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Hier wohnen Deutschlands Nesthocker

Ausziehen? Möp!!! Eher nicht so. Zahlen des Mikrozensus bestätigen eine hohe Hotel-Mama-Bewohner-Dichte.

unsplash.com | Drew Coffman

Na, wie viel Prozent der 18- bis 24-Jährigen leben wohl noch zu Hause. Vielleicht so 20 30 Prozent? Weit gefehlt: ganze 62 Prozent.

Das findest du komisch? Kann vielleicht daran liegen, dass du in Berlin oder einer anderen größeren Stadt wohnst. Laut bisher unveröffentlichter Zahlen des Statistischen Bundesamts (die VICE auch vorliegen) leben in Berlin nur 45 Prozent der Befragten noch zu Hause. Damit ist Berlin knapp an Platz eins der Frühauszieher vorbeigeschrammt, nur in Sachsen wohnen weniger Leute noch zu Hause: 43 Prozent.

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Und anders herum, welches Bundesland ist Anführer der Heimscheißer-Liste? Das Saarland: Mit 71 Prozent wohnen fast Dreiviertel der 18- bis 24-Jährigen hier noch zu Hause.

Generell gibt es in Deutschland ein Süd-Ost-Gefälle bei der Nesthocker-Dichte: In Bayern und Baden-Württemberg wohnen 66 Prozent noch im Haushalt der Eltern, während im die Leute im Osten schneller flügge werden: Neben Sachsen rangieren auch Meck-Pom (47 Prozent) und Sachsen Anhalt (48 Prozent) unter dem Bundesdurchschnitt. Und auch im hohen Norden gibt es nicht so viele Menschen die ihre Beine noch bei Mama und Papa unter den Tisch stellen: 58 Prozent wohnen in Schleswig-Holstein noch zu Hause.

Du wunderst Dich noch immer über die sehr hohe Zahl der Heimscheißer? Das kann auch daran liegen, dass die Kriterien, die das Bundesamt anlegt, nicht ganz so durchsichtig sind:

"Wir unterscheiden zwischen Haushalten und Lebensgemeinschaften," erklärt ein Sprecher des Statistischen Bundesamtes. "In einem Haushalt können mehrere Lebensgemeinschaften wohnen." Ok. Kuddelmuddel. Was heißt das nun für die Statistik? De Facto werden schlicht nicht alle jungen Leute, die schon von zu Hause ausgezogen sind auch als solche gezählt. Das fängt damit an, wenn man sich nicht ummeldet oder einen Zweitwohnsitz angibt.

Nichts desto trotz: Ein bisschen was ist ja auch dran an den Zahlen des Bundesamts: Was also sind die Gründe für die vielen Nesthocker? "Die können wir nicht erheben", sagt der Sprecher. "Unsere Definition für jemanden, der noch zu Hause wohnt lautet: lediges Kind, mit einem Elternteil unter einem Dach."

Über die Gründe geben die Zahlen keine Auskunft, auch wir können nur mutmaßen. Warum leben so viele junge Leute noch zu Hause? Und warum gerade im Saarland? Die Welt führt eine Umfrage der Universität des Saarlandes an, demnach bleiben viele zu Hause wohnen, weil die Uni von zu Hause aus per Bahn und Bus gut zu erreichen sei. Bequemlichkeit also. Vielleicht auch einfach nicht so ein dichtes Nahverkehrsnetz wie in Großstädten. Und, leben eher Männer oder Frauen länger bei Mama und Papa? Schon im Jahr 2009 hatte die Erziehungswissenschaftlerin Christiane Papastefanou darauf aufmerksam gemacht: Der Typische Nesthocker ist männlich, weiß, gebildet und mit solventen Eltern ausgestattet. Weitere Untersuchungen belegen, dass die lange Dauer der Ausbildung, Arbeitslosigkeit und befristete Arbeitsverträge dazu führen, dass Ausziehen erst Mitte/Ende 20 ansteht.

Der Weg vom Nesthocker zum Nestrocker (des eigenen Nestes) dauert also einfach ein wenig länger.

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