Kid Pex - Alexander Gotter-8080
Alle Fotos: Alexander Gotter

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Rassismus

Heimat bist du großer Menschen: Mit Kid Pex am Würstelstand

"Ich möchte in einem Österreich leben, in dem man nicht gefragt wird, woher man kommt."

In unserem neuen Format "Heimat bist du großer Menschen" sprechen wir mit Künstlerinnen und Künstlern, die in Österreich leben und Migrationshintergrund haben. Denn: Eine rechte Regierung zieht mit populistischen Aussagen und "tragischen Einzelfällen" eine immer dickere Linie zwischen Menschen mit und ohne österreichischen Pass. Dadurch spaltet man nicht nur eine Gesellschaft, sondern macht ganze Gruppen mundtot. Und das obwohl sie viel zu sagen haben. VICE lässt sie in diesem Format zu Wort kommen.

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"Widerstand" ist ein schwieriges Wort. Für den Wiener Rapper Kid Pex gehört linker Widerstand aber zum Standard-Repertoire. Schon 2000 war er auf Demonstrationen gegen die damalige schwarz-blaue Regierung, solidarisierte sich 2013 mit geflüchteten Menschen in der Wiener Votivkirche und rappt heute gegen Rassismus und rechte Politik.

Mit dem Disstrack "So viel Polizei" löste Kid Pex zusammen mit dem Linzer Rapper Kroko Jack im November 2018 eine Welle der Empörung in der rechten Szene aus. Mit Zeilen wie "Heute klatschen's für Abschiebung, morgen klatschen's für das Reich" spuckten die beiden Rapper der ÖVP-FPÖ-Regierung ins schmissverzierte Gesicht.

Ich habe mich mit Kid Pex an einem sonnigen Dienstagnachmittag an seinem Lieblings-Würstelstand, der Würstelbox bei der Pilgrambrücke am Wienfluss getroffen.

VICE: Du hast dir den Würstelstand als Location für das Interview ausgesucht. Was bedeutet dieser Ort für dich?
Kid Pex: Nachdem ich mit meiner Familie von Kroatien nach Österreich gekommen bin, habe ich nicht weit von hier in der Esterhazygasse im sechsten Bezirk gelebt. Ich kenne diesen Würstelstand seit meiner Kindheit. Er verkörpert für mich einen Lebensstil, einen Ort, an dem die Wiener leben, an dem sich viele verschiedene Leute aus unterschiedlichen Milieus treffen, die eine gewisse Lebenseinstellung gemeinsam haben. Der Würstelstand ist wie ein Therapiezentrum, ein Melting Point und ein Wiener Original zugleich. Hier findet man auch das "Jugosla-Wien" – ich bin Jugo, der Würstelstandbesitzer ist Jugo und wir Jugos halten die Wiener Würstelstand-Kultur am Leben.

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1552570930398-Kid-Pex-Alexander-Gotter-8004 Alle Fotos von Alexander Gotter.

Du bist im sechsten Bezirk aufgewachsen, kommst aber aus dem ehemaligen Jugoslawien. Wie hast du deine Kindheit in Erinnerung?
Bevor ich nach Österreich kam, habe ich ein paar Jahre meiner Kindheit im alten Jugo-Kommunismus verbracht. Das war sehr schön für mich. Die Erinnerungen prägen mich heute noch. Man hat gemerkt, dass es andere Vermögensverhältnisse und eine soziale Gerechtigkeit unter den Menschen gab. Alle konnten sich verwirklichen, der Staat hat dich dabei unterstützt. In vielen existenziellen und sozialen Anliegen ging es den Menschen besser als heute.

Der kommunistische Staatspräsident Tito hat Jugoslawien diktatorisch geführt, er hatte 35 Jahre lang die Macht inne.
Mein Großvater kam aus einem ärmlichen Dorf in die Stadt, hatte keinen Partei-Background und hat im Kommunismus eine Wohnung vom Staat bekommen, wie die meisten Leute in Ex-Jugoslawien. 1991 hat er - wie die Mehrheit der Kroaten - die Unabhängigkeit befürwortet. Heute sagt aber auch er selbst, dass es damals unter Tito sozial gerechter und menschlicher war. Trotzdem war Jugoslawien unter Tito auch ein diktatorischer Staat. Du durfest nichts gegen die Partei sagen [Anm. d. Redaktion: KPJ - Kommunistische Partei Jugoslawiens].

