diversen Körperverletzungen, begangen durch das eigenmächtige „Einschreiten" von Passanten, als auch als Beschuldigter bei Körperverletzungen, Raufhandel in Erscheinung. Die Raufhandel entstanden im Zuge von verbalen Auseinandersetzungen (oft mit den Begleitern der von ihm angesprochenen Frauen) in U-Bahnen oder -Stationen. Diese strafrechtlich relevanten Delikte wurden dementsprechend zur Anzeige gebracht.

Die im Vorfeld von der Person laut Zeugen geäußerten Einladungen an diverse Frauen stellen in dem bis dato durchgeführten Modus keinen Grund für polizeiliches Einschreiten dar."

Mir persönlich und den Frauen in meinem Umfeld ist der Mann noch nie ungut gekommen. Ja, er ist ein wenig unheimlich, weil man sofort merkt, dass er sich selbst überhaupt nicht gut fühlt bei dem, was er tut. Allerdings würde auch kein Mädchen die Polizei rufen, wenn ein attraktiver Typ sie auf dieselbe zurückhaltende Art einfach auf ein Bier einladen würde. Keine Frau muss sich (von egal welchem Typen) etwas gefallen lassen, das ihr unangenehm ist. Das gilt ausnahmslos für jede Situation.

Doch der Mann in der U4 hat etwas Zwanghaftes, das wahrscheinlich nur mit professioneller Hilfe besser werden könnte. Das bedeutet nicht, dass man aus Höflichkeit und Nächstenliebe zusagen muss (vor allem, weil er das Date ohnehin nicht annimmt). Es bedeutet nur, und das ist wichtig, dass es auch nichts bringt, ihm die Polizei hinterherzuschicken oder ihn zu verprügeln.

Hanna auf Twitter: @HHumorlos.