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Politik

Müssen wir wirklich erklären, warum Oprah Winfrey nicht US-Präsidentin werden sollte?

Nach ihrer flammenden Rede bei den Golden Globes sehen viele Menschen die Talkshow-Moderatorin schon als Trumps Nachfolgerin. Aber das könnte in die Hose gehen.
Illustration: Lia Kantrowitz

2020 wird Oprah Winfrey zur US-Präsidentschaftswahl antreten. Diese Vorstellung verbreitete sich wie ein Lauffeuer, nachdem die Talkshow-Moderatorin bei der Golden-Globes-Verleihung eine inspirierende Rede gehalten hat. "Nichts als Respekt für UNSERE zukünftige Präsidentin", schrieb NBC in einem inzwischen gelöschten Tweet. "Bei geschlossenen Augen könnte man sich vorstellen, wie diese Rede in Iowa gehalten wird", sagte der Journalist Chris Cillizza bei CNN.

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"Sie hat heute etwas ganz Großes angefangen. Ich will, dass sie sich zur US-Präsidentschaftswahl aufstellen lässt", sagte Meryl Streep gegenüber der Washington Post. "Ruf mich an, @oprah. Hier in Iowa würden ein paar Bezirksvorsitzende gerne mit dir plaudern", twitterte Brad Anderson, Barack Obamas damaliger Wahlkampfleiter für Iowa. Selbst konservative Vertreter wie John Podhoretz oder Bill Kristol würden Oprah als US-Präsidentin unterstützen. 2018 scheint es in Sachen Politik also mindestens genauso drunter und drüber zu gehen wie schon 2017 und 2016.

Können wir Promis nicht einfach mal Promis sein lassen?

Oprahs Rede war ohne Zweifel das Highlight der manchmal etwas merkwürdigen Award-Show. "Wir alle wissen, wie die Presse derzeit unter Dauerbeschuss steht", sagte die milliardenschwere Medienmogulin an einer Stelle. "Wir wissen aber auch, dass es das unstillbare Verlangen nach der absoluten Wahrheit ist, das uns Korruption und Ungerechtigkeit, Tyrannen und Opfer, Geheimnisse und Lügen nicht ignorieren lässt."

Ich will hier gar nicht Oprah Winfreys politische Agenda infrage stellen. Die scheint ziemlich progressiv zu sein. Oprah hat schon mehr verändert als die meisten anderen Celebritys: In den 90er Jahren half sie zum Beispiel dabei, den National Child Protection Act durchzubringen (jetzt auch als "Oprah bill" bekannt), auf Grundlage dessen eine Datenbank mit bekannten Missbrauchstätern angelegt wurde.

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Aber können wir Promis nicht einfach mal Promis sein lassen? Oder um es etwas besser auf den Punkt zu bringen: Haben wir aus Donald Trumps bisheriger US-Präsidentschaft nichts gelernt?


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Komischerweise sagte Trump im Jahr 1999 selbst noch, dass er Oprah Winfrey als seine Kandidatin für die Vizepräsidentschaft nominieren würde, sollte er jemals Präsident werden wollen. "Die US-Bürger respektieren und bewundern Oprah für ihre Intelligenz und Fürsorge. Sie inspiriert Millionen Frauen dazu, die eigene Lebensqualität zu verbessern, sich weiterzubilden und die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen", schrieb Trump in seinem Buch.

Und damit hat der derzeitige US-Präsident Recht. Aber nur weil man andere Leute inspiriert, sollte man noch lange nicht US-Präsident sein. Trotz all seiner disqualifizierenden Eigenschaften war auch Trump für viele US-Amerikaner eine Inspiration. Wir brauchen keine "inspirierenden" Politiker mehr, sondern Menschen, die politische Erfahrung besitzen.

Im Gegensatz zu Trump ist Oprah tatsächlich Self-Made-Milliardärin. Sie brüstet sich nicht mit offen rassistischer Rhetorik und ihr wurden auch noch keine sexuellen Übergriffe vorgeworfen. Natürlich wäre sie besser als Trump. Dennoch ist sie – genauso wie er – politisch unerfahren. Und abgesehen von ihrem unglaublichen Charisma gibt es bis jetzt keinen deutlich erkennbaren Grund, sie zu wählen.

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Falls Oprah wirklich eine politische Karriere anstrebt, dann soll sie das ruhig tun – der Posten als US-Präsidentin ist dann aber besser tabu.

Wir wissen, dass Oprah pro-Israel ist, ähnlich wie Obama an den amerikanischen Traum glaubt und Obama bzw. Hillary Clinton bei den jeweiligen US-Präsidentschaftswahlen unterstützte. Außerdem spendete sie nach Hurricane Katrina zehn Millionen Dollar an Hilfsorganisationen. Aber wie steht sie zu den Themen Krankenversicherung, Marihuana-Legalisierung, Außenpolitik und Wohnraum?

Obwohl sich die Medien in den vergangenen Stunden zum Thema Oprah als US-Präsidentin die Finger wundgetippt haben, dürfen wir eine Sache nicht vergessen: Die Talkshow-Moderatorin ist (noch) keine Kandidatin. Vergangenen Juni sagte sie selbst, dass sie sich niemals für ein politisches Amt bewerben würde. Vielleicht hat sie es sich seit den Golden Globes anders überlegt. So berichtet CNN, dass Oprah laut zwei ihr nahestehenden Quellen jetzt aktiv darüber nachdenke, sich zur US-Präsidentschaftswahl aufstellen zu lassen.

Falls Oprah wirklich eine politische Karriere anstrebt, dann soll sie das ruhig tun – der Posten als US-Präsidentin ist dann aber besser tabu. Sie sollte klein anfangen, zum Beispiel in einer Verwaltung oder in einem Gouverneursbüro der Demokraten. Vielleicht würde sie in ihrer neuen Aufgabe wirklich voll aufgehen, aber vielleicht passt sie auch viel besser in ihre jetzige, ebenfalls sehr mächtige Rolle als Aktivistin. Wenn man überheblich genug ist, um ohne jegliche politische Erfahrung das Amt des US-Präsidenten einnehmen zu wollen, dann ist das ein recht eindeutiges Anzeichen dafür, dass man dafür eher nicht geeignet ist. Und wenn uns Donald Trumps Präsidentschaft eine Sache gelehrt hat, dann wohl folgende: Vertraue niemals einem Milliardär den Job eines Politikers an.

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