Menschen

Lockdown: Manche Katzen haben keinen Bock mehr auf ihre Besitzer

Die ganze Zeit mit Menschen in der Wohnung eingepfercht zu sein, macht einige Tiere aggressiv.
Pierre Longeray
Paris, FR
Eine böse dreinschauende Katze, die wahrscheinlich von ihren Besitzern genervt ist, mit denen sie dank Corona viel mehr Zeit verbringen muss
Symbolfoto: Alamy Stoc

Lockdown, Homeoffice und kein Ende in Sicht. Die vergangenen Monate waren für alle hart – vielleicht ein kleines bisschen weniger für Menschen mit Haustieren.

Eine Studie, die vergangenen September in der Fachzeitschrift PLOS Medicine erschienen war, hatte herausgefunden, dass unsere domestizierten Freunde – egal ob Katzen, Hunde, Kaninchen oder Waschbären – uns extrem dabei geholfen haben, den ersten Lockdown zu bewältigen und generell nicht den Verstand zu verlieren. "Ein Haustier zu besitzen, scheint einige der negativen psychischen Auswirkungen des Lockdowns zu lindern", heißt es in der Studie.

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Ein paar Tiere allerdings – vor allem Katzen, wer hätte es gedacht? – sind nicht so davon angetan, den ganzen Tag mit Menschen abhängen zu müssen. "Haustierhalterinnen und -halter sind natürlich heilfroh, ihre Tiere bei sich zu haben. Dadurch sind sie nicht komplett alleine", erklärt Dr. Emmanuelle Titeux, eine Tierärztin und Verhaltensmedizinerin. "Aber wenn Haustiere einen Fragebogen ausfüllen könnten, würden einige von ihnen definitiv sagen: 'Den ganzen Tag muss ich diesen blöden Dummkopf ertragen, der nicht aufhört, mich anzupacken. Ich halte das nicht mehr aus.'"

In den vergangenen Monaten posteten immer wieder Menschen, dass ihre Katzen depressiv geworden seien oder vor ihren Besitzern das Weite suchten. Eine Besitzerin von vier Katzen sagte gegenüber Vox, dass eins ihrer Tiere angefangen habe, "gegen Wände zu rennen", und dass alle vier während des Lockdowns "zu fauchen und knurren" begonnen hätten. Die Tier- und Verhaltensmedizinerin M. Leanne Lilly von der Ohio State University sagte der Seite, dass Tiere ähnlich wie Menschen "eine plötzliche Veränderung belastend finden".

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Titeux weist darauf hin, dass Begriffe wie Depressionen nicht passend für Tiere seien. "Was wir bei Tieren Depression nennen, ist eigentlich ein Art Resignation", sagt sie. "Grob gesagt: Das Tier findet sich in einer Situation wieder, an die es sich nicht anpassen kann, also verfällt es stattdessen in einen Zustand der Apathie. Es hängt vielleicht in einer Ecke ab oder frisst sein Essen, aber sonst macht es nicht viel."

Die Tierärztin hat in ihrer Praxis in Paris nicht viele Fälle von resignierten Katzen behandelt. "Aber seit dem ersten Lockdown haben wir eine Menge Katzen gehabt, die gegenüber ihren Haltern aggressiv geworden waren", sagt Dr. Titeux. "Während des erstens Lockdowns hatte ich sogar Leute hier, die ihre Katzen einschläfern lassen wollten, weil sie nicht aufhörten, sie anzugreifen."

Für Titeux ist der Grund für das auffällige Verhalten der Katzen offensichtlich: der Lockdown, genauer gesagt die Tatsache, dass sie rund um die Uhr mit Menschen zu Hause eingepfercht sind. Am stärksten sind Tiere betroffen, die nicht nach draußen können und dazu gezwungen sind, den ganzen Tag mit ihren Haltern in der Bude sitzen.

"Einige Katzen haben wirklich die Schnauze voll von Menschen. Die drehen durch, weil sie den ganzen Tag mit ihnen zusammenhocken", sagt Titeux. Die Tierärztin hat vermehrt gesehen, dass Katzen repetitives Verhalten zeigen – wie exzessives Lecken und Kratzen oder andere Anzeichen für Stress. Seit dem Beginn des Lockdowns habe sie auch mehr Katzen gesehen, die obsessiv Menschen oder Gegenstände kratzen.

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Aber nicht alle Katzen sind so. "Wir sollten das nicht generalisieren", sagt Titeux. "Es gibt viele Katzen, die Menschen lieben und gerne mit ihren Besitzern spielen. Diese Katzen freuen sich natürlich darüber, dass sie mehr zu Hause sind. Aber es gibt auch Katzen, die keine enge Beziehung zu ihren Menschen haben. Und wenn die dann darauf bestehen, die ganze Zeit mit ihnen zu interagieren, geht das nicht gut aus."

Es gibt keine Zauberlösung für die unsozialen Tiere. "Manchmal geben wir Katzen Fluoxetin, ein Antidepressivum, das in den USA unter dem Namen Prozac auf dem Markt ist. Das kann die Aggressionen mindern", sagt Titeux. "Aber nur weil man Tieren Medikamente gibt, die Menschen gegen Depressionen nehmen, heißt das nicht, dass die Tiere tatsächlich depressiv sind."

Für diejenigen, die ihre Wohnung mit einem unglücklichen Vierbeiner teilen müssen, kann es helfen, die Umgebung des Tieres zu ändern – wenn es denn irgendwie geht. Außerdem kann es Wunder wirken, den Umgang mit dem Tier zu ändern. "Die Katze zuerst zu dir kommen zu lassen, ist ein guter Anfang", sagt Titeux.

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