Politik

Warum jeder Weiße sich über 'ELLE's rassistischen Magazin-Titel aufregen sollte

Man muss nur checken, dass man Weiß ist. Und dass das ein Privileg ist, das keines sein darf.
Black and White Allyship
Symbolbild || Collage: bestehend ausAnaterateNotanastrologer

 | Bearbeitung: VICE

Das Magazin ELLE Germany hat ihre neueste Print-Ausgabe unter das Thema "Back to Black" gestellt – und ein Weißes Model auf das Cover gedruckt. Problematisch. Noch problematischer wurde es ein paar Seiten weiter: Die Redakteurinnen und Redakteure proklamieren "Black is Back" und listen eine Reihe erfolgreicher Schwarzer Models auf. Nur um eine von ihnen, Naomi Chin Wing, die auf einem Foto abgebildet ist, fälschlicherweise als Janaye Furman zu identifizieren. Das ist Rassismus. Es folgte ein Shitstorm. Zu Recht.

Anzeige

Abgesehen davon, dass Diversität kein Trend ist und Models of Color niemals nicht da waren, offenbart sich hier ein ganz anderes Problem: ELLE Germany ist nur ein Platzhalter für viel zu viele deutsche Magazine und für fast jedes Unternehmen, jede Universität, jeden Club, jedes Museum. Für all jene Orte, an denen zu wenig bis gar keine Diversität herrscht, besonders in Führungspositionen.

Vielleicht wundert ihr euch jetzt, dass ich mich zu Wort melde in dieser Debatte, unter der ich eben gar nicht leide, sondern in diesem Fall Schwarze Menschen. Ich habe Rassismus noch nie an meiner eigenen Haut erfahren, weiß nicht, wie es sich anfühlt, wenn die eigene Existenz von der Gesellschaft, der Politik bedroht wird. Aber gerade deswegen darf ich nicht schweigen.

Ich lebe seit 28 Jahren als Weiße Person in rassistischen Strukturen, die sich seitdem in meine Handlungen, mein Denken, meine Persönlichkeit einfressen. Strukturen, die ich internalisiert habe, von denen ich profitiere. Und ich bin mir sicher, dass dieses System auch euch verschluckt hat, wenn ihr Weiß und deutsch seid. Rassismus, diese riesige Krake, die unsere Gesellschaft fest in ihren Armen hält. Rassistische Strukturen sind real. Weiße Privilegien sind mehr als real. Das wiederholen wir jetzt alle drei Mal, dann kommt eine gute Fee und Deutschland ist plötzlich diskriminierungsfrei. LOL.

Wenn Schwarze Menschen wie jetzt zu Recht am Zustand der Gesellschaft zweifeln, reicht es nämlich nicht, wenn wir auf Instagram den Post von Diet Prada teilen oder kopfschüttelnd mit den Kolleginnen und Kollegen über ELLE Germany und deren halbherzige Entschuldigung herziehen. Wir müssen begreifen, dass nicht "die anderen" das Problem sind, sondern wir alle. Wir alle sind das verdammte Problem.

Anzeige

Was mich immer wieder beschäftigt, ist, dass die Bürde der (unbezahlten) Aufklärungsarbeit an Personen aus marginalisierten Communitys hängenbleibt. Egal ob nach dem rechtsextremistischen Attentat in Halle oder der mühevollen Aufgabe, Weißen Menschen zu erklären, weswegen Blackfishing verletzend ist – sie sind die ersten, die ihre Stimme erheben.

Versteht mich nicht falsch: Es ist essentiell, Betroffenen zuzuhören, ihre Perspektiven kennenzulernen. Denn wenn wir wissen, wie es ihnen geht, dann verändert sich das eigene Handeln. Aus Rücksicht. Aus Einsicht. Aus basic Menschenverstand. Aber da darf es nicht aufhören. Wenn wir wollen, dass die Gesellschaft von Rassismus befreit wird, sind wir Weiß-deutsch-gelesenen Personen diejenigen, die nun ihren Popo aus dem gemütlichen Bürostuhl erheben müssen.

Einen Namen hat das Ganze schon: Allyship. Ally für "Verbündete". Wie das aussehen kann? Das finde ich gerade auch noch heraus. Die Wurzeln unserer rassistischen Gesellschaft reichen so tief in die deutsche Geschichte, dass es ein fortlaufender Prozess ist, sie freizulegen. Dieser Prozess kann damit beginnen, Bücher zu lesen. Zum Beispiel Exit Racism von Tupoka Ogette, Eure Heimat ist unser Albtraum, herausgegeben von Hengameh Yaghoobifarah und Fatma Aydemir, Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen: aber wissen sollten von Alice Hasters.

Oder er kann damit beginnen, Aktivistinnen und Aktivisten wie @ffabae, @khvlf, @wirmuesstenmalreden, @helen_fares, @yugodeinesvertrauens auf Instagram zu folgen und – sollten es deine finanziellen Ressourcen zulassen – auch mal einen PayPal-Link zu nutzen. Auf Demonstrationen Gesicht zeigen. Fremde in der U-Bahn auf Fehlverhalten hinweisen. In passenden Momenten zurücktreten. Alle können, müssen ein Ally werden. Man muss nur zuallererst checken, dass man Weiß ist. Und dass das ein Privileg ist, das keines sein darf.

Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.