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Forschern gelingt künstliche Fotosynthese mit Supramolekülen

Neuartiges Experiment beweist, wie gut die Chemie inzwischen darin ist, die Natur zu imitieren. Für die grüne Energieerzeugung der Zukunft soll das wichtige Erkenntnisse liefern.
Darstellung der im jüngsten Experiment verwendeten Supramoleküle. Quelle: Manbeck et. al., JACS Journal

Die künstliche Fotosynthese ist eine Königsdisziplin der modernen Chemie. Wissenschaftler nähern sich ihr auf ganz verschiedene Arten. Sie wollen das erreichen, was Pflanzen so mühelos schaffen: Aus Wasser und Kohlenstoffdioxid Energie und Sauerstoff gewinnen.

Künstliche Fotosynthese soll auch die Umsetzung eines wichtigen Schritts in eine emissionsfreie Zukunft beschleunigen: Die Ablösung von Benzin- und Diesel-Motoren durch die Brennstoffzellen, in denen Wasserstoff zusammen mit Sauerstoff in elektrische Energie umgewandelt wird. Mit solchen emissionsfreien Motoren experimentieren längst auch Hersteller wie BMW oder Daimler. Als wichtigen Treibstoff solcher Brennstoffzellen braucht es jedoch Wasserstoff – und der ist in großen Massen bisher nur mühsam und nicht ganz umweltfreundlich zu produzieren. Schon seit den 1970er Jahren suchen Wissenschaftler nach Wegen, schnell und billig an das H aus H2O zu kommen.

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Ein großes Vorbild für die Jagd des Menschen nach Wasserstoff kommt wie so oft aus der Pflanzenwelt: Fotosynthese. Jener biologische Vorgang, den wohl jeder Schüler aus dem Biologie-Unterricht kennt. Die natürliche Fotosynthese wandelt mithilfe von Sonnenlicht Wasser und Kohlenstoffdioxid in Glucose und Sauerstoff um. Wenn wir diesen Vorgang großflächig imitieren könnten, würde das nicht nur unser CO2-Problem lösen, sondern auch die Massenproduktion von Wasserstoff oder anderen Chemikalien ermöglichen.

Bisher hat sich die Forschung dabei vor allem auf einen Teilaspekt der Fotosynthese konzentriert, wie aktuell Wissenschaftler der Brookhaven National Laboratory und Virginia Teach in den USA beweisen. Sie haben sich der Lösung des Problems auf molekularer Ebene genährt. Die sogenannten Supramolekülen haben biologische Enzyme zum Vorbild. Als Stoff, der die Lichtenergie mit Wassermolekülen reagieren lässt, setzten sie Ruthenium-Metall-Ionen ein, die um einen Katalysator-Kern aus Rhodium-Metall-Ionen sitzen. Diese Moleküle sind das künstliche Pendant zum grüne Chlorophyll, welche als Antennen für das Sonnenlicht dienen.

In einem jüngsten Experiment konnten die Forscher mit den speziellen Molekülen einen Achtungserfolg verzeichnen: Sie zeigten, dass die Stoffe 280 Wasserstoff-Moleküle aus dem Wasser freisetzen können, bis sie verfallen. „Diese Community lebt für diese Zahlen," erklärt Dr. Sebastian Fiechter vom Institut für Solare Brennstoffe in Berlin gegenüber Motherboard. Die Relevanz des jüngsten Experiments außerhalb der Forschungs-Community sei aber fraglich, so der Wissenschaftler. Eine unmittelbare, praktische Anwendung gibt es dafür noch nicht. Immerhin handelt es sich bei Rhodium und Ruthenium um Edelmetalle, die zu teuer und selten für eine kommerzielle Nutzung sind.

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Einfacher ist es, die künstliche Photosynthese mit anorganischen und kostengünstigeren Katalysator-Stoffen nachzuahmen. „Dabei spielen Fragen der Verfügbarkeit der Materialien, deren Umweltverträglichkeit, der Preis zur Herstellung der wasserspaltenden Einheiten und deren Stabilität über lange Zeit eine wichtige Rolle," sagt Fiechter. Wissenschaftler am Forschungszentrum Jülich haben beispielsweise erstmals ein praktisch anwendbares Design für künstliche Fotosynthese entwickelt. „Im Moment liegt die Sonne-zu-Wasserstoff-Effizienz des Prototyps bei 3,9 Prozent," schreibt Dr. Bugra Turan vom Jülicher Institut für Energie und Klimaforschung, Photovoltaik in der Pressemitteilung. An besseren Katalysator-Stoffen wird allerdings schon geforscht.

Auch anderswo in Deutschland wird an Konzepten zur Umsetzung von synthetischer Fotosynthese geforscht: Am Institut für Angewandte Chemie der Universität Ulm haben Forscher eine Art künstliches Blatt entwickelt, das im Labor mithilfe von Mangan-Vanadiumoxid Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufspalten konnte. Es ist das erste derartige System, was aus bezahlbaren Materialien besteht und etwa so viel Sauerstoff produziert wie ein echtes Blatt.

Zukünftige Herausforderungen

Das Problem bei allen bisher genannten Verfahren: Aktuelle Katalysatoren haben nur eine Lebensdauer von maximal einigen Monaten. In der Industrie wird daher ein anderes Verfahren bevorzugt, um Wasserstoff herzustellen: Elektrolyse. Das ist eine seit Jahrzehnten erprobte Methode, mit der der Strom aus Windkraftwerken wie im Energiepark Mainz für die Spaltung von Wasser genutzt wird. Dort entsteht mit dem Strom aus der Windkraftanlage Wasserstoff im großen Stil, der als Grundstoff in der Industrie, als Treibstoff in der Mobilität und als Energieträger bei der Strom- und Gasversorgung dient.

Bei all diesen Versuchen fehlt aber eine entscheidende Komponente, der die natürliche Fotosynthese so beeindruckend macht: Kohlenstoffdioxid. Pflanzen nehmen CO2 aus der Luft auf und wandeln ihn in Kohlenhydrate um, die der Pflanze als Nahrung dienen. Das Herstellen von Wasserstoff ist die eine Sache; Kohlenstoffdioxid umzuwandeln – und damit auch noch einen Beitrag zur Umwelt zu leisten –, eine ganz andere. Hier gibt es andere Ansätze. Zum Beispiel können CO2-Abgase von Kraftwerken für die Produktion neuer Rohstoffe genutzt werden. Mit einer der Fotosynthese ähnlichen Technik kann man aus CO2 etwa Methanol oder Kohlenstoffmonoxid gewinnen, was wiederum in Brennstoffzellen mit geringen Emissionen eingesetzt werden kann. CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen, wie es die Pflanzen tun, ist nach heutigem Wissensstand noch nicht möglich. Die Konzentrationen seien zu gering, sagt auch Dr. Fiechter. Von der wahren Genialität der natürlichen Fotosynthese sei die Menschheit ohnehin noch Tausende von Jahren entfernt. Aber immerhin wird bereits heute ausführlich daran gearbeitet.