Mit acht bist du mit deiner Familie nach Wien gekommen. Hattet ihr damals das Gefühl, dass ihr in Österreich willkommen seid?
Wenn du Petar Rosandic geheißen hast, war das kein Segen. Mittlerweile sind solche "ic"-Nachnamen für die meisten Menschen leichter verdaulich – auch wenn die Umstände dafür fragwürdig sind. In Österreich werden verschiedene Gruppen aufgewertet, in dem man andere Kulturen und Länder abwertet. "Ihr Tschuschen" haben sie uns damals genannt. "Redet nicht in eurer Muttersprache." Das war nicht schön, aber trotzdem besser, als in einem Land zu leben, in dem Krieg herrschte und ein komplett schizophrener Nationalismus umging.

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"Wenn ich wo zu Hause bin, dann bin ich es hier in Wien. Aber hier bin ich immer unerwünschter."

Trotzdem hast du in einem deiner letzten Songs dein Herkunftsland Kroatien thematisiert. Was bedeutet Heimat für dich?
In "Dovomina" beschreibe ich, welche Gefühle ich damit verbinde, in die alte Heimat zu fahren. Nach Kroatien, aber auch in die anderen ex-jugoslawischen Länder. Da kommt bei mir eine nostalgische Trauer auf, weil viele – ob aus Kroatien, Serbien oder Bosnien – eine ähnliche Migrationsgeschichte haben. Wir gingen nicht freiwillig. Die Wirtschaftslage und der Krieg machten uns zu Flüchtlingen.

Deshalb finde ich den Begriff "Heimat" schwierig. Wenn ich wo zu Hause bin, dann bin ich es hier in Wien. Aber hier bin ich immer unerwünschter. Je mehr das Land nach rechts driftet, desto heimatloser fühle ich mich auch in meiner Heimat Österreich.

War das damalige Österreich besser?
Das Land, in das ich damals kam, existiert nicht mehr. Es wurde von rechter Hetze verschluckt. Nur den Alltagsrassismus gab es schon immer. Bei mir fing das in der Schule an. "Das kannst du 'bei deinen Jugos‘ machen!", sagten die Lehrer zu mir, wenn ich mich nicht richtig, also nicht in ihrem Sinne, verhalten habe. Damals war alles gegen "die Jugos". Die FPÖ hat gegen "serbische Banden" gehetzt, die Kronen Zeitung hat von "Balkan-Dieben" gesprochen.

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"Heute sind Frauen in der Rap-Szene angekommen. Sie sind die Trägerinnen des politischen Widerstands."

Und heute?
Die Gesellschaft driftet immer weiter nach rechts. Die Ausdrucksweise und die Wörter, die Politikerinnen und Politiker verwenden, sind untragbar geworden. Heute spricht der Innenminister davon, Menschen zu "konzentrieren" und von "Ausreisezentren" für Asylwerber.

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Hast du Angst vor dem, was rechte Kräfte in Österreich anrichten könnten?
Sie haben bereits viel angerichtet. Wir dürfen nicht vergessen, dass Rechts mittlerweile Mainstream ist. Deswegen ist mein Rap auch immer politischer geworden. Bevor ich darüber rappe, dass ich 100 Huren befriedige, zum Frühstück Koks aus Bolivien ziehe und irgendeinen weltfremden Kapitalisten-Scheiß von mir gebe, äußere ich mich lieber politisch. Das Gute ist, dass mittlerweile mehr Frauen zum Mikrofon greifen und Rap machen. Ich habe das immer gefördert – und mich gegen die Hater gestellt, als weibliche MC’s wie Mag-D es schwer hatten in der Szene. Aber jetzt gibt’s Alice, Samira Dezaki oder Snessia. Über die Veranstaltungsreihe ”Gürlel Squad”, die ich gemeinsam mit Esrap, DJ Dent und Rosetta Diamond mache, fördern wir solche Talente. Mit der österreichischen Künstlerin Yasmo ging ich zur selben Schule, ich war sieben Klassen über ihr. Heute sind Frauen in der Rap-Szene angekommen. Sie sind die Trägerinnen des politischen Widerstands.

Für viele Künstlerinnen und Künstler ist Rap eine Möglichkeit, die Stimme zu erheben. Inwiefern hat Rap dir eine Identität gegeben?
Rebellion, Tabubruch und das Hinterfragen von Gesellschaft und Politik im Rap haben meine Identität geprägt. Rap kommt von Minderheiten. Ans Mikrofon kommen Randgruppen, für die normalerweise andere sprechen. In meiner Jugend war ich ein zerrissener Mensch. Ich kam aus einem Land, in dem gerade der Nationalismus entbrannte, nach Österreich. Ich war willkommen, aber nicht akzeptiert. Damals konnte ich nicht sagen, dass Österreich mein Land war. Heute ist es mir egal, was die Leute sagen. Ich bin erstens Mensch, dann Wiener, Jugo, Österreicher und Kroate. [lacht]

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Wie groß ist denn das Sprachrohr der ex-jugoslawischen Community in Österreich?
Kid Pex zeigt auf den Würstelstand-Besitzer.

