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Bundestagswahl 2017

Terrorsympathisanten könnten bald deutsche Steuergelder erhalten

Die "Sympathisanten der PFLP" treten mit der MLPD zur Bundestagswahl an.

Wenn der Bundestag ein Club wäre und die Wähler die Türsteher, müsste sich die Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) gar nicht erst anstellen. Denn du kommst da nicht rein, wenn du gewaltaffine Kumpels mitbringst – hoffentlich. Genau das versucht die MLPD aber gerade, sie tritt zur Wahl an und zwar gemeinsam mit Sympathisanten einer Terrororganisation.

Die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) steht neben 20 weiteren Organisationen auf der EU-Terrorliste. Ihre Sympathisanten sind ein Teil des Wahlbündnisses Internationalistische Liste/MLPD. Wie die MLPD-Vorsitzende Gabi Fechtner gegenüber VICE mitteilte, habe die MLPD ihre Listen für einzelne Kandidaten des Bündnisses geöffnet. Sollte die MLPD mehr als 0,5 Prozent der Zweitstimmen erhalten, würde sie mindestens 300.000 Euro Wahlkampfkostenrückerstattung erhalten. Ein Teil davon könnte auch an die Terrorsympathisanten fließen.

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Die PFLP ist in Deutschland nicht verboten, wohl auch, weil sie hier laut Verfassungsschutz und Innenministerium bislang kaum aktiv war. International hat die PFLP mit der Entführung des Flugzeugs "Landshut" 1977 Aufsehen erregt. Zuletzt schlug sie am 16. Juni 2017 zu. An diesem Tag schossen in Jerusalem drei Männer auf israelische Sicherheitskräfte. Mehrere wurden verletzt, eine Polizistin wurde mit einem Messer tödlich verwundet. Wie ein hochrangiges Hamas-Mitglied erklärte und die PFLP später bestätigte, waren an dem Angriff auch zwei PFLP-Mitglieder beteiligt. Warum also arbeitet die MLPD trotzdem mit PFLP-Sympathisanten zusammen?

Für die MLPD hat die EU-Terrorliste keine Bedeutung

"Wir als Partei lehnen solche individuellen Terrormaßnahmen ab", sagt Gabi Fechtner. Ob die PFLP wirklich an dem Attentat beteiligt war, könne sie nicht sagen. "Die Hamas ist für uns eine islamistisch faschistisch terroristische Organisation, das ist für uns keine Quelle. Und die Bestätigung der PFLP kenne ich in diesem Fall nicht."

Die Terrorliste der EU erkenne die MLPD außerdem nicht an: "Die halten wir für falsch. Sie ist im Interesse des imperialistischen Staatenbündnis der EU." Diese entscheide nach ihren Machtinteressen, wen sie auf die Liste setze, sagt Fechtner.

Die MLPD verurteilt "die Dämonisierung Stalins", fordert die 30-Stunden-Woche und möchte eine Diktatur des Proletariats errichten. Die Partei hat etwa 1.800 Mitglieder und wird vom Verfassungsschutz beobachtet.

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Wie ein Sprecher des Bundeswahlleiters gegenüber der Berliner Morgenpost sagte, könne man die Teilnahme an der Bundestagswahl jetzt nicht mehr verhindern, weil die PFLP in Deutschland nicht verboten sei. Auf Anfrage von VICE bestätigte das Amt zudem, dass allein die MLPD ihre Beteiligung angezeigt habe, um für die Wahl zugelassen zu werden, nicht aber die Internationalistische Liste. Der Bundeswahlausschuss prüfe nicht jeden einzelnen Kandidaten, sondern nur, ob eine Partei nach den Vorschriften des Parteiengesetzes antreten könne.

Der Bundestagsabgeordneten Volker Beck (Grüne) kritisierte gegenüber der Berliner Morgenpost, dass es überhaupt so weit gekommen ist. Man hätte die Aktivitäten der PFLP schon vorher sehen können, unter anderem seien Fahnen der Organisation beim antisemitischen Al-Quds-Tag beobachtet worden. "Der Verfassungsschutz ist schlecht informiert, wenn er sagt, die PFLP sei nicht aktiv."

Arbeitet die Partei nur mit Unterstützern oder doch mit der PFLP selbst zusammen?

Zwar hatte die MLPD in einer Pressemitteilung erklärt, dass sie nur mit den "Sympathisanten der PFLP" zusammenarbeite. Mindestens bis zum 16. August führte die Internationalistische Liste jedoch die PFLP als Bündnis-Mitglied auf ihrer Homepage. Erst danach wurde der Eintrag geändert. Der Bundeswahlausschusses hatte die Zulassung aber bereits sechs Wochen zuvor erteilt.

Die Webseite der Internationalistischen Liste am 16. August (Archivansicht, links) und heute

Laut Gabi Fechtner sei das wahrscheinlich ein Fehler auf der Homepage. Im MLPD-Wahlprogramm und sonstigen Veröffentlichungen hätten schon immer die "Sympathisanten der PFLP" gestanden. Es gebe keinen Grund, sich so von der PFLP zu distanzieren, sagt sie: "Wenn wir damit ein Problem hätten, dann hätten wir es auch gleich ganz sein lassen können."

Dass die PFLP wirklich Geld vom deutschen Staat erhält, ist aber aus zwei Gründen eher unwahrscheinlich. Bei der letzten Wahl erhielt die MLPD nur 0,1 Prozent, also zu wenig, um von der Kostenerstattung zu profitieren. Und laut Gabi Fechtner würden die meisten Parteieinnahmen ohnehin nicht aufgeteilt: "Die MLPD hat einen Großteil der Wahlkampfkosten getragen und das würde zunächst mal von dem Geld erstattet werden."

Wer hat also Schuld an dem Schlamassel? Genau genommen das Bundesinnenministerium. Denn vielleicht hätte sich da nach dem Attentat vom 16. Juni mal jemand überlegen können, dass es doch nicht so cool ist, wenn die PFLP auch in Deutschland aktiv wird.

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