Ein Butler im Anzug steht im Eingang einer Villa
Der Butler André Meester vor der Villa seines Arbeitgebers | Alle Fotos: Gwen van der Zwan
Menschen

Das Leben als Butler eines Superreichen

"Als ich drei Jahre hier gearbeitet hatte, durfte ich mir ein Auto aussuchen: 160.000 Euro."

In den Königshäusern dieser Welt servieren noch Dienerinnen und Diener das Frühstück auf dem Silbertablett, halten ehrerbietig die Türen auf und schmieren den Royals Zahnpasta auf die Bürste. Es gibt aber auch Privatbutler für nicht-adlige Reiche. Der 38-jährige André Meester ist einer von ihnen.

Seit sechs Jahren arbeitet Meester 60 Stunden die Woche für einen 56-Jährigen, dessen Namen wir hier nicht nennen sollen. Er wohnt in der niederländischen Stadt Hoorn, eine knappe Autostunde von Amsterdam entfernt. Die Stadt ist mit rund 73.000 Einwohnern ungefähr so groß wie Bayreuth. Ich besuche Meester bei seinem Arbeitgeber und teste für eine Stunde, wie das Leben mit Butler aussieht: Er empfängt mich an der Tür der imposanten Villa, nimmt mir die Jacke ab und serviert mir ein Stück hausgemachten Kuchen samt Kaffee. Das Wedgwood-Porzellan ist das gleiche wie im Weißen Haus, eine Tasse kostet 100 Euro.

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Natürlich werde ich von Meester konsequent gesiezt und mit "die Dame" angesprochen. Ich frage ihn, wie er an diesen Job gekommen ist, ob die Arbeit ihn selbst reich macht – und was er für sein Geld alles tun muss.


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VICE: André, Sie arbeiten ja in einem regelrechten Palast.
André Meester: Fünf Etagen hat das Haus. Auf der anderen Straßenseite hat der Herr auch noch ein Gebäude sowie ein drittes Haus in Dubai. Er ist Software-Entwickler und wohnt mit seinem Partner zusammen. Beide lieben den klassischen Stil, deswegen mögen sie es auch, einen Butler zu haben, der immer Anzug trägt. Hauptsächlich arbeite ich in diesem Haus hier, aber wenn er für mehr als ein Wochenende verreist, bin ich oft dabei. Dann bekomme ich mein eigenes Zimmer in dem Hotel, wo auch der Herr übernachtet. Ich trage dann beim Shopping die Tüten und reserviere die Tische in den Restaurants.

Was erledigen Sie alles an einem normalen Tag?
Ich bin 60 Stunden die Woche da und arbeite meist wochentags von sieben bis sieben. Ich wohne selbst nicht hier. Ich kümmere mich um Frühstück, Mittagessen und Dinner, außerdem serviere ich Kaffee, wenn der Herr es wünscht. Ich öffne ihm jedes Mal die Tür, wenn er ankommt, und mache die Besorgungen. Meine Aufgaben variieren auch von Monat zu Monat: Den Dezember über bin ich zum Beispiel komplett mit Weihnachtsdekorationen beschäftigt, der Herr liebt Weihnachten. In der Küche steht jedes Jahr ein sechs Meter hoher Baum. Ich muss immer erst ein Baugerüst aufstellen, bevor ich den Baum überhaupt in Position bringen kann. Wenn der Dezember vorbei ist, kann ich auch erst einmal keine Weihnachtsbäume mehr sehen.

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Besteht der Butler-Beruf also wirklich nur aus Kaffee, Kochen und Besorgungen?
Die Besorgungen sind ziemlich aufwändig: Ich gehe zur Bäckerei, zum Gemüsehandel, in die Metzgerei und zum Fischmarkt, denn alles muss frisch sein. Der Herr isst am Tag zwei warme Mahlzeiten und entscheidet immer erst abends, was genau er wünscht. Deshalb gehe ich zweimal täglich einkaufen. Weiter bringe ich Anzüge in die Reinigung, putze Schuhe und backe Kuchen. Der Herr liebt hausgemachten Kuchen, außen knusprig und innen cremig soll er sein. Ich manage außerdem den Rest der Haushaltsführung. Es gibt zwei Reinigungskräfte, denen gebe ich einen Hinweis, wenn ich irgendwo Schmutz sehe. Ich selbst kann in meinem Anzug nicht auf die Knie gehen, um zu putzen.

Der Butler André Meester

Hat Ihr Arbeitgeber manchmal auch Sonderwünsche?
Der Herr schaut gern Filme. Manchmal fällt ihm in einem Film ein Gericht auf, das er dann am folgenden Tag essen möchte. So war es beim letzten Dim Sum. Dann muss ich recherchieren, wie so etwas geht. Neulich bat er mich um hausgemachte Pralinen, also habe ich im Großhandel alles besorgt, was man zum Pralinenmachen braucht. Und dann sehe ich mir im Internet Tutorials an.

Stehen Sie dann abrufbereit neben ihm, während er einen Film schaut, oder wie läuft das?
Nein, ich bin eigentlich immer an meinem Posten in der Küche. Der Herr schreibt mir per App eine Nachricht, wenn er etwas von mir wünscht, etwa Kaffee oder sein Lunch. Ich zeige mich nur, wenn ich gebraucht werde.

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Was, wenn er Ihnen schreibt, während Sie gerade einkaufen sind?
Dann muss ich ganz schnell zurückkommen. Ich sage nie: "Nein, ich kann jetzt nicht." Wenn ich fast mit dem Einkaufen fertig bin, beeile ich mich, aber wenn ich gerade erst im Laden angekommen bin, kehre ich sofort um.

