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So fühlen sich Männer nach einer Abtreibung bei ihrer Partnerin

"Die Abtreibung war meine Schuld – so fühlte es sich an." – Matt*, 26
Lisa Lotens
Amsterdam, NL
Eine Frau wartet zusammen mit ihrem Partner in einer Abtreauf eine ärztliche Untersuchung
Foto: Getty Images | Djanlissa Pringel

Wenn wir über Männer und Abtreibungen reden, geht es normalerweise darum, dass sie kein Recht haben, über fremde Körper zu bestimmen. Aber natürlich erleben auch Männer Trauer, Schuld und Scham, die aus Abtreibungen resultieren.

Wir haben mit Männern gesprochen, deren Freundinnen eine Abtreibung hatten, um ihre Seite der Geschichte zu hören.


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"Sex macht immer noch nicht so viel Spaß wie früher." – Rik, 25

Im Frühling 2018 fanden wir heraus, dass meine Freundin schwanger war, obwohl wir verhütet hatten. Erst einen Monat vorher hatten wir darüber gesprochen, was wir in einer solchen Situation machen würden. Ich war mir sicher, dass ich das Kind will, aber meine Freundin wusste nicht, was sie wollte. 

Nach dem Schwangerschaftstest war sie überzeugt, das Kind nicht zu wollen. Ich studierte noch, es war nicht die beste Situation, um ein Kind zu bekommen. Ich war hin- und hergerissen, weil ich immer jung Vater werden wollte. Während ich aufwuchs, war mein eigener Vater todkrank, also hatte ich keine richtige Vaterfigur. Manchmal fühlte es sich wie der perfekte Moment an, um eine Familie zu gründen, aber rational gesehen war mir klar, dass es schwer werden würde. Im Endeffekt traf meine Freundin die Entscheidung. 

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Vor der Abtreibung selbst hatten wir einen Termin bei einer Hausärztin, der ziemlich schiefging. Sie deutete an, dass meine Freundin die Abtreibung gar nicht wollen würde, und ließ mich wie den Bösen dastehen. Wir verließen die Praxis wütend und enttäuscht, was die ganze Situation nur noch schlimmer machte. 

Unser Termin in der Abtreibungsklinik war um acht Uhr morgens. Sie lag 200 Kilometer von unserem Wohnort entfernt. Alle anderen Kliniken waren ausgebucht. Anders als die Hausärztin waren die Mitarbeiter in der Klinik sehr hilfreich und verurteilten uns nicht. Ich musste im Wartezimmer bleiben, aber wollte da sein, falls etwas passierte. 

Die Tage direkt nach der Abtreibung waren am härtesten. Die Hormone meiner Freundin waren aus dem Gleichgewicht. Ich fühlte mich, als sei ich für ihren Schmerz verantwortlich. Sex macht immer noch nicht so viel Spaß wie früher. Das Thema fühlt sich mittlerweile sogar wie ein Tabu an. 

Du kannst Leuten auch nicht erzählen, dass es dir schlecht geht, weil deine Freundin eine Abtreibung hatte. Ich hatte Angst, dass man das nicht verstehen würde. Und ich wusste nicht, ob ich mich unter Kontrolle haben würde, wenn jemand schlecht reagieren sollte. 

Trotz dieser traumatischen Erfahrung brachte uns die ganze Sache einander auf eine verdrehte Art und Weise näher. Sie hat uns stärker gemacht. Wir freuen uns darauf, irgendwann bereit für Kinder zu sein. 

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"Die Abtreibung war meine Schuld – so fühlte es sich an." –
Matt*, 26

Ich war 16 Jahre alt, sie 17. Wir hatten Sex, aber verhüteten nicht. Sie war überzeugt davon, unfruchtbar zu sein, weil sie Probleme mit ihren Eierstöcken gehabt hatte. Ein paar Wochen später schrieb sie mir eine SMS, um mir zu sagen, dass sie schwanger war. Ich war geschockt. 

Sie wollte mit einer Freundin zur Abtreibungsklinik gehen und fragte mich nach Geld, weil Abtreibungen in den USA nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Wir wollten auch unseren Eltern nichts davon erzählen. Ich wollte ihr finanziell helfen, aber ich war 16 und hatte kein Geld, also war ich komplett gestresst. Ich musste innerhalb weniger Wochen um die 300 Euro verdienen, also verkaufte ich Unmengen an Gras. Ich lebte zu der Zeit in New York.

Nach der Abtreibung brauchte ich einige Wochen, bis ich wieder frei atmen konnte. Am Anfang hatte ich Angst, dass meine Freundin mich für alles verantwortlich machen würde. Aber so kam es nicht. Wir sprachen nur ein paar Mal sehr oberflächlich darüber. Ich war unsicher, wie nah sie mich emotional an sich heranließ. Ich verspürte sehr viel Scham. Alles war meine Schuld – so fühlte es sich für mich an. 

Die Abtreibung zeigte mir, dass ich finanziell abgesichert sein wollte und dass ich nicht einfach Sex haben konnte, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. 

Es ist traurig, dass das Thema so stigmatisiert wird. Unsere Familien sind fortschrittlich und befürworten das Recht auf körperliche Selbstbestimmung – aber wir haben dieses negative Bild in der Gesellschaft übernommen. 

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Damals verstand ich nicht wirklich, was das alles bedeutete. Es war die erste erwachsene Entscheidung meines Lebens. Abtreibungen sind aber letztlich die Entscheidung der Frau, weil es ihr Körper ist und nicht meiner. Trotzdem sollte jeder von uns sich dafür einsetzen, dieses Recht auf Selbstbestimmung zu beschützen. 

"Frauen können besser darüber reden als Männer." - Tim, 37

Meine Frau hatte zwei Abtreibungen, die erste vor vier und die zweite vor zwei Jahren. Ungefähr ein Jahr nach der Geburt unseres ersten Kindes wurde sie wieder schwanger. Wir hatten beide nicht genug auf Verhütung geachtet. Es war ein ungünstiger Zeitpunkt: Sie hatte gerade eine Kneipe eröffnet, und ich wollte wieder anfangen zu studieren. Wir wollten zwar noch mehr Kinder, aber es war nicht die richtige Zeit dafür. 

Beide Male fühlte ich mich, als sei ich hauptsächlich zur Unterstützung dabei. Ich durfte während der Besprechung und dem Prozedere nicht im Raum sein, was für viele Frauen vorteilhaft ist. In einer liebevollen Beziehung fühlt man sich allerdings ausgeschlossen. Du kannst dann nur versuchen zu verstehen, wie die Erfahrung war – je nachdem, welche Zeichen oder Worte deine Partnerin mit dir teilt. 

Es war unglaublich traurig, aber wir konnten zusammen traurig sein. Der Schmerz dauerte eine Weile an. Das Ganze fühlt sich ein bisschen unwirklich an, als ob du mit jemandem Schluss machen würdest, den du kaum kennst, aber in den du sehr verliebt gewesen bist. In den darauffolgenden Wochen merkte ich, dass ich sehr viel weniger darüber nachdachte als meine Freundin. Der Schmerz hielt für sie länger an. Das ergibt Sinn, weil sie auch die körperlichen Effekte spüren konnte. 

Ich bin froh darüber, dass eine Abtreibung in den Niederlanden die Entscheidung der Frau ist. Aber es ist noch immer kein Thema, über das man einfach so reden kann. Ich glaube, Frauen können besser darüber sprechen als Männer.

*Namen von der Redaktion geändert 

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