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Rechtspopulismus

Im Namen eines AfD-Politikers ruft ein VKontakte-Profil zu Lynchjustiz auf

Als ein Grünen-Politiker öffentlich machte, dass das Profil den Tod eines Journalisten verhöhnt, schickte der AfD-Mann seinen Anwalt.
Screenshots einer VKontakte Seite und ein Mann mit Handy
Collage bestehend aus: Screenshots: VKontakte || Mann mit Handy: imago | Westend61

Sich im Ton zu vergreifen gehört inzwischen so sehr zur Grundausstattung von AfD-Politikern wie die Hunde-Krawatte zu Alexander Gauland. Auch die angebliche Lügenpresse als zentrales Feindbild pflegen viele Parteimitglieder seit Langem. Sich öffentlich über den Tod eines Menschen zu freuen, ist allerdings dann doch noch einmal ein anderes Level. Und dann einen Anwalt einzuschalten, wenn sich andere dagegen einsetzen, macht das Ganze nur noch absurder.

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Doch der Reihe nach. "Schön, eine Dumpfbacke weniger bei den Lügenmedien", lauten die Worte, mit denen jemand auf dem russischen Facebook-Pendant VKontakte einen Artikel über den im Hambacher Forst tödlich verunglückten Journalisten geteilt hat. Der mutmaßliche Autor: Detlef Klatt, AfD-Mitglied aus Zwickau.

Entsetzt über den menschenverachtenden Kommentar verbreitete der Zwickauer Grünen-Politiker Wolfgang Wetzel einen Screenshot des Posts auf Facebook. Wenige Tage später schrieb Wetzel in seiner Timeline, dass er einen Brief vom Anwalt erhalten habe. Detlef Klatt werfe ihm wegen der "Veröffentlichung eines privaten Fotos" – gemeint ist wohl das Profilbild des Accounts – eine Urheberrechtsverletzung vor und fordere Schadenersatz. Wetzel solle zudem eine Unterlassungserklärung unterschreiben. Wetzel weigerte sich, den Beitrag zu löschen, und schrieb auf Facebook, Klatt sei eine "lokale Person der Zeitgeschichte" und könne sich nicht darüber beschweren, wenn jemand sein öffentlich gepostetes Profilbild teile. Dass Klatt darauf pocht, Wetzel habe seine Persönlichkeitsrechte verletzt, deutet darauf hin, dass es tatsächlich sein persönliches Profil auf vk ist und der Post wirklich von ihm stammt.


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Wenn dem so ist, hätte die AfD damit wieder einmal bewiesen, dass sie ihre oft wiederholten Lippenbekenntnissen zu Rechtsstaatlichkeit und demokratischen Werten nicht besonders ernst meint. Denn die höhnischen Worte über den toten Journalisten waren keineswegs die einzige Grenzüberschreitung auf diesem Profil. Außerdem ist Detlef Klatt innerhalb der sächsischen AfD in einer besonderen Position.

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Seine Frau war bis vor Kurzem Kreisvorsitzende der Zwickauer AfD und steht laut Freie Presse für einen "patriotischen" Kurs inklusive "Nähe zu Pegida". Er selbst ist laut einer Meldung der AfD Dresden über den neuen sächsischen Landesvorstand Mitglied im Landesschiedsgericht der Partei. Das Schiedsgericht ist dafür zuständig, Streitfragen innerhalb der Partei zu klären. Dazu gehört auch, darüber zu entscheiden, ob AfD-Politikerinnen und -Politiker, die sich grenzwertig äußern oder offen neonazistisch auftreten, dafür gerügt oder aus der Partei entfernt werden.

Aufruf zum politischen Umsturz auf VKontakte

Auf Twitter verbreitete eine Userin nun weitere Posts von dem Profil, in denen nicht nur der tote Journalist verhöhnt wird, sondern mutmaßlich Detlef Klatt auch zu Lynchjustiz und politischem Umsturz aufruft.

Auf Nachfrage von VICE erklärt die Frau hinter dem Twitter-Profil, sie habe die Screenshots persönlich in der letzten Woche auf VKontakte angefertigt. "Dort äußern sich einige Personen sehr viel deutlicher als auf FB oder Twitter, da das nicht so verfolgt wird", schreibt sie.

Kommentare auf Twitter deuten darauf hin, dass die Hasstiraden bis letzten Samstag noch zu sehen waren. Mittlerweile ist das Profil bei vk auf privat gestellt. Auch das weist zumindest darauf hin, dass wirklich Klatt hinter dem Profil steckt. Die Posts sind jedoch noch immer relativ leicht zu finden.

Als registrierter Nutzer kann man weiterhin zahlreiche verbale Entgleisungen lesen – alle gegen Kritiker und Kritikerinnen der AfD. Ein Post bezeichnet Martin Schulz als "das übelste Stück Scheisse in dieser Nation", ein anderer nennt die Linken-Politikerin Martina Renner eine "Rotfaschisten Ratte". Und ausgerechnet der mutmaßliche Autor derartiger Ergüsse ist anscheinend Teil des Gremiums, mit dem die AfD sich selbst im Zaum halten soll.

Interessanterweise beschwert sich der Inhaber des VKontakte-Profils dort auch darüber, dass Detlef Klatt für 30 Tage bei Facebook gesperrt wurde, weil er das Bild einer "Antifa Pissratte" veröffentlicht habe. Dabei handele es sich dem Kommentar nach nämlich nicht um die Verletzung von Persönlichkeitsrechten, sondern um "von Linksfaschisten angeschobene Zensur".

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