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Safer Sex

Ein Apotheker beseitigt eine der größten Ungerechtigkeiten im Kampf gegen Aids

Wie der Kölner mit seiner Idee das Leben vieler Männer in Deutschland verändern wird.
Schwules Paar, Symbolbild: imago | Westend61

800 Euro im Monat sind eine ganze Stange Geld, selbst wenn du sie für etwas Vernünftiges ausgeben möchtest. Für die Miete einer nicht baufälligen Zweiraumwohnung etwa, oder für eine Therapie, die verhindert, dass du dich mit einem lebensgefährlichen Virus wie HIV infizierst.

PrEP heißt die Behandlung, die Abkürzung steht für: Präexpositionsprophylaxe. Ein Medikament sorgt bei Männern dafür, dass sich Viren auch dann nicht im Körper ausbreiten, wenn sie bereits in diesen eingedrungen sind. Etwa, weil ein Mann ohne Kondom mit einem anderen, HIV-positiven, geschlafen hat. Dass Männer auf Kondome verzichten, hat unterschiedliche Gründe. Manche leiden an einer Latexallergie, andere werden nicht richtig hart, wenn sie den Gummi überziehen. Wer schon beim Anblick von Kondomen automatisch an Krankheiten denkt, kann außerdem eine Angststörung bekommen. Oder aber er sieht sich sozialem Druck ausgesetzt, weil seine private Community Bareback-Sex bevorzugt, also eben den nackten Akt.

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In Deutschland stecken sich 3.000 Menschen jährlich neu mit HIV an. Zwei von drei sind Männer, die mit Männern schlafen. Wiederum gut jeder fünfte Infizierte weiß nichts von seiner Ansteckung. Dabei kann schon eine einzelne Pille am Tag helfen, wenn es kein Kondom tut.

Aus mehr als 800 Euro Kosten pro Monat …

Doch die PrEP hatte bislang einen hohen Preis. Schuld daran war das Medikament Truvada: Die Gesundheitsbehörden haben es im Oktober 2016 in Deutschland zugelassen, der Preis für eine Dreimonatspackung beträgt 2.454,85 Euro. Die Krankenkassen übernehmen das nicht. Und der Hersteller Gilead besitzt ein Patent auf das Mittel. Doch eben dieser Patentschutz lief im Juli dieses Jahres aus.

Sofort landeten Generika auf dem Markt. Diese Nachahmerpräparate wirken wie das Original, weil sie dieselben Arzneistoffe enthalten. Geholfen hat das allerdings nur bedingt: Während in afrikanischen und asiatischen Ländern PrEP-Pillen im Schnitt nur geringe Euro- oder sogar Cent-Beträge kosten, muss man in Deutschland auch für die Generika noch immer mehr als 500 Euro pro Monat berappen.

Die Nutzer hat das ins Internet und Darknet getrieben, wo sie sich versorgen, ohne dass sie sich von Ärzten oder Apothekern beraten lassen. Selbst Privatpatienten kauften sich PrEP-Medikamente weiterhin "auf dem grauen Markt im Ausland", sagte der Arzt Ingo Ochlast, der auf HIV spezialisiert ist, gegenüber dem Magazin Siegessäule noch vor einem Monat.

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… werden 50 Euro – dank Erik Tenberken

Abhilfe will nun ein einzelner Apotheker aus Köln schaffen, damit sich Patienten weder verschulden noch gesundheitliche Risiken mit Medizin aus dem Internet eingehen. Nur 50,05 Euro pro Monat soll ein PrEP-Medikament kosten, das Erik Tenberken zur Verfügung stellt. Mehr als 750 Euro weniger als das Original Truvada. Dabei handelt es sich um ein bereits erhältliches Generikum.

Der Inhaber der Birken Apotheke hat lange mit dem Hersteller Hexal verhandelt. Am Ende durfte er dessen PrEP-Arznei vertreiben und erhält das Mittel als Vertriebspartner nun zum Vorzugspreis, wie die Deutsche AIDS-Hilfe meldet. Tenberken will die Pillen über einen Dienstleister verpacken lassen – einzeln und ohne Karton. Verblisterung heißt das in der Fachsprache, seinen Rabatt gibt der Apotheker an die Kunden weiter. Bereits Ende diesen Monats soll der Verkauf beginnen, sagte Tenberken zu VICE, "wenn alles läuft wie geplant".

In einem Pilotprojekt wollen dann mindestens acht Apotheken Tenberkens Präparat verkaufen. Sie befinden sich in Berlin, Hamburg, München, Köln, Düsseldorf, Frankfurt und Hannover, und haben sich alle auf die Beratung von HIV-Patienten spezialisiert. Wer nun mit der PrEP beginnen möchte, braucht vorher aber noch eine Verschreibung durch einen Arzt, der schwerpunktmäßig HIV-Infizierte betreut.

Ob PrEP auch Männern, die mit Frauen schlafen, und Frauen hilft, konnten Studien bislang nicht belegen. Und auch gegen Syphilis, Tripper, Chlamydien und andere Geschlechtskrankheiten bietet PrEP keinen Schutz. Doch den haben Männer, die keine Kondome beim Sex tragen können oder wollen, sowieso nicht.

Erik Tenberken selbst wird mit seiner Idee nichts verdienen. Der Deutschen Apotheker Zeitung sagte er: "Manchmal muss man auch Dinge mit Herz, Sachverstand und Ethik tun."

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