Arbeiten Sie den ganzen Tag durch oder haben Sie auch mal nichts zu tun?
Pro Tag gibt es so vier bis fünf Stunden, in denen ich nicht mit meinen üblichen Aufgaben beschäftigt sind. Dann schaue ich sehr oft den niederländischen Kochsender 24Kitchen. Natürlich gibt es auch Zeiten, in denen ich nur auf meinem Handy scrolle. Wenn ich bei einer Wochenendreise dabei bin, gehe ich manchmal mit dem Herrn zum Dinner.

Einfach als Freund?
Ich spiele nie den Freund. Mein Vorgänger hat das wohl getan, er hat 14 Jahre lang hier gearbeitet. Und genau weil die Verbindung zu persönlich wurde, kam es zu Spannungen. Aufgrund dieser persönlichen Ebene sagte der vorige Butler manchmal Dinge wie: "Kannst du nicht mal eben selbst an die Tür gehen?" Deswegen halte ich alles professionell. Wenn der Herr mich mit zum Dinner einlädt, beteilige ich mich nicht zu sehr an den Gesprächen. Ich werde nicht persönlich und halte mich im Hintergrund. Ich sage immer Ja, selbst wenn ich dabei manchmal insgeheim Nein denke.

"Der Herr kauft nie selbst ein."

Wie sind Sie an diese Stelle gekommen?
Ich war schon immer im Gastgewerbe. Ich habe mit zehn Jahren angefangen, im Hotel meines Onkels auszuhelfen. Später war ich Barkeeper im Amsterdamer Fünf-Sterne-Hotel Krasnapolsky. Schließlich fand meine Mutter die Anzeige für die Butler-Stelle im Internet, ich bewarb mich und fing direkt am folgenden Tag an. Ich finde, mein Beruf ist der höchste, den man im Gastgewerbe ausüben kann. Das Vertrauensverhältnis ist wirklich besonders.

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Butler André Meester sitzt an einem Tisch in der Villa seines Herren

Finden Sie es nicht schwierig, in einer Dienerrolle zu sein?
Die Frage stellt man mir oft, aber ich fühle mich nicht wie ein Laufbursche. Der Herr fragt immer: "Könntest du dies oder jenes tun?" Er klingelt nicht mit einem Glöckchen nach mir und kommandiert mich nicht herum. Der einzige Unterschied zu anderen Chefs ist, dass er ein Stück reicher ist.

Wie reich ist er denn?
Ich habe keine Ahnung. Aber ich weiß, dass eines seiner Autos 1,8 Millionen Euro wert ist, und er besitzt insgesamt 14 Autos. Das vermittelt wohl einen groben Eindruck. Ich könnte jederzeit nachsehen, wie viel Geld er hat, denn ich habe all seine Bankkarten. Aber das mache ich nicht. Das ist Vertrauen.

Braucht er die Bankkarten nicht selbst?
Nein, er kauft nie selbst ein. Und wenn er mal Bargeld braucht, bittet er mich, ihm welches abzuheben.

Geschenk für den Butler: 160.000 Euro

Kommen Sie nie in Versuchung, sich mit den Bankkarten selbst was Nettes einzukaufen?
Nein. Ich esse täglich hier, also habe ich keine Leckereien mehr nötig. Allerdings ist es schon so, dass ich Reste einpacke und nach Hause mitnehme, für meine Frau. Denn hier isst man natürlich keine Reste vom Vortag mehr.

Kriegen Sie tolle Geschenke, so als Bonus?
Ein Mercedes der SL-Klasse – ist das toll genug? Als ich drei Jahre hier gearbeitet hatte, durfte ich mir ein Auto aussuchen. Es hat 160.000 Euro gekostet. Aber ich kriege auch so häufig schöne Geschenke. Neulich ging mein Portemonnaie kaputt, da bekam ich ein neues von Cartier. Es ist mehr wert als sämtliches Geld, das bisher drin war.

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Haben Sie hier einen festen Arbeitsvertrag?
Ich bin Festangestellter und verdiene 4.200 Euro netto im Monat. Das ist weniger als Butler anderswo auf der Welt – die verdienen meist zwischen 5.000 und 15.000 Euro, aber dafür arbeite ich ja nicht an den Wochenenden. Zusätzlich biete ich meine Butler-Dienste an den Wochenenden auch freiberuflich an. Dann koche ich, serviere und räume hinterher alles auf, wenn jemand zum Beispiel eine Dinnerparty veranstaltet. 35 Euro die Stunde verlange ich dafür, meist bei etwa zehn Stunden Arbeit.

Wollen Sie den Rest ihres Lebens für diesen Herrn arbeiten?
Ich kümmere mich gut um ihn und koche gesund. Ich hoffe, dass ich bis zu meiner Rente hier bleiben kann. Aber wenn der Herr morgen einen Unfall hätte, stünde ich mit leeren Händen da. Dann hätte ich keinen Job mehr, und soweit ich weiß, stehe ich nicht in seinem Testament.

Haben Sie als Butler viel Konkurrenz?
Hier in den Niederlanden gibt es nicht viele Privatbutler. Einige Hotels haben einen Butler-Service, aber das war's. Und von der wenigen Konkurrenz, die es gibt, hebe ich mich ab, indem ich sehr klassisch bin und alles über Etikette weiß.

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