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Personalisierte Facebook-Ads können Menschenmassen manipulieren – klappt das auch mit politischen Botschaften?

Eine große Studie hat bewiesen, wie leicht sich Menschen über personalisierte Facebook-Werbung zum Kauf eines Produktes verleiten lassen. Doch funktioniert die Massen-Manipulation auch im Wahlkampf? Ein Gespräch mit der Hauptautorin der Studie.
Bild: Unsplash, shutterstock | Anikei | Montage: Motherboard

Man kann Menschen auf Facebook über exakt auf ihre Persönlichkeit zugeschnittene Werbung massenhaft manipulieren. Mit über 300.000 Test-Nutzern in drei Experimenten konnten Forscher erstmals belegen, was zuvor nur Spekulation war: Psychologisches Targeting auf Facebook funktioniert tatsächlich. So kauften User, die gemäß ihrem Like-Profil beispielsweise eher als introvertiert oder extrovertiert gelten, rund 50 Prozent häufiger ein Produkt hinter einer Facebook-Anzeige, die speziell auf ihre introvertierte oder extrovertierte Persönlichkeit zugeschnitten war.

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Die Persönlichkeitsstruktur der untersuchten Facebook-Nutzer analysierten die Autoren – zu denen auch der nach Trumps Wahl bekannt gewordene Psychologe Michal Kosinski gehört – mit Hilfe der riesigen Datenbank myPersonalityProject und einem Abgleich durch Fragebögen. Je nach verteilten Likes können Forscher aus dem Profil eines Facebook-Nutzers mit myPersonalityProject mit hoher Zuverlässigkeit unterschiedliche Ausprägungen auf einer Reihe von Achsen wie Risikofreude, Neurotizismus, Offenheit oder Sicherheitsbedürfnis ableiten. Welchen Seiten man einen Daumen nach oben gibt, sagt demnach also viel über die Persönlichkeitsstruktur des Nutzers aus.

Die Erkenntnisse sind aber nicht nur für die Entwickler von harmlosen Kreuzworträtsel-Apps und anderen unverfänglichen Produkte interessant. Die Möglichkeiten des Psycho-Targetings erscheinen vielfältig – und erschreckend: Was, wenn Waffenwerbung vor allem den Leuten angezeigt wird, deren Sicherheitsbedürfnis gemäß ihrer Facebook-Likes enorm groß ist? Im US-Wahlkampf 2016 wurden bereits Anzeigen auf Facebook genutzt, um schwarzen Amerikanern Videos zu zeigen, in denen Präsidentschaftskandidatin Clinton schwarze Männer als Raubtiere bezeichnet. Sie sollten die potentiellen Wähler gegen die Kandidatin Clinton aufwiegeln. Doch kann das funktionieren? Sandra Matz, Computational Social Scientist und die Hauptautorin der neuen Studie, beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema:

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MOTHERBOARD: Inwiefern lassen sich die Ergebnisse Ihrer drei Versuche auf politische Inhalte oder Kampagnen übertragen?

Matz: Politische Kampagnen sind ein spannendes Thema, natürlich insbesondere im Hinblick auf die US-Wahl, zu der Motherboard ja einen recht umfangreichen Artikel publiziert hat. Der Hauptgrund, warum wir angefangen haben, zu diesem Thema zu forschen, war, dass wir eine empirische Grundlage für eine öffentliche Diskussion zum Thema Psychological Targeting schaffen wollten.

"Genauso wie ich Leute davon überzeugen kann, ein bestimmtes Produkt zu kaufen, kann ich Leute auch davon überzeugen, ein bestimmtes Thema zu unterstützen."

Denn die ganze Geschichte um Cambridge Analytica basiert im Prinzip nur auf Aussagen und Spekulationen, die zwar Angst schüren, uns aber nicht wirklich weiter bringen. Jetzt wo wir wissen, dass es tatsächlich funktionieren kann, brauchen wir eine öffentliche Diskussion darüber, was wir mit der Technologie machen wollen. Politische Kampagnen sind da natürlich ganz vorne mit dabei.