Er ist ein Wärter der Wiener Traditionskultur – und Jugo. Die Ex-Ju-Community ist als gemeinsames Subjekt aber schwer zu fassen. Wir wurden von Hass und Krieg zerrissen. Auch wenn heute viele Kroaten bosnische oder serbische Freunde haben, ist die Community noch immer von Nationalismus gefickt. Außerdem sind wir politisch unterrepräsentiert. Über 500.000 Menschen aus Ex-Jugoslawien leben in Österreich – trotzdem wählte man mit Alma Zadić erst 2017 eine Person ins Parlament, die einen dementsprechenden Background hat. Und was haben sie ihr im Parlament gesagt? "Sie sind nicht in Bosnien!" Obwohl sie in Österreich studiert, gelernt und gelebt hat, machten alte, chauvinistische Herren sie nieder. Das ist billig.

Du sitzt zwar nicht im Nationalrat, äußerst dich aber sehr oft politisch – viele bekannte Künstlerinnen und Künstler nutzen ihre Stimme nicht. Was denkst du darüber?
Es ist wichtig, dass Leute nicht verschweigen, was sich gerade abspielt. Ansonsten versäumen sie, etwas Wichtiges beizutragen – ihre Stimme. Doch auch die, die schweigen, sprechen in Wirklichkeit: „Man kann nicht nicht kommunizieren“, sagte Watzlawick. Ich kenne Flüchtlinge und bin in der Thematik drin. Ich war 2015 in Röszke und 2013 jeden Tag in der Votivkirche, um mich mit den Flüchtlingen zu solidarisieren. Ich kenne die Geschichten und Schicksale vieler geflüchteter Menschen und habe dadurch einen emotionaleren Bezug als ein durchschnittlicher Bürger. Das versuche ich im Rap rüberzubringen – auch mit Wut.

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Diese Wut hört man zum Beispiel in "So viel Polizei" – ein Song gegen die schwarz-blaue Regierung. Andreas Gabalier kommt darin auch vor. Er hat dich daraufhin wegen "gefährlicher Drohung" angezeigt.
"So viel Polizei" kam im November 2018 raus und war sehr präsent in den Medien. Gabalier reagierte im Februar 2019, als er wegen der Verleihung des Karl-Valentin-Ordens im Kreuzfeuer stand. Österreich und die Kronen Zeitung präsentierten das, als hätten wir den Song als Reaktion darauf gemacht. Aber das stimmt nicht. Bevor er Kroko Jack und mich anzeigte, bezeichnete er uns als Kasperl, die man nicht ernstnehmen könne.

Man muss "So viel Polizei" nicht mögen, man kann es kritisch sehen und diskutieren. Das sollten wir sogar. Die Diskussionen, die es gab, mündeten aber in rechtsextremen Kommentaren und Beleidigungen.

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Kommentare von Menschen, die Gabalier gut finden. Das sind ziemlich viele. Wie würdest du den typischen Durchschnittsösterreicher beschreiben?
Ich glaube an das Gute in Österreich. Die Österreicherinnen und Österreicher sind vielfältig. Ich mag keine Generalisierungen. Aber in den letzten Jahren läuft viel schief. Eine unmenschliche, "un-österreichische" Politik hat ihren Lauf genommen. Bruno Kreisky stand in den 1970er-Jahren für die Sozialpartnerschaft und ein tolerantes Land, das den Dialog sucht – und ihn nicht zerstört. Sebastian Kurz arbeitet heute lieber mit Rechtspopulisten zusammen und spricht von einer "Achse der Willigen".

Was für ein Österreich wünschst du dir?
Ich möchte in einem Österreich leben, in dem man nicht gefragt wird, woher man kommt. Ich wünsche mir, dass man Menschen partizipieren lässt und sie willkommen heißt, dass sie mitgestalten können. Ein Österreich der Fairness und Gerechtigkeit – das versuche ich zu leben.

Am 29. März ist Kid Pex bei "Hip-Hop im Wirtshaus" live zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Solltest du aufgrund deiner Herkunft, Religion oder Staatsbürgerschaft diskriminiert worden sein, kannst du dich bei ZARA Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit beraten lassen und Unterstützung holen.

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