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Der am meisten gehasste Song von 'Star Wars' und seine bizarre Geschichte

Das Lied "I'm Han Solo" ist so daneben, dass leidenschaftliche Fans es kaum ertragen können. Jetzt erzählen die Macher, wie dieser musikalische Totalschaden überhaupt passieren konnte.
Bild: Screenshot | YouTube | Akairyumdn

Es ist 2012 und Star Wars ist am Ende: Das wichtigste, beliebteste Sci-Fi-Fantasy-Märchen der Neuzeit hat jeglichen Glanz verloren. Episode 1-3, die Prequels, haben zahlreiche Fans enttäuscht, neue Filme sind nicht geplant. Und George Lucas, der Erfinder von Star Wars? Er hat genug von verärgerten Fans, die seine Vision in Frage stellen, und will hinschmeißen. Lucas will Star Wars an Disney verkaufen. Sollen doch andere Geschichten über surrende Lichtschwerter erzählen. In dieser Zeit erscheint das Videospiel, das dem 'alten' Star Wars in den Augen der Fans endgültig den Rest gegeben hat: Star Wars Kinect – das Spiel, das Han Solo tanzen ließ.

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Der Song, durch den 'Star Wars' zum Witz mutierte

Der Schauplatz: der Gasplanet Bespin, Wolkenstadt. Storm Trooper wackeln mit den Hüften und recken die Fäuste in die Luft. Wir sehen: Lando Calrissian, der smoothe Gastgeber, wie er die blinkende Treppe zur Carbonit-Kammer hinabsteigt, wo er seinen Freund Han Solo schockgefrieren ließ: "Zeig mir deine Moves", ruft Lando in den Raum. Musik setzt ein. Autotune, "uuuuh, yeaaaaaah yeah-yeah mmmh". Kameraschwenk. Ein Fahrstuhl gleitet in den Raum. Darauf: ein 3D-animierter Han Solo, der grantige, lakonische Weltraum-Cowboy, der Harrison Ford für immer zum Star werden ließ. Solos Blick eine Mischung aus tiefer Entspannung und Zufriedenheit. Er nickt der Menge zu, Scheinwerfer auf Solo: 3, 2, 1. Der Song beginnt.

I’m feelin’ like a star

you can’t stop my shine

I’m lovin’ Cloud City,

my head’s in the sky

I’m solo, I’m Han Solo.

I’m Han Solo.

I’m Han Solo, Solo

Zur unvergesslichen Melodie von Jason Derulos Trennungs-Song "Ridin’ Solo" tanzt Han Solo sein Glück. Die Gefangenschaft im Carbonit ist überwunden, der Wookie wieder da, jetzt kann Solo wieder eine Prinzessin knutschen. Das Lied ist so schlecht niveaulos getextet, der Figur Han Solo so unwürdig, musikalisch so unangemessen für die Welt von Star Wars, dass es sich für immer ins Meme-Gedächtnis des Internets einbrennen sollte. Und Fans fragten sich: Wie konnte das nur passieren!?

"Ein Missbrauch der Lizenz": 'Star Wars Kinect'

Screenshot: YouTube | Akairyumdn

Für Star Wars Kinect, das Videospiel, in dem Solo tanzt, war das Scheitern vorbestimmt. Es setzte nicht nur vollständig auf die schon damals unbeliebte Kinect-Bewegungssteuerung für die Xbox – die Entwickler sollten dazu vor allem Resteverwertung betreiben. Das hat der US-amerikanische Journalist Brian Feldman herausgefunden. Der Reporter des Magazins New York hat mit den Entwicklern gesprochen und die die Geschichte hinter "I’m Han Solo" aufgeschrieben.

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"Microsoft hatte ein erfolgreiches Kinect-Tanz-Game rausgebracht und hat dann für ein weiteres Spiel diese Lizenzen für Songs eingekauft", erzählt der Entwickler Jesse Harlin im Gespräch mit Feldman, "aber irgendwas ist mit diesem Tanzspiel schiefgegangen und es wurde nicht produziert. Die Lizenzen hatte Microsoft aber schon gekauft. Und dann entschied bei Microsoft jemand, dass das Spiel eine Tanzszene bekommen muss." So landete Jason Derulo in der Star-Wars-Wolkenstadt.

"Sie haben einfach nur das Wort 'boogie' in 'wookie' geändert"

Die Entwickler von Star Wars Kinect versuchten, das Beste aus der Vorgabe zu machen. "Die Musik sollte komplett in Huttisch eingesungen werden", sagt Entwickler Kevin Afflack gegenüber New York. Jeder Cover-Song sollte in der Fantasiesprache der verbrecherischen Weltraumschnecken von Star Wars gesungen werden, inklusive Rap-Parts von Jabba the Hut persönlich. Afflack produziert sogar eine Demo der Hutt-Musik, die bis heute auf seinem Soundcloud-Profil zu hören ist. Doch der Plan geht nicht auf. Es gab einfach nicht genug Musiker, die kurzfristig bereit waren, eine Alien-Sprache zu lernen.


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Also muss alles schnell gehen – und einfach. Parodie-Songs werden geschrieben. Doch die Autoren sind keine geschickten Sprachkünstler wie etwa Parodiemeister Weird Al Yankovic, sondern Videospielautoren. "Das waren keine Parodien", erzählt Harlin, der die Songs damals bei Lucas Arts final abnehmen musste. "Sie haben einfach nur das Wort 'boogie' in 'wookie' geändert. Das ist keine Parodie. Das ist 'Suchen-und-Ersetzen' im Word-Dokument."

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Doch es ist zu spät, das Projekt abzusagen. "Zum Zeitpunkt, als ich das Material zu Gesicht bekam, gab es niemanden mehr, der sich gefragt hat, ob das alles überhaupt eine gute Idee war", sagt Harlin New York.

Es war keine gute Idee.

Pleiten und Hohn: Die Folgen von 'Star Wars Kinect'

Nach allen gängigen Metriken war Star Wars Kinect ein gigantischer Flop. Der Tanz-Modus wurde zu einer solchen Lachnummer, das die anderen Spielmodi (Lichtschwertduelle, Pod-Rennen, eine Rancor-Monster-Simulation) kaum noch Erwähnung fanden. Die meisten Kritiker schrieben das Spiel nieder. Spieletipps.de sprach von "seelischem Schmerz" bei der Tanzeinlage. Viele andere Kritiken, wie diese hier bei Eurogamer, sprachen von einem unbedeutenden Spiel, das in Vergessenheit geraten wird.

Ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung von Star Wars Kinect wird das Universum von George Lucas komplett an Disney verkauft. Die neuen Besitzer erklären prompt, dass alles, was außerhalb der Filme und einiger weniger Cartoons und Comics passiert ist, nicht mehr zu Star Wars gehört. Han Solo hat demnach niemals getanzt.

Ein Jahr später schließt die Firma Terminal Reality, also die Entwickler, die Solo gegen ihren Willen tanzen lassen mussten. Das Studio hinterlässt eine fast 20-jährige Geschichte mit 25 Spielen, fast alle davon Flops. Für Kevin Afflack, den Musiker, der die Songs schrieb, war Star Wars Kinect das nach aktuellem Stand letzte Spieleprojekt. Affleck komponiert jetzt vor allem Filmmusik. "Ich bin der Jar Jar Binks der Komponisten", sagt er New York mit Blick auf den Flop. Er mag da nicht ganz Unrecht haben – denn trotz der Verachtung der Fans, die er auf sich gezogen hat: "I’m Han Solo" kriegt man so leicht nicht aus dem Kopf.

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