Ich kann mir vorstellen, dass es gerade im Bezug auf die Persönlichkeitseigenschaft "Openness to experience" [Offenheit für Erfahrungen] diverse Anwendungsmöglichkeiten für politische Forderungen gäbe.

Grundsätzlich lässt sich die Technologie auf viele Gebiete anwenden, theoretisch auch auf politische Kampagnen. "Openness" [Offenheit, Aufgeschlossenheit] ist zwar die Persönlichkeitseigenschaft, die am stärksten mit politischer Orientierung zusammenhängt, wenn es allerdings darum geht, den Inhalt von Werbebotschaften anzupassen, kommen auch andere Eigenschaften in Frage.

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Wenn man z.B. an "Neurotizismus" denkt, liegt es relativ nahe, mit dem Sicherheitsbedürfnis von Leuten zu spielen, oder bei "Agreeableness" [Verträglichkeit] mit dem Bedürfnis, seine Liebsten zu schützen.

Genauso wie ich Leute davon überzeugen kann, ein bestimmtes Produkt zu kaufen, in dem ich es relevanter mache, kann ich Leute auch davon überzeugen, ein bestimmtes Thema zu unterstützen oder eventuell für einen bestimmten Kandidaten zu stimmen.

Allerdings sprechen wir hier nicht von radikalen Veränderungen. Es ist sicherlich nicht so, dass wir einen überzeugten Hillary-Wähler in einen Trump-Wähler verwandeln, nur weil wir ihm politische Werbung zeigen, die seiner Persönlichkeit entspricht.

Was halten Sie von Facebooks Initiative, Werbeanzeigen und ihre Urheber transparenter zu kommunizieren?

Der Ansatz von Facebook für mehr Transparenz ist sicherlich lobenswert, und im Prinzip der beste Schritt nach vorne, den das Netzwerk selbst einleiten kann. Wenn ich weiß, von wem Kampagnen geschaltet werden, habe ich zumindest die Möglichkeit, zu reflektieren. Wie viele Nutzer das tatsächlich machen, ist natürlich die Frage.

"Was wir im Moment erleben, ist eine ziemlich eindrückliche politische Apathie, die dazu führt, dass sich Leute überhaupt nicht mehr am politischen Geschehen beteiligen."

Ob es darüber hinaus Regulierung geben sollte? Das ist meiner Meinung nach nicht Facebooks Aufgabe, sondern die Aufgabe von Politikern und letztendlich uns allen, die die politische Meinung beeinflussen können. Außerdem geht es ja nicht nur um Facebook. Die werden zwar immer als Negativbeispiel herangezogen, aber das gleiche gilt für alle anderen Werbeplattformen, die ähnliche Targeting-Mechanismen haben.

Es macht meiner Meinung nach keinen Sinn, psychologisches Targeting komplett zu verbieten. Denn damit würden wir uns auch die Möglichkeit nehmen, es in Bereichen anzuwenden, in denen es durchaus nützlich sein kann: Zum Beispiel könnte man Leuten helfen, mehr zu sparen, oder sich gesünder zu ernähren. Das Behavioral Insights Team in England zum Beispiel hat eine ganze Reihe toller Projekte.

Es kommt aber sehr wohl in Frage, bestimmte Anwendungsbereiche – wie zum Beispiel politische Kampagnen – zu regulieren. Allerdings kann man auch hier sagen, dass psychologisches Targeting nicht an sich schlecht sein muss. Was wir im Moment erleben, ist eine ziemlich eindrückliche politische Apathie, die dazu führt, dass sich Leute überhaupt nicht mehr am politischen Geschehen beteiligen.

Genauso wie psychologisches Targeting genutzt werden kann, um Leute davon abzuhalten, wählen zu gehen – etwas, das wir sicherlich nicht wollen – kann es auch genutzt werden, um Leute wieder für Politik zu begeistern und in den politischen Prozess einzubinden. Wenn wir es schaffen würden, mit Leuten über die Themen zu kommunizieren, die sie wirklich interessieren, wäre das sicherlich ein erster Schritt.