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Rechtsextremismus

Insider: Rechtsextreme Elite-Soldaten haben sich auf den "Tag X" vorbereitet

Ein Soldat bestätigt, dass es die "Schattenarmee" innerhalb der Bundeswehr wirklich gegeben habe.
Ein KSK-Soldat auf einem Feld
Foto: imago | Björn Trotzki

Elite-Soldaten, die einen Umsturz planen. Die Waffenlager und Todeslisten linker Politiker anlegen. Die sich auf einen "Tag X" vorbereiten, an dem sie losschlagen wollen.

Die "Schattenarmee", von der taz und Focus im November letzten Jahres berichteten, hätte eigentlich ganz Deutschland in Angst und Schrecken versetzen sollen. Die öffentliche Empörung blieb aber weitgehend aus: Es gab keine Talkshow, keine "Post von Wagner", keine Debattenrunde zu dem Thema. Dies lag womöglich auch daran, dass schwer zu fassen war, wie konkret die "Umsturz"-Pläne wirklich gewesen waren. Das Verteidigungsministerium jedenfalls streitet bis heute ab, von einem Netzwerk gewaltbereiter Extremisten gewusst zu haben.

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Das könnte sich jetzt ändern: Ein ehemaliger Soldat der Kommando Spezialkräfte (KSK) hat mit dem SWR gesprochen und bestätigt, dass es ein solches Netzwerk wirklich gegeben habe. Das Ziel dieses Netzwerks sei gewesen, "die politische Ordnung zu destabilisieren".

Todeslisten linker Politiker

Im Zentrum der Recherchen von taz und Focus stand ein Verein namens "Uniter", gegründet von einem KSK-Soldaten. Der Verein, der laut eigenen Aussagen ehemalige Kommandosoldaten, Polizisten und anderen Beamten vernetzen und diese unterstützen will, soll laut taz eine wichtige Rolle bei den Vorbereitungen auf den "Tag X" gespielt haben.


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Der Gründer des Vereins, Andre S., sei auch Administrator mehrerer Chat-Gruppen gewesen, die – genau wie die Uniter-Struktur – in vier Regionen (Nord, Süd, Ost und West) aufgeteilt gewesen seien. Andre S. habe diese Gruppen mit Interna aus der Bundeswehr versorgt. Aber es sei darin eben auch darum gegangen, so die taz, für den Fall des Falles sogenannte "Safe Houses" anzulegen. Ein prominentes Mitglied der Gruppe "Süd": Franco A. – der Bundeswehr-Offizier, der 2017 festgenommen wurde, weil er sich als syrischer Flüchtling ausgegeben, eine Waffe im Wiener Flughafen versteckt und Listen politischer Gegner geführt hatte. Bei den anschließenden Ermittlungen des Bundeskriminalamtes zu den Chat-Gruppen sagte ein Zeuge aus, in einer dieser Gruppen hätten sich auch Leute organisiert, die bereits "Ordner mit Adressen und Lichtbildern" linker Zielpersonen angelegt hätten.

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Trotzdem schien sich kein klares Bild einer rechtsextremen Verschwörung zu ergeben – vor allem, weil die Verbindungen zwischen den einzelnen Beteiligten bisher nicht vollständig aufgeklärt werden konnten. Was auch daran lag, dass das Verteidigungsministerium eine eigene Untersuchung der Vorfälle bis heute nicht nötig fand. Erst vor zwei Wochen erklärte Christof Gramm, der Präsident des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) im Verteidigungsausschuss, es gebe immer noch keine Belege für ein "rechtes Netzwerk" bei der Bundeswehr.

Die Aussagen des anonymen Kommandosoldaten im SWR werfen allerdings erneut ein zweifelhaftes Licht auf den Verein Uniter.

Der Mann erzählt, dass Andre S. ihn 2012 für den Verein anwerben wollte. Um ihm das schmackhaft zu machen, habe S. ihm erzählt, Uniter "sei ein Pakt der Wölfe, der die Schafherde kontrollieren sollte – gemeint ist damit das deutsche Volk". Er sei aber nicht beigetreten, weil er "das für völlig absurd gehalten habe".

Stattdessen habe der Ex-Soldat selber recherchiert. Dabei habe er festgestellt, "dass Uniter militärische Kommando-Strukturen hat, ein harter Kern von 80 bis 100 Mitgliedern, die sich auf den Tag X vorbereiten und die politische Ordnung destabilisieren wollen". Der Verein, so urteilt er, sei "gefährlich".

Uniter wehrt sich

Andre S. hat sich zu den Vorwürfen bisher nicht öffentlich geäußert. Auf Anfragen der taz drohte er lediglich damit, "den Militärischen Abschirmdienst" einzuschalten – also genau den Dienst, zu dessen Aufgabenbereich es gehört, Extremisten in den deutschen Streitkräften zu beobachten. Laut Recherchen der taz hatte S. tatsächlich exzellente Verbindungen zum MAD – er war einer ihrer Haupt-Informanten, wenn es um Rechtsextreme bei KSK ging. Davon hatte nicht nur der Geheimdienst etwas: Laut der Zeitung soll ein MAD-Offizier Andre S. gewarnt haben, dass bei mehreren Mitgliedern seiner Chatgruppen Durchsuchungen anstehen. Gegen den Offizier wurden daraufhin Anklage wegen Geheimnisverrats erhoben.

Jetzt hat Uniter sich trotzdem entschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen: Der "Distriktleiter Süddeutschland", Marco D’Arcangelo hat gegenüber dem SWR alle Vorwürfe abgewiesen. "Eine Schattenarmee sind wir definitiv nicht", sagte er. "Wir machen auch keine verborgenen Missionen oder sonst irgendwas." Es gehe im Verein nur darum, ein Unterstützungsnetzwerk für Soldaten aufzubauen und ihnen beim Übergang ins Zivilleben zu helfen.

"Wir sind alles andere", sagte D’Arcangelo, "aber rechtsextrem sind wir definitiv nicht."

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